Aufatmen in Tokio - Nicolas G. Hayek Center
24. 7月 2007
Ein Spiel mit dem Massstab: Hinter der scheinbar viergeschossigen Fassade verbergen sich dreizehn Stockwerke.
Ginza ist in Japan der Inbegriff eines Geschäfts- und Vergnügungsviertels. Die Chuo-dori, auch unter dem Namen Ginza-dori bekannt, ist Tokios erste Flaniermeile und eines der teuers-ten Pflaster der Welt. Eine Anekdote sagt, dass man die grösste Banknote, einen 10000-Yen-Schein (rund 100 Fran-ken), nicht oft genug falten kann, um damit in Ginza ein Grundstück der entsprechenden Fläche zu kaufen. Ende Mai eröffnete hier die Bieler Swatch Group ihren neuen japanischen Hauptsitz (HP 4/07). 150 Millionen Franken liess sich der weltgrösste Uhrenhersteller das 475-Quad-ratmeter-Grundstück kosten. Weitere 35 Millionen investierte er in den Bau von Shigeru Ban.
Im Vergleich zu anderen architektonischen Werbeträgern, die jüngst in Tokio entstanden – etwa den Flag-stores von Herzog&de Meuron für Prada und Toyo Ito für Tod’s –, gibt sich Bans Nicolas G. Hayek Center äusserlich unprätentiös. Die Hülle des in vier Abschnitte gegliederten Gebäudes erscheint als gewöhnliche vorgehängte Glas-Rahmenfassade. Jedenfalls im geschlossenen Zustand. Ein überraschendes Spektakel bietet sich aber, wenn diese Blenden nach oben gerafft werden und sich das Gebäude in seiner ganzen Höhe zur Ginza-dori hin öffnet. Denn der Luxus von ungefilterter Luft und Tageslicht in den Obergeschossen eines Geschäftshauses lässt in Tokyo nicht nur Einheimische aufatmen.
In der Passage im Erdgeschoss betreten die Kunden einen kleinen gläsernen Showroom, und wenn ihnen die Marke gefällt, dann schweben sie hydraulisch in die Höhe.
Mit der Organisation des Verkaufsbereichs ist Ban eine bemerkenswerte Verschmelzung städtebaulicher und kom-merzieller Interessen geglückt. Das Erdgeschoss, die ‹Ave-nue du Temps›, wird nicht als Verkaufsraum genutzt, sondern als Passage zwischen Ginza-dori und der rückseitigen Azuma-dori. Darin befinden sich sieben unterschiedlich geformte gläserne Lifte, die als mobile Showrooms dienen. Wer mehr von einer Marke sehen will, drückt einfach auf den Knopf und lässt sich hydraulisch direkt in eine der sieben Boutiquen in den oberen Geschossen hieven.
In den Läden erzeugen individuell gestaltete visuelle Filter hinter den Glaswänden eine verkaufsfördernde Intimi-tät im Einklang mit dem jeweiligen Markenimage. Shigeru Ban ver-wendete für die selbst gestaltete Boutique der Luxusuhrenmarke Jaquet Droz Latten aus dunklem Ebenholz. Ähnlich dezent ging das Atelier Oï bei der Gestaltung der Boutique von Léon Hatot mit Geweben aus schwarzen Seilen vor. Ein opulenteres Design verwendete dasselbe Büro aus La Neuveville für die traditionsreichen Luxusuhren von Breguet, die es in Vitrinen aus tiefblauem Glas und unter einem Goldregen aus aufgehängten eloxierten Aluminiumstäben inszenierte.
Für die Edelmarke Breguet gestaltete das Atelier Oï ein ebenso edles Interieur mit einem Goldregen aus Alustäben.
Über den Boutiquen folgt eine Einheit mit drei Geschossen für Kundendienst und Reparaturservice, darüber noch-mals zwei Einheiten à drei Etagen mit Büros. Den krönen-den Abschluss des Nicolas G. Hayek Center bildet die ‹Cité du Temps›. Unter einem geschwungenen Gitterrost aus weiss gestrichenen Bambuslatten lassen sich auf dem Dachgeschoss repräsentative Anlässe mit Weitblick über Tokio durchführen. Benjamin Muschg
Die Boutiquen von Hayeks Uhrenimperium sind in den drei unteren Geschossen eingerichtet. Das Erdgeschoss (Plan 3) ist eine Passage zwischen zwei Strassen.
Im Schnitt wird die Schichtung des Gebäudes in Pakete zu je drei Geschossen
sichtbar. Die grosse Glasfront jeder Einheit lässt sich in die Höhe falten.
Nicolas G. Hayek Center
Ginza, Tokio
2007
Bauherr
Swatch Group
Biel
Architektur
Shigeru Ban Architects
Tokio, Paris
Boutiquen
Breguet/Léon Hatot Atelier Oï
La Neuveville
Gesamtkosten
ca. 185 Mio CHF
(inkl. Land)