Regenerative Architektur

Jomini & Zimmermann
14. November 2024
Das Haus in Holz-Lehm-Bauweise besitzt eine selbstgebrannte Yakisugi-Fichtenholzschalung. (Foto: Roland Bernath)
Frau Jomini, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Ein Mehrgenerationenhaus für eine Grossfamilie, die gemeinsam wohnt und gemeinsam einen solidarischen Landwirtschaftsbetrieb führt, ist keine alltägliche Bauaufgabe. Auf dem Grundstück, wo bisher nur die Eltern gewohnt haben, sind drei Wohneinheiten, eine Hofküche, ein Hofladen und drei Gewerberäume entstanden, damit die Tochter und der Sohn mit ihren Familien ebenfalls dort leben und arbeiten können. Als Familienprojekt betreiben alle zusammen einen bioveganen Gemüsehof, der etwa einen Kilometer vom Gebäude entfernt liegt. 

Das Haus ermöglicht gemeinschaftliches Wohnen und bietet gleichzeitig Rückzugsmöglichkeiten. Es wurde eine klimavernünftige, baubiologische Bauweise mit natürlichen Materialien realisiert, um ein gesundes Raumklima zu erzeugen, ohne das Klima auf dem Planeten zu beeinträchtigen. Das Baubudget war sehr knapp bemessen, daher mussten bei allen Entscheidungen soziale, ökonomische und ökologische Aspekte sorgfältig abgewogen werden.

Die Wohnräume sind von Holz- und Lehmoberflächen geprägt. (Foto: Roland Bernath)
Wohnküche im 1. Obergeschoss (Foto: Roland Bernath)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Für das Projekt haben wir uns von den historischen Holzbauten in der direkten Umgebung und von der traditionellen japanischen Architektur inspirieren lassen. Beide Baukulturen erzeugen aus lokalen regenerativen Rohstoffen mit wenig grauer Energie Gebäude mit gutem Raumklima und hoher atmosphärischer Qualität.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


In der malerischen Voralpenlandschaft direkt vor dem Gebäude stehen mehrere schöne historische Bauernhäuser mit steilen, leicht abgeknickten Satteldächern und sonnengebräunten Holzfassaden. Gebäudeform und Materialisierung haben sich über die Jahrhunderte zusammen mit der Kulturlandschaft entwickelt. Wir wollten diese lokale Baukultur aufnehmen und weiterführen, damit eine zeitgenössische regenerative Architektur entsteht.

Schlafzimmer mit Erker (Foto: Roland Bernath)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


Die private Bauherrschaft hat das Projekt sehr professionell mit der Projektentwicklerin Claudia Thiesen vorbereitet. Trotz des knappen Budgets war sie sofort bereit, den erstmaligen Einsatz der robotergestampften Holz-Lehm-Decken von Rematter zu ermöglichen. Die Anforderung der Bauherrschaft, kostengünstig und gleichzeitig ökologisch zu bauen, hat zu pragmatischen und innovativen Lösungen geführt: Das Haus besitzt zum Beispiel eine selbstgebrannte Yakisugi-Holzfassade.

Wohnzimmer mit Balkon (Foto: Roland Bernath)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Bei unserem letzten Projekt in Bellerive am Murtensee konnten wir Erfahrungen mit gepressten Lehmsteinen, japanischem Lehmputz und Lehmkaseinböden sammeln und bereits ein sehr gutes Raumklima erzeugen. Die Gebäudehülle war jedoch noch aus gebranntem Einsteinmauerwerk, und die Decken hatten wir aus massiven Brettstapeln konstruiert. Beim Mehrgenerationenhaus konnten wir mit dem Holzrahmenbau und den Holz-Lehm-Decken die graue Energie und die Treibhausgasemissionen deutlich reduzieren und gleichzeitig das Raumklima und die Raumatmosphäre verbessern. Der nächste Schritt wird sein, die Treppenhäuser und Fundamente ebenfalls aus biobasierten oder wiederverwendeten Materialien zu realisieren, damit eine vollständig regenerative Architektur entstehen kann.

Das 1. Obergeschoss im Rohbau (Foto: Roland Bernath)
Innenstütze und Primärträger im Rohbau (Foto: Roland Bernath)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Die robotergestampften Holz-Lehm-Decken von Rematter und die gepressten Lehmsteine von Terrabloc haben es uns ermöglicht, eine warme Raumatmosphäre und eines gutes Raumklima zu erzeugen und dabei die graue Energie und den CO2-Ausstoss gegenüber einer konventionellen Bauweise stark zu reduzieren. 

Situation (© Jomini & Zimmermann)
Grundriss Erdgeschoss (© Jomini & Zimmermann)
Querschnitt (© Jomini & Zimmermann)
Bauwerk
Mehrgenerationenhaus in Altendorf
 
Nutzung
Mehrgenerationenhaus zum Wohnen und Arbeiten
 
Auftragsart
Studienauftrag
 
Bauherrschaft
Privat
 
Architektur
Jomini & Zimmermann, Zürich
Valérie Jomini und Stanislas Zimmermann
 
Fachplaner                               
IHT Ingenieurbüro für Holz + Technik, Schaffhausen und Zürich
Meichtry & Widmer Bauingenieure, Zürich
 
Fertigstellung
2024
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 2.6 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 2.3 Mio.
 
Gebäudevolumen
2284 m3 (gemäss SIA 416)
 
Kubikmeterpreis
985 CHF/m3
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Holzbaustatik: IHT Ingenieurbüro für Holzbau, Schaffhausen
Baustatik: Meichtry & Widmer, Zürich
Bauphysik: Gartenmann Engineering, Zürich
Holzbau: Artho Holz- und Elementbau, St. Gallenkappel
Holz-Lehm-Decken: Rematter, Zürich
Holzelementdecke: Hürzeler Holzbau, Magden
Gepresste Lehmsteine: Terrabloc, Genf und Rickenbach
 
Fotos
Roland Bernath

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