Spiel mit der Topografie

KUMMER/SCHIESS Architekten
21. November 2024
Eine Sitztreppe verbindet die Aussenräume auf der Nord- und Südseite der Schule. (Foto: Roland Bernath)
Herr Kummer, Herr Schiess, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Luc Kummer: Ennetbaden und das Schulhausareal sind geprägt durch eine eindrückliche Topografie: Der Limmatbogen, die Geländeterrasse, Lägern und Geissberg als erste Juraausläufer sowie Kunstbauten im Untergrund und die Hangneigung bestimmen den Bauplatz. Wir haben schon früh im Wettbewerb erkannt, dass durch eine optimierte Setzung des Gebäudes auf der Geländekante und zwischen den unterirdischen Kunstbauten das Schulhaus von aussergewöhnlichen Ausblicken und einer ebenerdigen Erschliessung über drei Geschosse profitieren kann.  

Ennetbaden liegt eingebettet in eine beeindruckende Landschaft: Der Limmatbogen und die Juraausläufer Lägern und Geissberg prägen das Bild. Das neue Schulhaus steht an einer Geländekante und reagiert so auf die anspruchsvolle Topografie. (Foto: Thomas Haug)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Martin Schiess: Neben der Topografie und den Bezügen zur Umgebung waren die Bauten und Anlagen im Untergrund prägend für den Entwurf. Einerseits unterquert der Goldwandtunnel, die 2006 erstellte Umfahrung des Dorfzentrums von Ennetbaden, das Schulhausareal, andererseits befindet sich unter der heutigen Lernlandschaft mit dem ehemaligen «Posttäli» ein mehrgeschossiges Parkhaus.

Die Nordfassade des neuen Schulhauses – zu sehen sind die Lernlandschaft im Aussenraum und die Sitztreppe, die zum Pausenplatz führt. Letztere gehört auch zur Quartiererschliessung. (Foto: Roland Bernath)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


Luc Kummer: Bereits vor dem Wettbewerb wurden die Schülerinnen und Schüler von der Schulleitung in Workshops befragt, wie sie sich ein neues Schulgebäude vorstellen. Die Ergebnisse flossen in die Wettbewerbsgrundlagen ein. In der Projektierungsphase wurden im Austausch mit der Schulleitung und den Lehrpersonen sowie in Workshops mit den Schülerinnen und Schülern Bereiche im Gebäude festgelegt, deren Nutzung und Gestaltung in einem partizipativen Prozess entwickelt werden konnte. Auf den Schulgeschossen verbindet ein zweistöckiges Möbel zum Toben, Klettern und Rutschen zwei Räume. In den Klassenzimmerschränken und den Garderoben sind Nischen als individuelle, zurückgezogene Lernbereiche eingebaut. Die Farbgestaltung der Nasszellen wurde von den Kindern bestimmt, und im Aussenraum durften sie an ausgewählten Tagen mitbauen.

Ein zweistöckiges Möbel zum Toben, Klettern und Rutschen, das zwei Räume verbindet, entstand im Austausch mit den Schülerinnen und Schüler. (Foto: Roland Bernath)
Immer zwei Klassenzimmer sind über Gruppenräume miteinander verbunden und können zusammengeschaltet werden. Möchte man die Räume dagegen separat nutzen, lassen sich zum Sichtschutz Vorhänge zuziehen. (Foto: Roland Bernath)
Die Klassenzimmer werden räumlich von den Medienkanälen geprägt, die unter die Unterzüge gehängt sind. (Foto: Roland Bernath)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Martin Schiess: Wir verfolgten von Anfang an das Ziel einer hohen räumlichen Flexibilität. Das Rahmentragwerk in Form von fünf gestapelten Hallen erlaubt im Inneren grundsätzlich eine freie Raumaufteilung. So konnten Nutzerwünsche zum Raumprogramm und der Raumaufteilung gut in die Planung integriert werden. Beispielsweise wurde das Geschoss für Textiles- und Technisches Gestalten, kurz TTG, im Dialog mit der Schulleitung komplett neu konzipiert. Auch wurde nachträglich ein grösserer Schutzraum ins Projekt integriert, was aufgrund der Hanglage gut machbar war, aber grossen Einfluss auf das Haustechnikkonzept und die Lage des Technikraums hatte. Zudem haben wir aufgrund des Kostendrucks das Holztragwerk durch ein Betontragwerk ersetzt und den Glasanteil der Fassade reduziert. Das Rahmentragwerk blieb jedoch unabhängig vom Material das tragende Gerüst des Entwurfs.

Auch die Garderoben sind Teil der Lernlandschaft. Die Kinder finden dort Arbeitsplätze entlang der Fenster. Ausserdem sind Lernnischen in die Möbel integriert. (Foto: Roland Bernath)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Luc Kummer: Energetische und gesellschaftliche Aspekte sind uns bei unserer Arbeit generell wichtig. Beim Schulhaus Ennetbaden haben wir speziell auf eine hohe Nutzungsflexibilität, Nutzer- und Schülereinbezug und Systemtrennung geachtet. Auch eine robuste Bauweise, die den Unterhalt und die Lebenszykluskosten gering hält, war uns wichtig. Wo es möglich war, haben wir nachwachsende und CO2-reduzierte Materialien verwendet.

Die Räume für Technisches und Textiles Werken (TTG) im Untergeschoss lassen sich zum Aussenraum öffnen. An warmen Tagen können die Kinder ihre Arbeitstische ins Freie schieben. (Foto: Roland Bernath)
Situation (© KUMMER/SCHIESS Architekten)
Grundriss Untergeschoss (© KUMMER/SCHIESS Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© KUMMER/SCHIESS Architekten)
Grundriss 2. Obergeschoss (© KUMMER/SCHIESS Architekten)
Querschnitt (© KUMMER/SCHIESS Architekten)
Längsschnitt (© KUMMER/SCHIESS Architekten)
Bauwerk
Neubau Schulhaus Bachtal Ennetbaden
 
Standort
Grendelstrasse 9, 5408 Ennetbaden
 
Nutzung
Schulhaus
 
Auftragsart
Selektiver Wettbewerb 2018, 1. Rang
 
Bauherrschaft
Gemeinde Ennetbaden AG
 
Architektur
KUMMER/SCHIESS Architekten GmbH, Zürich ZH
 
Fachplaner
Landschaftsarchitekt: Maurus Schifferli Landschaftsarchitekten AG, Bern
Bauingenieur: Büro Thomas Boyle + Partner AG, Zürich
Fassadenplanung Treppenturm: Mebatech AG Ingenieurbüro für Metallbautechnik, Baden
Elektroplanung: Gutknecht Elektroplanung AG, Au
Haustechnikplanung: energiehoch4 AG, Zürich
Sanitär- und Werkleitungsplanung: RMB Engineering AG, Zürich
Bauphysik und Brandschutz: mühlebach partner ag, Winterthur
 
Bauleitung
WT Partner AG, Zürich 
 
Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten BKP 1–9
17.8 Mio inkl. MWST
 
Gebäudekosten BKP 2
14.3 Mio inkl. MWST
 
Gebäudevolumen
13'505 m
 
Energiestandard
Minergie
 
Kunst am Bau
Navid Tschopp, Zürich: Metalldecke im Treppenturm, an die die Kinder farbige Magnete werfen.
 
Fotos
Roland Bernath und Thomas Haug

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