Freilegen, reparieren, aktivieren
Stähelin Partner
23. 七月 2020
Foto: Roman Weyeneth
Primar- und Sekundarschule «Wasgenring» in Basel von Fritz Haller sind wertvolle Baudenkmäler. Dirk Schuhmann erklärt, wie das Büro Stähelin Partner die Ensemble wieder flott gemacht hat.
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Die Primar- und Sekundarschulareale «Wasgenring» (1953 beziehungsweise 1962) zeigen exemplarisch das Werk und die Entwicklung im Wirken von Fritz Haller (1924–2012) und bilden daher ein Ensemble von nationaler und internationaler Bedeutung. Die Gebäudestrukturen haben bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüsst und lassen eine Qualität hinsichtlich der Schulnutzung erkennen, die beeindruckt und uns zu einem sensiblen Eingriff bewogen hat. Unsere Aufgabe sahen wir darin, die bestehenden Qualitäten behutsam wieder freizulegen, die Bauten zu restaurieren und nur punktuell integrierend zu ergänzen. Auch Planung und bauliche Umsetzung des Vorhabens an 17 Einzelgebäuden als Bauen im Bestand und bei laufendem Betrieb auf dem Schulgelände waren sehr anspruchsvoll.
Die Klassenzimmer wurden mit neuer Haustechnik ausgestattet, die systematisch integriert ist. (Foto: Roman Weyeneth)
Im multifunktionalen Kiosk (Foto: Roman Weyeneth)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der Ort wird beim Projekt «Wasgenring» durch die bestehenden Bauensemble von Fritz Haller und die umgebende parkähnliche Anlage geprägt. Während die Primarschule mit ihren zweigeschossigen Pavillons eine dörflichen Charakter zeigt, präsentiert sich die Sekundarschule als städtische Struktur, die exemplarisch für die Solothurner Schule beziehungsweise das systematische Bauen steht. Bei der Beschäftigung mit der Substanz wird offensichtlich, wie weit Fritz Haller seiner Zeit voraus war. So ist die physische Architektur mit ihrem Raster, dem Materialeinsatz und ihrer Wirkung nach wie vor aktuell. Gleichzeitig ist das Werk in eine profunde Architekturtheorie eingebettet.
Vor Ort war die grosse Qualität jedoch nicht mehr auf den ersten Blick lesbar. Zuerst mussten daher detaillierte Recherchen in Plänen und Texten angestellt werden, der Rückbau späterer unsensibler Eingriffe erfolgen und allgemein die Architektur von der Patina der Nutzung befreit werden, bis die architektonische Konsequenz des Bestands wieder sichtbar und spürbar wurde.
Die originalen Einbaumöbel der Klassenzimmer wurden sorgfältig restauriert. (Foto: Roman Weyeneth)
Eine zentrale Treppe strukturiert die Gebäude und verbindet jeweils die Geschosse der Pavillons. (Foto: Roman Weyeneth)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?
Bauherrschaft und Nutzer*innen waren durchgehend in den Bau- und Planungsprozess eingebunden. Dabei konnten wir ein Bewusstsein für die Qualität der bestehenden Bauten schaffen und mit unseren Interventionen präzise auf Wünsche reagieren, die dem Betrieb zu Gute kommen. Aus unserer Sicht trägt die Zusammenarbeit wesentlich zu einer positiveren Wahrnehmung der gebauten Umgebung bei, die sich schlussendlich auch auf die Motivation im Lern- und Arbeitsumfeld auswirkt.
Die Gestaltung ist die Hauptmotivation bei der Bearbeitung unserer Projekte, sie ist selbstverständlich und alltagstauglich, in diesem Fall bildet sie den Rahmen für Lehre und Sozialisierung. Allerdings geht es uns dabei nicht primär um den Kontrast und die Alleinstellungsmerkmale, vielmehr fliessen vielfältige Anforderungen in den Entwurfsprozess ein und werden zu einer ästhetisch nachhaltigen Architektur kondensiert. Der rote Faden in unserer Architektur ist nicht eine augenscheinliche formale Sequenz, sondern vielmehr eine synthetische Qualität, die sich auch im «Wasgenring» beispielhaft erkennen lässt.
Die neue Aufstockung ist ein eigenständiger, aber dennoch gut eingebundener Teil der Anlage. (Foto: Roman Weyeneth)
Das Ensemble gilt bis heute als ein Meilenstein der systematischen Architektur. (Foto: Roman Weyeneth)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Um dem gestiegenen Bedarf an Schulraum Rechnung zu tragen, wurde ein bereits nachträglich dem Ensemble von Fritz Haller hinzugefügtes Gebäude aufgestockt. Dieser Teil wurde mit einem hohen Anteil an Vorfertigung in Holz- und Stahlbauweise erstellt, um die Bauzeit soweit wie möglich zu reduzieren und somit die Auswirkungen auf den Schulbetrieb zu minimieren. Die sichtbare Fügung der Bauelemente und raumprägende Wirkung erinnert gleichzeitig an das systematische Bauen von Fritz Haller und bettet die Erweiterung ästhetisch und theoretisch in das bestehende Ensemble ein.
Situation
Schnitt
Primar- und Sekundarschule «Wasgenring»
Standort
Welschmattstrasse 30 und Blotzheimerstrasse 82, 4055 Basel
Nutzung
Schulbau
Auftragsart
Generalplanermandat / HarmoS, Sanierung, Erweiterung
Bauherrschaft
Bau- und Verkehrsdepartement des Kanton Basel-Stadt
Architektur
Stähelin Partner Architekten, Basel
Projektleitung: Dirk Schuhmann, Jean-Philippe Stähelin, Nuno Silva
Team: Claudia Bezler, Daniel Kiczka, Daniel Wirz, Micha Henny, Anna Neuhaus
Fachplaner
Bauingenieur: Rapp Infra, Jauslin Stebler
Elektroplaner: ProEngineering
HLK: HeiVi
Sanitär: Riesen AG
Fassadenplaner: sutter + weidnerfassadenplanung gmbh
Bauphysik und Akustik: Gartenmann Engineering
Brandschutzplanung: Rapp Infra
Jahr der Fertigstellung
2019
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 22,3 Mio. exkl. MwSt.
Gebäudekosten BKP 2
CHF 20 Mio. exkl. MwSt.
Kubikmeterpreis
CHF 390
Energiestandard
Geschützter Gebäudebestand: Energetische Optimierung
Aufstockung: Minergie P ECO äquivalent, nicht zertifiziert
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Implenia AG, Birsfelden
Marti AG
GGS AG, Gelterkinden
Mevo-Fenster, Reinach
Swisspro NW, Allschwil
C+P Sanitär GmbH
Emil Handschin AG
Spinnler+Partner AG
Fotos
Roman Weyeneth