Backstein am Hang
Backstein am Hang
Diethelm & Spillmann Architekten
2. März 2017
Diethelm & Spillmann Architekten haben kürzlich die Gebäudehülle des ersten Terrassenhauses in Zürich, das 1959/60 nach den Plänen von Cramer Jaray Paillard erbaut worden ist, instandgesetzt und zwei Wohnungen umgebaut. Alois Diethelm stellt sich unseren Fragen.
Aussenansicht des einstigen Architekturateliers
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Wir verstehen dieses Haus als eine Ikone der schweizerischen Nachkriegsmoderne. Es wurde 1959/60 nach den Plänen von Cramer Jaray Paillard erbaut und war das erste Terrassenhaus der Stadt Zürich. Daran arbeiten zu dürfen, empfanden wir als Privileg.
Südwestansicht mit ehemaligem Büro im Vordergrund
Wie hat das Vorhandene auf den Entwurf eingewirkt?
Angesichts der architekturgeschichtlichen Bedeutung dieses Hauses sind wir ihm mit grösstem Respekt und Zuneigung begegnet. Die Architektur, respektive deren Materialisierung, ist zwar erstaunlich resistent, wurden doch in den 1980er-Jahren fast alle Fenster durch Holzmetallfenster ersetzt, ohne dass das Haus entstellt worden wäre. Raffinessen wie nach aussen öffnende Flügel gingen trotzdem verloren.
Diese «Robustheit» hätte dazu verleiten können, die Möglichkeiten neuer Zeitschichten auszuloten, wir sahen dafür aber schlicht keine Notwendigkeit. Da hätten schon offensichtliche, und nicht bloss aus einer subjektiven Abneigung begründete Mängel vorliegen müssen.
Wohnen/Essen mit wieder geöffneter Galerie
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Beim Umbau der obersten Wohnung, dem ursprünglichen Architekturatelier von Cramer Jaray Paillard, stand im Zentrum, das einstige Raumdispositiv mit der Zweigeschossigkeit wieder erfahrbar zu machen. Mit der Transformation zur Wohnung 1969 wurde nämlich die Galerie zu Gunsten von zwei Kinderzimmern und einem Bad geschlossen. Zum Glück liessen die Raumbedürfnisse des Bauherrn diesen Rückbau zu.
Küche mit Rückwand aus wiederverwendeten Steinen
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Bedeutend ist vielleicht etwas hochgegriffen: Wir hatten erst kurz vor Baubeginn gemerkt, dass die Sichtbacksteinfassade im Laufe der Jahre hydrophobiert wurde. Für die beidseitig bewitterten Terrassenwände war das ein Problem, weil Wasser, das wegen Rissen in den Mörtelfugen trotzdem ins Mauerwerk gelangt, hinter der Hydrophobierung nicht mehr austreten kann – auch nicht dampfförmig, da beidseitig der Wand Aussenklima herrscht. Wir mussten sodann alle Fugen mit einer Schlämme verfüllen und – eigentlich contre coeur – die Terrassenwände erneut hydrophobieren.
Bad. Wo heute die Badewanne ist, war ursprünglich ein Pflanztrog
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Wir arbeiten gerne und oft im Bestand. Moderne und Nachkriegsmoderne geniessen unser besonderes Interesse. Einerseits, weil wir aus ihnen viel für unsere eigene Entwurfsarbeit ziehen können – uns scheinen nämlich viele Konzepte des 20. Jahrhunderts noch immer gültig – und anderseits, weil diese Art von Architektur in unseren Augen «Anwälte» braucht.
Dass es bei denkmalpflegerischen Instandsetzungen nicht darum geht, eine eigene Handschrift zu hinterlassen, bereitet uns keine Mühe. Im Gegenteil: Wir ziehen eine grosse Befriedigung daraus, ursprüngliche Qualitäten zu wahren oder zu reaktivieren. Ist der originale Zustand nur noch mit Schwarzweissfotografien dokumentiert, fiebern wir dem gebauten «Farbbild» mit einer Neugierde entgegen, als würde es sich um einen unserer eigenen Entwürfe handeln.
Zugang zur Galerie
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Natürlich wurden energetische Verbesserungen vorgenommen, aber mit Bedacht. Wir haben grossen Respekt davor, funktionierende Konstruktionen durch Dämmen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Interessanterweise besteht die Fassade hier ja bereits aus einem Zweischalenmauerwerk mit einer Kerndämmung aus sogenanntem Isoschaum, der – wie unsere Sondierungen zeigten – immer noch vorhanden ist. Und auch die Fenster verfügten von Anfang an über Isolierglas.
Nordfassade
Grundriss Geschoss G. Hauptgeschoss der grossen Wohnung
Grundriss Geschoss H. Galeriegeschoss der grossen Wohnung
Längsschnitt
Axonometrie der Terrasse mit Abdichtungskonzept (farbig)
Terrassen mit unsichtbaren Anschlüssen
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerkes beigetragen?
Flüssigkunststoff! Das mag angesichts der sinnlichen Qualität der vorherrschenden Materialien etwas gar prosaisch klingen. Aber ihm ist zu verdanken, dass wir auf den Terrassen wieder verdeckte Anschlüsse wie einst realisieren konnten – trotz oder gerade wegen des anderen Bauablaufs, war doch der Pflanztrog ursprünglich direkt auf die Abdichtung betoniert worden.
Galerie. Täferdecke und Cheminée sind neu
Galerie. Eigenfarbe der Materialien
Terrassenhaus Eierbrechtstrasse
2016
Zürich
Nutzung
Mehrfamilienhaus
Auftragsart
Planerwahlverfahren
Bauherrschaft
privat
Architektur
Diethelm & Spillmann Architekten, Zürich
Mitarbeiter: Francisco Espi Ruano, Carsten Kessler
Fachplaner
Bauingenieur: de Vries Engineering GmbH, Zürich
Elektroplaner: Odermatt AG, Brüttisellen/ZH
Sanitärplaner: EN/ES/TE AG, Zürich
Bauphysiker: BWS Bauphysik AG, Winterthur/ZH
Materialtechnologie Mauerwerk: BWS Labor AG, Winterthur/ZH
Materialtechnologie Sichtbeton: Marianne Huber, Steckborn/TG
Fotos
Lucas Peters