Noerd
Das Gewerbehaus der Kreativen
14. junho 2012
Beat und Birgit Rothen haben kürzlich ein Gewerbehaus für Fabrikation und Dienstleistung in Zürich fertiggestellt. Birgit Rothen wählt drei Zeichnungen und fünf Fotos und beantwortet unsere sieben Fragen.
Ansicht Binzmühlestrasse Nacht
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Wir standen unter immensem Kostendruck. Gleichzeitig waren die Ansprüche an die Architektur und die Nachhaltigkeit gross und der Zeitplan eng. Zudem sollte das Gebäude möglichst flexibel sein. Aus diesen Anforderungen versuchten wir eine Qualität zu schaffen.
Die Suche nach der Entwurfsidee gründet auf eine wirtschaftliche, einfache Tragstruktur, die hohe Nutzungsflexibiliät und grosse Spannweiten mit hohen Nutzlasten kombiniert, und ein optimales Stützenraster für verschiedene Nutzungen generiert. Wir entwickelten ein Gebäude, welches als kompaktes Volumen die gesamte Parzelle besetzt. Das Herzstück im Inneren bildet eine sieben Meter hohe Fabrikationshalle, die über grosse Oberlichter belichtet wird und mit mäanderförmigen kleinteiligen Dienstleistungstrakten umfasst wird. Als Gegenstück entwickelten wir über der Hallenebene eine verschlungene Kieslandschaft mit Grünpflanzen und unterschiedlich hoch gestapelten Baukörpern, um den oberen Dienstleistungstrakten eine eigene Qualität zu geben. Wir versuchten mit einfachen Mitteln, basierend auf einem rigiden, statischen System, eine spannende Raumabfolge zu generieren.
Situation
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Ausser den pragmatischen, funktionalen Aspekten galt es, mit diesem Thema der Stützenstruktur eine architektonische Idee zu entwickeln. Der Grundriss des griechischen Senats mit der Halle von 100 Säulen, Serlio il Bolognese (1520) und der Entwurf von Heinrich Tessenov für ein Seebad auf Rügen (1936) waren das räumliche Leitbild.
Das Gebäude entfaltet seine Kraft nicht aus der Feinheit, sondern aus der Rohheit der Materialien. Die Rauheit des Rohbaus soll sichtbar bleiben. Jedes Element muss verschiedene Funktionen erfüllen und seinen Sinn im Ganzen mehrfach unter Beweis stellen.
Ausbau Senn
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der Bauplatz in Oerlikon lässt alle Möglichkeiten zu. Ein offener Ort, zwischen Parkhaus, Produktionsgebäuden und Umspannwerk, der Raum bietet für ein Gebäude der besonderen Art.
Produktionshalle FREITAG lab. ag, Innenausbau: Spillmann und Echsle, Zürich
Inwiefern haben die Bauträgerschaft oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Die Ankermieter Freitag lab. ag und Aroma waren seit Beginn der Planung in den Prozess involviert und haben mit ihren Gedanken zur Nachhaltigkeit und recyclierten Produkten einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung beitragen können.
Grundriss 1. Obergeschoss
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Das Projekt wurde zusammen mit dem Totalunternehmer Senn BPM, den Ankermietern und Wüest und Partner entwickelt. Es hat praktisch nur den gemeinsamen Entwicklungsweg gegeben, der Rücksicht auf sämtliche Belange der Gestaltung, Kosten und Anforderungen aus der Nachhaltigkeit genommen hat.
Schnitt
Beeinflussen aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Bei den Materialien setzten wir bewusst auf ökologische und nachhaltige Baustoffe. Mit Ausnahme der hochbelasteten Stützen verwendeten wir Recyclingbeton. Auch die Rockpanelplatten der Fassadenelemente und die Holzfenster können wieder in Umlauf gebracht werden.
Ansicht Binzmühlestrasse
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Die Rauheit des Gebäudes ist das zentrale Thema. Für den Beton verwendeten wir absichtlich die «schlimmsten» Schalungen. Die Oberflächen sind roh, unfertig, direkt. Sie können von den Mietern weitestgehend so übernommen werden.
Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Kritiken!
Anlieferung aussen
Treppenhaus innen
Noerd
2011
Zürich ZH
Auftragsart
Auswahlverfahren
Bauherrschaft
Pensimo Management AG, Zürich
Totalunternehmer
Senn BPM AG, St. Gallen
Immobilienberater
Wüest & Partner AG, Zürich
Architektur
Beat Rothen Architektur GmbH, Winterthur
Beat Rothen, Birgit Rothen, Ina Hesselmann, Oliver Maurer, Marcel Jäger, Claudia Toepsch, Lars Reinhardt
Fachplaner
Landschaftsarchitekt: Müller Illien, Zürich
Statisches Konzept: Conzett Bronzini Gartmann AG, Chur
Bauingenieur: Schällibaum AG, St. Gallen
Haustechnik: Amstein + Walthert AG, St. Gallen
Fotos
Gaston Wicky, Zürich