Vermitteln und verdichten – eine neue Arealüberbauung in Winterthur

atelier ww
15. décembre 2022
Foto: Lucas Peters
Herr Frey, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Wir haben den Entwicklungs- und Planungsprozess des Projekts von Anfang an mitgestalten können: Schon bei der Grundlagenermittlung und der Auftragsdefinition waren wir an Bord. Das hat uns ermöglicht, frühzeitig alle wichtigen Anforderungen zu definieren und in unser Projekt zu integrieren.

Auch handelte es sich bei dem Vorhaben um einen Ersatzneubau. Vor uns lag eine unbebaute Parzelle an einer aufgrund des besonderen Kontexts sehr spannenden Lage mit grossem Potenzialen: In der unmittelbaren Nachbarschaft befindet sich der Reismühlekanal, und vis-à-vis liegt das alte Dorfzentrum von Hegi. Städtebaulich und hinsichtlich der Typologie war die Aufgabe reizvoll, weil am Bauplatz viele Gegensätze aufeinanderprallen: Periphere Siedlungsstrukturen aus den 1970er-Jahren treffen auf den gerade erwähnten historischen Ortskern, Siedlungs- und Zonengrenzen verlaufen im Bereich des Bauplatzes. Ausserdem gibt es in der Nachbarschaft Bauten verschiedenen Massstabs. Kurzum, wir hatten Freude an dem Projekt, weil es eine grosse Herausforderung war, eine passende bauliche Antwort zu finden, sodass sich die rund 110 neuen Wohnungen und Gewerbeeinheiten gut in die heterogene Körnung einfügen.

Foto: Lucas Peters
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Einen grossen Einfluss auf den Entwurf hatten das im Wandel befindliche Quartier und die Umgebung, in der Massstab, Dichte und Körnung der vorhandenen Bebauung stark variieren. Der Ort ist einerseits geprägt durch dörfliche und pittoreske Kernstrukturen im Osten, andererseits aber auch durch grossmassstäbliche Zeilen- und Solitärbauten im Westen. Hinzu kommt noch der im Süden angrenzende Stadtteil Neuhegi, ein Stadtbaustein mit urbaner Klarheit. Sowohl der Fluss Eulach als auch der Reismühlekanal, an dem die historische Reismühle liegt, haben ferner grosse identitätsstiftende Wirkung. Holz als Werkstoff für Konstruktion und Fassade ist im alten Dorfkern allgegenwärtig. Mit hölzernen Fassaden haben wir dies bei unserem Projekt aufgegriffen. Diese architektonische Entscheidung half uns auch, die Grossform zu relativieren. Ausserdem konnten wir so Überlagerungen und Bezugspunkte sowie eine urbane, eng mit dem Ort verknüpfte Stimmung im Quartier erzeugen.

Die strassenbegleitende Grossform entsteht durch die Vor- und Rücksprünge einzelner Gebäudevolumen. Diese Brechungen erzeugen Raumtaschen, Eingangs- und Adressierungsräume. Betrachtet man die Grundrisse, erkennt man, dass uns dies ermöglicht hat, die strassenseitigen Wohneinheiten sowohl zum östlichen Strassenraum als auch dem westlichen Garten- und Parkraum hin auszurichten. Die Orientierung und perfekte Wohn- und Belichtungsverhältnisse im Inneren des Gebäudes waren von Anfang an wichtige Parameter, die uns bei der Entwicklung des Konzepts geleitet haben.

Foto: Lucas Peters
Foto: Lucas Peters
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Die Vielfalt des Ortes und seine typische Gegensätzlichkeit machen ihn aus. Uns war wichtig, dass das Projekt auf die verschiedenen Einflüsse zu reagieren vermag, um trotz seiner Grösse eine vermittelnde Rolle zwischen den unterschiedlichen Körnungen, Massstäben und Identitäten des Ortes spielen zu können. Die Übergänge und Abgrenzungen zwischen Dorf-, Stadt- und Agglomerationsstrukturen waren zu klären. Zudem war es unser Anspruch, zur Entstehung eines neuen, lebendigen Quartiers mit den Mitteln der Architektur beizutragen.

Foto: Lucas Peters
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Das Projekt ist in konstruktiver Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft kontinuierlich weiterentwickelt worden. Unser Dialog stützte sich auf klare Vorgaben, zum Beispiel zu den Wohnungstypologien und -grössen, zu den Grundrissen und zur Materialisierung, zum Angebot an Gewerbeeinheiten, zum Budget und der Wirtschaftlichkeit sowie zur ökologischen Nachhaltigkeit.

Foto: Lucas Peters
Foto: Lucas Peters
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Das Projekt war im Zuge des Grundstücksverkaufs mit einer Machbarkeitsstudie hinterlegt worden. Die neuen Eigentümer, die Führung der Projektentwicklung und wir Architekten haben uns gemeinsam entschlossen, diese bereits ausgereifte Studie auch weiterhin umzusetzen. Da es sich um eine Arealüberbauung handelte, gab es einen intensiven Dialog mit der Fachgruppe Stadtgestaltung des Amtes für Städtebau.

Der Ort bietet aufgrund des Wechsels der Zonen und damit einhergehend auch der städtebaulichen Körnung mehrere Lesarten. Die von uns zunächst vorgestellte Studie, die eine Gruppierung solitärer Punkthäuser in einer Parklandschaft vorschlug, fand bei der Fachgruppe Stadtgestaltung keinen Anklang. Wir haben unseren Vorschlag daraufhin von Grund auf überarbeitet. Die neue Fassung führte zum nun umgesetzten Konzept, das auf einer strassenbegleitenden Bebauung mit vor- und zurückspringenden Gebäudevolumen beruht. Aus heutiger Sicht hat die Debatte zu einem guten Ergebnis und einer weiteren Lesart des Ortes geführt. Es ist eine Überbauung mit eindeutiger Gebäudevolumetrie entstanden, zudem verfügt die Anlage nun über einen grossen, zusammenhängenden und attraktiven Grünraum.

Foto: Lucas Peters
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Ökologische und soziale Zukunftsfragen beschäftigen uns beim atelier ww. Die neue Überbauung ist sowohl ökologisch als auch konstruktiv «State of the Art».

Gestalterisch hatten wir den Anspruch, das grosse, zusammenhängende Gebäudevolumen orts- und nutzungsspezifisch einzugliedern. Die Wahl einer Holzfassade hatte dabei einen hohen Stellenwert bei der sorgfältigen Einbettung des Projekts in seinen Kontext.

Schwarzplan
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss 3. Obergschoss
Grundriss 4. Obergeschoss
Grundriss Regelgeschoss, Ausschnitt
Querschnitt
Bauwerk
«7 am Park» – Überbauung auf dem Reismühle-Areal in Winterthur
 
Standort
Rümikerstrasse 2, 4, 6, 8 und 10, Hegifeldstrasse 36 und 38
8409 (Rümikerstrasse) beziehungsweise 8404 (Hegifeldstrasse), Winterthur
 
Nutzung
Wohnen und Gewerbe 
 
Auftragsart
Eigenentwicklung mit darauffolgendem Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Asga Pensionskasse Genossenschaft, St. Gallen
 
Architektur
atelier ww Architekten SIA AG, Zürich
Tobias Auch, Axel Beck, Michael Frey und Sandra Heimel
Beteiligte Mitarbeiter*innen: Konrad Mäder-Labhart, Reinhard Vier, Daniel Josipovic und Carolin Eichelberger
 
Fachplaner 
Totalunternehmer: Mettler2Invest AG, Kemptthal
Sub Totalunternehmer: Ralbau AG, St.Gallen
Bauingenieur: wlw Ingenieure, Mels
Elektroingenieur: Schmidheiny Engineering AG, Widnau
HLKK und MSRL-Ingenieur: Oekoplan AG, Gossau
Bauphysiker und Akustiker: Amstein+Walthert, Zürich
Brandschutz: Schmidheiny Engineering AG, Widnau
Landschaftsarchitekt: PR Landschaftsarchitektur GmbH, Arbon
 
Bauleitung 
Ralbau AG, St.Gallen
 
Jahr der Fertigstellung
2022
 
Gebäudevolumen
59'375 m3 (gemäss SIA 416)
 
Energiestandard
SIA Effizienzpfad 2040
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Fassadenbauer: Gadola Fassaden AG, Oetwil am See
 
Fotos
Lucas Peters

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