Haus in Riehen
Haus in Riehen
15. September 2016
Das Büro Reuter Raeber Architekten hat kürzlich das Einfamilienhaus «Haus in Riehen» fertiggestellt. Patrick Reuter und Lukas Raeber stellen sich unseren Fragen.
Betonstruktur im Gleichgewicht
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Das Besondere liegt im beziehungsreichen Umgang mit Raum, Struktur, Material und Ort. Gegensatzpaare wie Leicht und Schwer oder Stützen und Lasten sind wesenseigene Merkmale des Entwurfs. Inhaltlich thematisiert das Haus also ein Wechselspiel zwischen den Materialien Beton, Holz, Stahl und Glas und versucht, einen konstruktiven Balanceakt zu erreichen. Das Haus ist konstruktiv gleichermassen einfach wie es in ausgewählten Situationen auch komplex ist und verbindet zwei Konstruktionsweisen auf überraschende Art und Weise. Trotzdem ist es nicht selbstreferenziell, sondern entspringt dem Gedanken des Orts, des Bauens am Hang und in architektonisch anspruchsvoller Nachbarschaft.
Stützmauern spannen unterschiedliche Aussenräume auf
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Wir haben uns im Entwurfsprozess mit den in Riehen bedeutenden baukünstlerischen und typologischen Einfamilienhäusern der frühen schweizerischen Moderne, die ein damals neues Bauen repräsentierten, orientiert. Es ist eine Architektursprache, die durch elementare Formen und Materialien bestimmt wird. Strenge kubische Gliederung der Baukörper, das Flachdach und eine glatte Fassadenhaut sind Gestaltungsmerkmale, die uns beschäftigten. Die Anwendung von Stahlskelett-Bauweise bei Wohnbauten war damals aus bautechnischer Sicht Pionierarbeit. Aus diesem konstruktiven und gestalterischen Verständnis und Interesse haben wir das Haus entworfen.
Unser Hintergrund, ein Praktikum in LA und ein Reisestipendium nach Brasilien, spielen sicher eine bedeutende Rolle in unserer kreativen Arbeit. Als Inspiration dienten so auch die Ideen der Case-Study-Häusern, bei denen die industrielle Fertigung und ein Regelwerk von Fügungen und Konstruktionsdetails ein bedeutender Aspekt darstellt, um nicht nur eine wirtschaftliche Bauweise zu erreichen, sondern auch neue Wohnformen zu erzielen. Dazu kommen Ansätze der brasilianischen Moderne, beispielsweise die sorgfältige Einbettung in die Landschaft, der rohe Beton und die Materialechtheit.
Seitenansicht: Die Kräfte der Auskragungen laufen über einen gekreuzter Windverband
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der Entwurf ist beeinflusst durch die anspruchsvolle Hanglage. Aus dieser Gegebenheit entspringt das abgestufte Erdgeschoss. Damit wird die Nähe und Direktheit zum Aussenraum erreicht und die Übergänge von Innen und Aussen sind nahtlos. Die in das Terrain eingebetteten Umgebungsmauern eröffnen verschiedene Garten- und Hofsituationen und belichten das Erdgeschoss auch im hinteren Teil, wo sich das Haus in das gewachsene Terrain einbettet.
Esszimmer: die Untersicht der Betonquerwand ist sichtbar, der Betonquader als Lampenstelle bildet zusammen mit der Badewanne ein Gleichgewicht
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Wir haben uns rege mit der Bauherrschaft ausgetauscht und Ihre Bedürfnisse und Vorstellungen berücksichtigt. Wir haben gemeinsam die Bauparzelle besichtigt und die Umgebung erkundigt. Anschliessend haben wir uns allerdings zurückgezogen und uns auf die architektonische und konstruktive Gestaltung fokussiert. Während dieser Phase haben wir keinen Dialog mit der Bauherrschaft geführt, sondern unsere Ideen entwickelt und ausgearbeitet. Wir haben unsere Interessen ausgemacht und vergleichbar mit einem Entwurfsprojekt an der Universität, uns gezielt mit wenigen Schwerpunkten beschäftigt. In einer Anfangsphase ist es sehr wichtig, sich zu fokussieren und vieles auszublenden. Viele Themen erhalten damit erst zum geeigneten Zeitpunkt Ihre Relevanz. Unsere Bauherrschaft haben wir erst im Anschluss an diese initiale Entwurfsphase wieder mit auf die Reise genommen. Ein starkes architektonisches und konstruktives Interesse seitens der Bauherrschaft hat im Prozess zu vielen anregenden Gesprächen geführt.
Abtreppung und Enfilade als Raumsysteme
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Die aufliegende Konstruktion war anfänglich eine reine Stahlkonstruktion, die in der weiteren Planung zu einer Mischbauweise aus vorfabrizierten Holzelementen und Stahlbauteilen wurde. Die jeweilig positiven Eigenschaften von Holz und Stahl haben wir zusammengeführt. Wo Stahl statisch notwendig war, bei den seitlichen Kreuzausfachungen, bei den Dachhauptträgern vorne und hinten, und bei den Zugstäben, an denen die Decke aufgehängt ist, haben wir ihn verwendet. Zudem wurde die Wetterschicht im Obergeschoss in Metall ausgeführt. Dagegen sind alle raumbegrenzenden Flächen oder Platten aus Holz gefertigt. Somit werden auch die bauphysikalischen Anforderungen erfüllt.
Treppenaufgang ins obere Geschoss mit Blick ins Grüne und auf die Kreuzausfachung
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Mit den Themen Struktur und Konstruktion haben wir uns schon bei vorherigen Projekten beschäftigt. So haben wir beispielsweise bei einer Dachaufstockung quasi eine Brücke von Brandmauer zu Brandmauer der beiden Nachbarshäuser aus vorgefertigtem Holzelementbau gespannt, um damit eine zweigeschossige Wohnung mit freiem und offenen Grundriss und reduziertem Materialeinsatz zu gestalten.
Haus in Riehen, Schwarzplan genordet 1:1000
Haus in Riehen, Erdgeschoss 1:150
Haus in Riehen, Obergeschoss 1:150
Haus in Riehen, Ansicht und Querschnitt 1:150
Haus in Riehen, Ansicht und Längsschnitt 1:150
Haus in Riehen, Ansicht Querschnitt 1:150
Haus in Riehen
2016
Riehen
Nutzung
Einfamilienhaus
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
privat
Architektur
Reuter Raeber Architekten ETH SIA,
Patrick Reuter + Lukas Raeber,
Basel, BS
Fachplaner
WMM Ingenieure AG,
Gilbert Santini + Andreas Bayer,
Münchenstein
Jahr der Fertigstellung
2016
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Huber Straub AG Bauunternehmung
Hürzeler Holzbau AG
Hunziker Schreinerei AG
R+R Metallbau AG
Meister Sanitär AG
Jaeggi Volmer Spenglerei GmbH
Auszeichnung
best architects 2017 in Gold
Fotos
Eik Frenzel, Lausanne