Schmal, aber oho

weberbrunner architekten
12. décembre 2024
Das schmale Hanggrundstück galt als unbebaubar. Doch weberbrunner architekten machten sich die Topografie zunutze und entwarfen ein Wohnhaus mit wunderbarem Ausblick. (Foto: Beat Bühler Fotografie)
Herr Weber, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Das Wohnhaus H befindet sich an einer Hanglage in Weiningen, einer Agglomerationsgemeinde in der Nähe von Zürich. Beim Grundstück handelt es sich um eine Restparzelle in einem Wohngebiet. Trotz seiner attraktiven Lage galt es wegen seiner unproportionierten Abmessungen und der anspruchsvollen Topografie als unmöglich zu bebauen. Mit Blick auf die zunehmende Boden- und Ressourcenknappheit in der Schweiz wird es im Sinne des klimagerechten Bauens jedoch immer entscheidender, solche Restparzellen durch Studien auf ihr Potenzial zu untersuchen. 

Wir konnten im Zuge einer solchen Studie für das Haus H eine bebaubare Fläche von fünf mal zwanzig Metern ermitteln. Die Gebäudeform leitet sich aus diesen Dimensionen ab, denn das Grundstück sollte optimal genutzt werden. Das Wohnhaus ist zweigeschossig mit je einer autarken Wohneinheit pro Etage gebaut. 

Blick von Westen auf das Langhaus: Die bebaubare Fläche auf dem Restgrundstück wurde maximal ausgenutzt. (Foto: Beat Bühler Fotografie)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Der idyllische Ort und die spezifische Topografie waren der Ausgangspunkt für die Idee, ein Artefakt in Symbiose zum landschaftlichen Raum zu entwickeln. Das Haus H ist in der Hügellage eingebettet und schafft über Schwellen vom Innen- zum Aussenraum fliessende Übergänge ins Grüne. Um den Bezug zum vorgefundenen zu unterstreichen, wurden lokale und recycelbare Materialien verwendet.

Einfamilienhäuser stehen im Hinblick auf ihre CO2-Bilanz zunehmend auf dem Prüfstand. Trotzdem bleibt die Typologie bei den Menschen sehr gefragt und wir müssen mit klimaschonenden Konzepten darauf reagieren. Wie bei allen unseren Projekten verfolgten wir konsequent das Ziel, im Einklang mit dem 1.5-Grad-Ziel zu bauen, um den ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Als Grundlage nutzen wir das Tool der Lebenszyklusanalyse (LCA), um die Umweltauswirkungen von Beginn an in unseren Entwurfsentscheidungen berücksichtigen zu können. Um entsprechende Werte zu gewährleisten, haben wir schon frühzeitig verschiedene Konstruktionsmöglichkeiten für die Ausführung geprüft. So konnten die CO2-Emissionen signifikant gesenkt werden. Primäre Konstruktionsweise des Wohnhauses ist der Holzrahmenbau, den wir mit grossformatigen CLT-Sperrholzplatten im Deckenbereich ergänzt haben.

Das Gebäudekonzept orientiert sich an den Prinzipien des einfachen Bauens. Um das 1.5-Grad-konforme CO2-Budget einzuhalten, haben wir auf nachwachsende und regionale Materialien gesetzt. Die Konstruktion ist demontierbar und kreislauffähig ausgeführt. Im Süd- und Westbereich gibt es partiell jeweils einen aussenliegenden Sonnenschutz. Weitere Fassadenbereiche werden durch einen konstruktiven Holzschutz kühl gehalten, der als Dachüberstand ausgebildet ist. Die Haustechnik wird ausschliesslich mit regenerativen Energien betrieben.  

Um eine klimagerechte Umweltbilanz zu erzielen, wurden Baumaterialien aus der Region verwendet. (Foto: Beat Bühler Fotografie)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Das Grundstück ist in einer grosszügig begrünten Umgebung situiert und ermöglicht einen schönen Ausblick aufgrund seiner erhöhten Hanglage. Um diese Qualität des Kontexts im Entwurf hervorzuheben, haben wir fliessende Übergänge zum Aussenraum gestaltet. Die Terrasse und das Vordach mit Balkon bilden dabei Schwellenräume. So werden die Wohnräume optisch erweitert und die Bewohnenden erhalten einen direkten Blick ins Grüne. 

Wie schon angedeutet, folgt die Gebäudeform der Geometrie des Grundstücks. Die schmale Dimensionierung ermöglicht eine grosszügige und natürliche Belichtung aller Räume. Die Gebäudetiefe erzeugt den Eindruck von Weitläufigkeit – dass die Räume nur fünf Metern breit sind, wird so ausgeglichen. Zudem ermöglichen wir durch den Zuschnitt die flexible Nutzung der Wohnungen.

Das einfache Gebäudetechnik-Konzept ermöglicht den autarken Betrieb des Hauses. (Foto: Beat Bühler Fotografie)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


Mit Blick auf die demografische Entwicklung ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit, Grundrisse anpassungsfähig und nutzungsoffen zu gestalten. Viele Menschen wüschen sich, auch im Alter in ihrem Eigenheim zu wohnen. Das Haus H kann je nach Lebenssituation in eine oder zwei autarke Wohneinheiten aufgeteilt werden. Das Gartengeschoss ist flächenübergreifen barrierefrei, was es ermöglicht, die Etage als altersgerechte Wohnung anzubieten.  

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Der Grossteil des Gebäudes ist in Holzbauweise umgesetzt. Aufgrund der besonders anspruchsvollen Topografie und des anfallenden Hangwassers wurden die ursprünglich aus Trockenstein geplanten erdberührten Wände aus ökonomischen und bauphysikalischen Gründen ausnahmsweise in Beton ausgeführt.  

Der Balkon auf der Westseite fungiert als Schwellenraum zur grünen Umgebung. (Foto: Beat Bühler Fotografie)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Das Gebäude ist konform zum SIA-Energieeffizienzpfad 2040 konzipiert. Die kreislauforientierte Bauweise war ein wesentliches Gestaltungselement im Entwurfsprozess. Besonders im Hinblick auf die Typologie von Ein- und Zweiparteienhäusern ist es aus unserer Sicht unabdingbar, die Prinzipien, die wir bereits im grossen Massstab erprobt haben, auch bei kleineren Gebäuden anzuwenden. Denn wir können nicht ignorieren, dass das Einfamilienhaus eine gesellschaftlich wichtige und stark nachgefragte Typologie bleibt. 

Wie wir mit dem Haus H gezeigt haben, kann mit einer durchdachten Fügung ein sparsamer Materialeinsatz erreicht werden. Ausserdem lassen sich die Bauteile so später leicht wiederverwenden. Darüber hinaus ist es durch die Minimierung des haustechnischen Aufwands und die Nutzung von Photovoltaik-Paneelen möglich, die Betriebsenergie zu kompensieren: Unser Haus kann sich selbst mit Energie versorgen und funktioniert autark. Durch all diese Massnahmen erreichen wir einen möglichst kleinen CO2-Fussabdruck und eine sehr günstige Umweltbilanz. 

Die ungewöhnlichen Abmessungen des Hauses beeinträchtigen die Wohnqualität nicht. (Foto: Beat Bühler Fotografie)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Die unkonventionellen Grundstücksmasse stellten uns vor die Herausforderung, trotz der schmalen Gebäudebreite eine ansprechende Wohnqualität zu schaffen, die kein Gefühl von Enge auslöst. Da die Bauherrschaft unsere Begeisterung für das Bauen mit Holz teilt, lag nahe, das Material als Primärbaustoff einzusetzen. Die Beschaffenheit des Holzes und die daraus resultierende Atmosphäre sind ein wesentliches Element der Raumqualität.  

Schwarzplan (© weberbrunner architekten)
Grundriss Untergeschoss (© weberbrunner architekten)
Grundriss Gartengeschoss (© weberbrunner architekten)
Längsschnitt (© weberbrunner architekten)
Querschnitt (© weberbrunner architekten)
Bauwerk
Wohnhaus H
 
Standort
8104 Weiningen
 
Nutzung
Einfamilienhaus mit Einliegerstudio
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Privat
 
Architektur
weberbrunner architekten ag, Zürich
Projektleitung: Eva Geering und Roger Weber 
Mitarbeit: Benjamin Bärtschi, René Breuer, Fabian Bürgler und Antonia Schumacher
 
Fachplaner
Holzbauingenieur und Bauphysik: Timbatec Holzbauingenieure AG, Zürich
Bauingenieur: Ruggli & Partner Bauingenieure AG, Unterengstringen
Klima-Engineering: Transsolar, Stuttgart, Deutschland
HLS-Planung: P. Schärli und Partner Sanitärplanung GmbH, Regensdorf
Elektroplanung: K+H Elektro GmbH, Unterengstringen
Geologie: Jäckli Geologie AG, Zürich
 
Fertigstellung
2024
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Holzbau: Saxer Holzbau Weiningen GmbH, Weiningen
 
Fotos
Beat Bühler Fotografie, Zürich

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