Atriumsiedlung Rehbühl
22. Juni 2006
Erst die Gartenanlage macht ein herrschaftliches Haus zur Villa. Dass eine Villa ihren Garten einbüssen, ihren Status dennoch behalten kann, zeigt die Villa Rehbühl in Uster. Johannes Meier baute sie 1920 für den Textilfabrikanten Balthasar Trüb auf einem Hügel ausserhalb der Stadt. Zusammen mit dem Garten, der Auffahrt durch eine Nussbaumallee und dem Gärtnerhaus am Eingang der Anlage bildete sie ein erhabenes Ensemble. Mit dem Wachstum der Agglomeration bis an den kleinen Park und dem Verkauf des tiefer gelegenen, nach Südwesten abfallenden Teils des Grundstücks schien das Schicksal besiegelt.
Die flach ins Gelände gebetteten Gebäudekörper bilden ein Podest für die Villa aus den Zwanzigerjahren.
Fotos: Andrea Helbling
Drei Jahre später ist der Garten tatsächlich einer modernen Reihenhaussiedlung gewichen – die Anlage ist aber intakt geblieben. In barocker Manier ging der entwerfende Architekt Thomas Schregenberger von der Austauschbarkeit von Garten- und Bebauungsstruktur aus, weshalb die Bauten in ihrer Aufsicht die Geometrie der Gartenanlage aufgreifen. So findet sich in der Reihenhauszeile im Westen der Villa die Vierteiligkeit der früheren Nutzgärten wieder und die im Süden gelegene Zeile zeichnet die ehemals von Zierbäumen markierte Grundstücksgrenze nach. In ihrer Aufsicht folgen die in den Hügel gebetteten zweigeschossigen Baukörper dem Verlauf des Terrains und rücken als Abstrahierung der vorgefundenen Topografie in den Hintergrund. Das zurückhaltende Auftreten wird in der Materialisierung fortgesetzt. Die dunklen, gekratzten Betonwände der Fassaden übernehmen die gleiche grobkörnige Struktur der Zugangswege aus Kies. Zusammen verschmelzen sie zu einer Einheit, die eine neue Plattform für das weiss verputzte Herrschaftshaus bildet.
Hinter den einheitlichen, geschlossenen Mauern verbergen sich die Atrien.
Das Haus ist um das Atrium herum organisiert. Dieses versorgt das Wohngeschoss mit viel Licht.
Da die Herrschaft der Villa nur auf formaler Ebene bestehen bleibt und
die Reihenhäuser statt Bediensteter vierzehn Hauseigentümer
beherbergen, war eine Zerstückelung der Gesamtanlage trotz allem
programmiert. In einer Reihenhauszeile, wo das eigene Haus demjenigen
des Nachbarn aufs Haar gleicht, ist der Privatgarten die Fläche, die
dem Haus zur individuellen Note verhilft. Um eine Kakophonie der
Vorgärten zu verhindern, hat sich Schregenberger eines in unseren
Breitengraden unüblichen Ansatzes bedient: Der individuelle Aussenraum
wird zu einem zentralen Atrium, um das herum der Grundriss organisiert
ist. Im Eingangsgeschoss unterteilt das Atrium die Wohnung in einen
Wohnbereich und einen Essbereich mit Küche und der Treppe zum
Obergeschoss. Da das Atrium nur an der einen Seite vom Obergeschoss
begrenzt wird, versorgt es das Wohngeschoss mit viel Licht.
Kann
das Atrium das Bedürfnis nach persönlicher Kennzeichnung des
Reihenhauses stillen? Die liebevoll gestalteten Aussenräume stimmen
optimistisch: Vom gekachelten Sitzplatz mit Zierbaum bis zum
japanischen Garten ist alles da. Wer will, kann die Holzlamellen vor
dem grossen Wohnzimmerfenster beiseite schieben und seinem Nachbar
Einblick ins Innerste seines Hauses gewähren. Sonja Lüthi
Das Atrium ist der Ersatz für den individuellen Gartenbereich.
Die Bauten greifen die Geometrie der ehemaligen Gartenanlage auf und
folgen dem Verlauf der vorgefundenen Topografie. Die Bauten greifen die
Geometrie der ehemaligen Gartenanlage auf und folgen dem Verlauf der
vorgefundenen Topografie.
Atriumsiedlung Rehbühl
2004
Pfäffikerstrasse/
Balthasar-Trüb-Weg
Uster
Bauherrschaft
Gemeinnützige Baugenossensch.
Riedikon
Architektur
Thomas Schregenberger
Zürich
Bischoff + Partner
Uster
Anlagekosten
(BKP 1–9)
CHF 8,6 Mio.
Gebäudekosten
(BKP 2/m3)
CHF 497.–
(SIA 116)
Heizwärmebedarf
184 MJ/m2a
(SIA 380/1)