Hin und weg

Holzhausen Zweifel Architekten
5. Dezember 2024
Bei der Planung des neuen Betriebsgebäudes der Bus Station Zürich mussten die Kosten gering gehalten werden. Trotzdem ist ein architektonisch qualitätsvoller Bau entstanden, der später leicht zerlegt werden kann. (Foto: Jürgen Beck)
Herr Holzhausen, Frau Stamm, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Sebastian Holzhausen: Der bisherige Carparkplatz hinter dem Zürcher Hauptbahnhof war in den letzten Jahrzehnten trotz seiner zentralen Lage ein eher vergessener Ort. Gleichzeitig entwickelte sich auf dem Platz, hart ausgedrückt, ein normenfreier Raum: sozial kaum noch kontrolliert, optisch teils verwahrlost und von der Zürcher Bevölkerung nicht mehr wirklich wahrgenommen. Zudem ist inzwischen absehbar, dass die Busstation wohl um das Jahr 2035 nach Zürich-Altstetten umziehen wird. Wir hatten die Chance, diesen wichtigen Ort im Stadtgefüge für die restliche Nutzungsdauer als Zürich Bus Station entsprechend aufzuwerten und zugänglicher zu machen.

Holzoberflächen und ein freundlicher Grünton prägen die Fassaden des neuen Betriebsgebäudes. (Foto: Jürgen Beck)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Sebastian Holzhausen: Interessanterweise haben wir uns nicht einen einzigen anderen Fernbusbahnhof angeschaut, bevor wir das neue Betriebsgebäude entwarfen. Stattdessen dienten uns Garderobengebäude, Garagen oder sonstige Lagerstrukturen als Inspirationsquelle – Gebäude also, die ein Dach und einen einfachen Schutz für etwas geben müssen. Übermässig repräsentative Referenzbauten hätten wir als Inspiration für diesen Ort und die gegebene Nutzungsdauer als unpassend empfunden.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Lena Stamm: Es war spannend zu entdecken, was dieser Platz eigentlich für Zürich bedeutet. Er war einer der Brennpunkte der Jugendunruhen in den 1980er-Jahren. Das Autonome Jugendzentrum AJZ befand sich bis zu seinem erzwungenen Abbruch im hinteren Teil der jetzigen Busverkehrsfläche. Bei den Aushubarbeiten haben wir noch mehrere Fundamente entdeckt, die damals einfach im Boden belassen worden waren. 

Alte Fotos aus dem Bauarchiv zeigen Jugendliche des AJZ auf den Dächern sitzend, während im Hintergrund der damalige Carparkplatz auf der vorderen Platzhälfte zu sehen ist. Das alles hat zwar nicht direkt auf den Entwurf eingewirkt, faszinierte uns aber und hat uns bestärkt, diesen Ort möglichst freundlich und offen zu gestalten. Er soll in Zukunft durchaus auch als Aufenthaltsort sein.

Die Details des Infrastrukturbaus mögen einfach sein, sind aber sorgfältig und liebevoll gestaltet. (Foto: Jürgen Beck)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


Lena Stamm: Aufgrund der kurzen Restnutzungsdauer als Zürich Bus Station war die Budgetvorgabe sehr eng und mit einem strikten Design-to-Cost-Mandat verbunden. Alle Entscheide wurden auf ihre Kostenrelevanz geprüft, und es wurde bei allen Planungsschritten mit Bauherrschaft und Nutzerschaft über «must-have» und «nice-to-have» diskutiert. Einsparungen auf der einen Seite bedeuteten nicht mehr Freiheiten auf der anderen, gespartes Geld wurde nicht ins Projekt investiert. Das hat uns letztlich dazu bewogen, ein sehr simples und preisgünstiges Materialkonzept umzusetzen. Wir haben das Gebäude so weit wie möglich auf die zwingende Struktur reduziert und nur teilweise mit Wandbelägen ausgestattet. Wir wählten günstigen Materialien, verwendeten aber farbige Anstriche, um dennoch eine ansprechende Wirkung zu erzielen. Alle Technikleitungen wurden sichtbar an Decken und Wänden verbaut.

Blick in den öffentlichen Warteraum (Foto: Jürgen Beck)
Aufgrund des knapp bemessenen Budgets kamen günstige Materialien zum Einsatz. Dafür wurden Farben eingesetzt, um dem Gebäude eine angenehme Wirkung zu verleihen. (Foto: Jürgen Beck)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Sebastian Holzhausen: Am Anfang hatten wir noch Bilder von umgenutzten Schiffscontainern oder Re-Use-Baubaracken im Kopf. Doch als wir uns in die Planung vertieften, über die normen- und richtlinienkonforme Umsetzung nachdachten und uns mit den behördlichen und stadtinternen Auflagen auseinandersetzten, wurde schnell klar, dass diese Ideen unmöglich waren. Bald entschieden wir uns für einen vorfabrizierten Holzelementbau – arbeiteten aber noch lange am Ausdruck und am Raffinement der Einfachheit der Details. 

Das Vordach wurde erst im Zuge der Ausschreibungsplanung zum filigran abgestützten Metalldach. Die Farbentscheidungen haben wir ebenfalls lange hinausgezögert, um sie erst im Rohbau mit Blick auf den räumlichen Eindruck zu finalisieren.

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Sebastian Holzhausen: Wir haben seit der Gründung unseres Büros ein grosses Interesse an einfachen und seriellen Strukturen. Auch vernakuläre oder anonyme Bauweisen mit ihren teilweise sehr direkten und unmittelbaren Konstruktionen üben schon immer eine grosse Faszination auf uns aus. Diese Themen beschäftigen uns täglich und tauchen daher auch in unterschiedlicher Ausprägung immer wieder in unseren Entwürfen und Bauten auf. Die Frage, wie viel man weglassen kann, bevor etwas ins Banale kippt, speist sich aus diesem Interesse und ist stets ein zentraler Leitfaden bei unserer Arbeit.

Blick auf das abendlich erleuchtete Betriebsgebäude (Foto: Jürgen Beck)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Lena Stamm: Da davon auszugehen war, dass das Gebäude nur für 10 bis 15 Jahre stehen wird, haben wir die Rückbaubarkeit mitgedacht. Wenn zum Beispiel etwas geschraubt werden konnte, wurde es nicht genagelt oder geklammert. Klebeverbindungen waren von vornherein tabu. Grundsätzlich haben wir darauf geachtet, möglichst keine Verbundmaterialien zu verwenden, und die Aufbauten der einzelnen Bauteile sind von uns so gestaltet, dass sie nach Möglichkeit sortenrein getrennt oder rezykliert werden können.

Situation (© Holzhausen Zweifel Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Holzhausen Zweifel Architekten)
Querschnitte (© Holzhausen Zweifel Architekten)
Bauwerk
Zürich Bus Station
 
Standort
Sihlquai 15, 8005 Zürich
 
Nutzung
Betriebsgebäude Busbahnhof
 
Auftragsart
Rahmenvertrag
 
Bauherrschaft
Stadt Zürich, Amt für Hochbauten
 
Architektur
Holzhausen Zweifel Architekten GmbH BSA SIA, Zürich
Sebastian Holzhausen (Gesamtleitung), Eva Müller, Lena Stamm (Projektleiterin) und Hannes Zweifel
 
Fachplaner
Tiefbauingenieur: Caprez Ingenieure AG, Zürich
Holzbauingenieur: Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, Zürich
Elektroingenieur: Walter Salm, Meier & Partner AG, Zürich
HLS-Ingenieur: RMB Engineering AG, Zürich
Landschaftsarchitekten: Balliana Schubert Landschaftsarchitekten AG, Zürich
Bauphysik: Durable Planung und Beratung AG, Zürich
Verkehrsplanung: Kontextplan AG, Zürich
 
Bauleitung 
Ziörjen Baumanagement GmbH, Zürich
 
Fertigstellung
2024
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 5.45 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 1.43 Mio.
 
Gebäudevolumen
1080 m3 (gemäss SIA 416)
 
Kubikmeterpreis
1325 CHF/m3
 
Kunst am Bau
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Fotos
Jürgen Beck, Zürich

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