Roh-Bau
Holzhausen Zweifel Architekten
25. abril 2019
Aussenansicht von der Steigerhubelstrasse. Bild: Marco Frauchiger
Holzhausen Zweifel Architekten haben letztes Jahr ein Gebäude an der Bahnstrasse in Bern zum Wohn- und Atelierhaus umgestaltet. Hannes Zweifel und Sebastian Holzhausen stellen sich unseren sechs Fragen.
Ort Bahnstrasse 44, 3008, Bern
Auftragsart Direktauftrag
Bauherrschaft Tatraum AG für Kultur, Raum und Produktion
Architektur Holzhausen Zweifel Architekten GmbH, Zürich und Bern | Projektleiter: Hannes Zweifel | Mitarbeit: Sebastian Holzhausen, Raimondo Beccu
Fachplaner Bauingenieur: Tschopp Ingenieure GmbH, Bern, BE | HLKS: Probst + Wieland AG, Burgdorf, BE | Bauphysik: Weber Energie und Bauphysik, Bern, BE
Bauleitung Maurer Bauleitung GmbH, Spiegel bei Bern
Jahr der Fertigstellung 2018
Massgeblich beteiligte Unternehmer Baumeister, Büchi Bauunternehmung AG, Bern | Montagebau Holz, Parquet + Holzbau AG, Bern | Fassadenbau, Gebäudehüllen AG, Bern | Fenster aus Holz und Metall: Könitzer + Hofer AG, Worb BE | Fenster aus Aluminium: Casaulta + Klos AG, Bern | Verputze Aussenwärmedämmung, Maler Pfister AG, Ittigen BE | Küche, Benwood Stöckli GmbH, Bern | Schreiner, Wirz Holzbau AG, Bern
Fotos Marco Frauchiger, Bern
Atelier im ehemaligen Tankraum im Untergeschoss. Bild: Marco Frauchiger
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Die Auftraggeber beabsichtigten Räume für eine kombinierte Wohn- und Arbeitsnutzung in zentraler Lage zu günstigen Konditionen für verschiedene kreativ-kulturelle Tätigkeiten zu schaffen. Durch die Verbindung von Wohnen und Arbeiten sollten Austausch und Synergien gefördert werden. Zugunsten erschwinglicher Mieten und des gewerblichen Charakters sollte möglichst viel von der vorhandenen Bausubstanz erhalten und der Ausbaustandart bewusst niedrig gehalten werden. Darüber hinaus sollte die aktive Teilnahme am Gestaltungsprozess, die kreative Aneignung des vorhandenen Raumes und die Verwirklichung individueller Wohnwünsche und Visionen gefördert werden.
Wohnatelier im Erdgeschoss. Bild: Marco Frauchiger
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?Aus Kostengründen sollten die baulichen Massnahmen in sparsamer und pragmatischer Weise erfolgen, wie bereits im Bestand und generell bei Gewerbebauten üblich. Der Altbau war somit gleichsam die Vorgabe. So ergab sich eine raue Materialisierung, möglichst ohne Verkleidungen und Beschichtungen. Die Unterteilungen für die neu benötigten Nassräume, Küchen und Aussenräume sowie die zur Einhaltung aller Richtlinien verlangten Massnahmen sollten mit einfachen und reduzierten konstruktiven Mitteln erstellt werden.
Wohnatelier im 1. Obergeschoss. Bild: Marco Frauchiger
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?Die Umgebung hat sich insbesondere auf die innere Zuordnung und Unterteilung der Räume ausgewirkt. Die unmittelbare Lage am Gleisfeld im Norden bietet einen weiträumigen Ausblick, bringt aber auch Lärmemissionen mit sich. Die privateren Wohn- und Schlafräume wurden daher an der besonnten und gleichzeitig ruhigen Südseite zum Quartier hin ausgerichtet. Die öffentlicheren Wohnbereiche und die Ateliers öffnen sich dagegen grosszügig zur Weite des nördlichen Gleisfeldes.
Wohnung im 2. Obergeschoss. Bild: Marco Frauchiger
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?Einige der zukünftigen Mieter*innen standen bereits während der Projektphase fest. So orientierten wir uns bei der Einteilung der Wohnungen schon früh an deren Bedürfnissen. Neben den Gegebenheiten des Bestandes übte dies wesentlichen Einfluss auf die Grundrisse aus.
Ähnlich zu anderen Projekten gingen wir auch bei diesem davon aus, dass alles Bestehende, sei es im städtischen Kontext oder am konkreten Ort oder Objekt, eine eigene Qualität, eine spezifische Charakteristik, in sich trägt, welche es zu entdecken und zu stärken gilt. Auch das vermeintlich «Hässliche» oder «Banale» hält somit einen Ansatzpunkt für eine qualitative Weiterentwicklung in sich bereit. Entwerfen ist für uns Spurensuche nach diesen Qualitäten.
Uns gefällt die Tatsache, dass das alltägliche Leben nach wie vor und grösstenteils von profanen Bauten geprägt wird, welche den neutralen Hintergrund für die Entfaltung individueller Interessen und Neigungen bilden. Dies führte uns bei diesem Projekt – wie auch anderen, etwa dem Büroeinbau Drahtesel in Liebefeld – zu einer zurückhaltenden Herangehensweise und einem reduktiven Ansatz bei der Ausformulierung architektonischer Räume und Objekte. Wir denken, dass eine bewusste Aneignung von öffentlichen oder privaten Räumen nur innerhalb subtil formulierter (Frei-)Räume stattfinden kann – ohne vordergründige Predetermination, offen für die komplexe Entwicklung persönlicher und gemeinschaftlicher Vorlieben und Freiheiten.
Abteil der Clusterwohnung im Dachgeschoss. Bild: Marco Frauchiger
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?Das Projekt wurde weniger durch äussere Tendenzen beeinflusst, als vielmehr durch die Notwendigkeit mit den vorhandenen Mitteln möglichst sparsam umzugehen, um ein Maximum an nutzbarem Raum generieren zu können. Das führte in der Folge zu einer sehr rohen, materiell unmittelbaren Erscheinung, welche natürlich Bezugslinien zu ähnlich gelagerten Projekten aufzeigt, die in der jüngeren Vergangenheit in Europa entstanden sind. Das Ergebnis ist aber aus den Rahmenbedingungen entstanden und ganz gewiss nicht aus einer vorgefassten stilistischen Prämisse heraus.