Kompromisslose Architektur
Andreas Fuhrimann Gabrielle Hächler Architekten
13. mars 2019
Beim Haus Alder machten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler keine Konzessionen. Bild: Valentin Jeck
Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler haben in Zürich-Wipkingen ein Wohnhaus mit intrinsischer Qualität gestaltet. Sie beantworten unsere fünf Fragen zu dem kraftvollen Bau.
Ort Trottenstrasse 64, 8037, Zürich
Auftragsart Direktauftrag
Architektur Andreas Fuhrimann Gabrielle Hächler Architekten, Zürich | Christine Bickel, Nicole Wallimann
Jahr der Fertigstellung 2018
Fotos Valentin Jeck
Die Fassade besitzt eine klassische Dreiteilung mit Sockel, Mittelteil und Dach. Bild: Valentin Jeck
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Die Architektenarbeit bestand zuerst darin, aus den baurechtlichen Bedingungen – Gebäudeabstände, Erkervorsprünge, Attikarücksprünge etc. – ein in sich stimmiges Gebäudevolumen zu formen. Dieses Ausschöpfen und Unsichtbarmachen der baugesetzlichen und kontextuellen Bedingungen führte zu einem komplexen Baukörper, der jedoch in seiner Materialisierung eine klassische Dreiteilung erfährt: Sockelgeschoss aus Beton, zwei gemauerte Mittelgeschosse und das Dachgeschoss wiederum aus Beton. Letzteres nimmt mit einem Spiel von Dachschrägen die im Quartier vorherrschende Giebelbauweise auf und fügt sich so ins Ortsbild ein.
Das neue Gebäude sollte so hoch wie möglich werden. Dies einerseits, um neben dem ebenfalls neu erstellten 9-geschossigen Altersheim Trotte, das im Wohnquartier einen Massstabssprung vollzieht, nicht erdrückt zu werden, und andererseits, um das Potenzial einer sensationellen Aussicht in den oberen Geschossen voll auszuspielen. Als räumlicher Höhepunkt befindet sich die Wohnküche in einem teils überhohen und von der Dachform geprägten, grosszügigen Raum mit fantastischem Blick über das Industriequartier, den Zürichsee und die Alpen. Dieser wird mittels eines Übereck-Panoramafensters inszeniert und eingefasst wie ein Bild.
Wohnküche mit um die Gebäudeecke gezogenem Panoramafenster. Bild: Valentin Jeck
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?Alles war nur möglich dank einer kunst-, design- und architekturaffinen Bauherrschaft, die sich mit dieser spezifischen Art von Architektur identifizieren kann, und die eine atelierähnliche Atmosphäre zu schätzen weiss. Ihre Werte und Antworten auf ganz grundsätzliche Lebensfragen stimmen mit den unseren überein. Das hat dieses kompromisslose Gebäude ermöglicht.
Skulpturale Treppenanlage aus Sichtbeton. Bild: Valentin Jeck
Der Mörtel wurde an der Aussenfassade bewusst nicht abgezogen. Bild: Valentin Jeck
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?Das Haus ist ein kritischer Kommentar zur gegenwärtigen Fixierung auf Perfektion und Entmaterialisierung von Formen und Oberflächen in der vorherrschenden Ästhetik. So ist die Materialisierung durchgehend «brut» gehalten und die Raumstimmung von roh belassenen Materialien geprägt. Der Mörtel wurde vom Maurer an der Aussenfassade zum Beispiel bewusst nicht abgezogen, um die Imperfektion des Handwerklichen zu zelebrieren und dem Mauerwerk einen textilen Ausdruck zu verleihen. Sockel- und Dachgeschoss sind innen isoliert und mit unbehandelten Sperrholzplatten verkleidet, um im Gegenzug eine wohnliche Raumstimmung zu erzeugen.
Bild: Valentin Jeck
Welches (Produkt oder) Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?Beton brut ist für unsere Arbeit von zentraler Bedeutung. Beim Haus Alder schöpfen vor allem die beiden aus Ortbeton gefertigten Geschosse das plastische Potenzial des Material aus: Im Sockelgeschoss wurden durch zwei Einschnitte eine gedeckte Eingangssituation gegen die Trottenstrasse und ein ebensolcher Sitzplatz der Einliegerwohnung im Erdgeschoss zum Garten geschaffen. Zusammen mit dem rohen Mauerwerk der mittleren Geschosse, das durch die eleganten Holz-Metallfenster und deren fein entwickelten Ausbildung zusätzlich überhöht wird, entsteht eine zeitgemässe Interpretation der Architecture Brut. Sowohl innen wie aussen entwickelt sich im Zusammenspiel ein exquisiter architektonischer Ausdruck, der zwischen Bodenständigkeit und Extravaganz changiert.