Frischzellenkur in Holzelementbauweise

Beat Nievergelt
7. ottobre 2021
Das aufgestockte Gebäude überragt hofseitig die Nachbarbauten. Der Holzbau ist durch ein horizontales Blech vom Massivbau getrennt. (Foto: Andrea Diglas)
Herr Nievergelt, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Das schlichte Arbeiterwohnhaus ist Teil einer Blockrandbebauung aus dem späten 19. Jahrhundert in Zürich-Aussersihl. Es wurde als letztes Glied des Tellhof-Ensembles, welches sich zusätzlich aus dem gegenüberliegenden Hofgebäude und einem Mehrfamilienhaus zusammensetzt, umgebaut und aufgestockt. Durch den Umbau wurde dem Gebäude neues Leben eingehaucht. Es wurden zwei zusätzliche Geschosse in Holzelementbauweise hinzugefügt, zudem trägt die Gewerbenutzung im Erdgeschoss zur Aufwertung des Blockrands bei und ermöglicht Sichtbezüge von der Strasse in den belebten Innenhof. Hofseitig haben Bad und Wohnküche die schmalen Zimmer des Bestands ersetzt, strassenseitig blieben die beiden gut proportionierten Räume bis auf die neue Öffnung zur Küche unverändert. Der ursprüngliche Korridor ist einem Entrée und dem durchgesteckten Wohn- und Essraum gewichen. Die beiden Fassaden wurden gestalterisch und dem Farbkonzept von burkhard & fata entsprechend unterschiedlich ausgebildet. Sie weisen gegen die Strasse wechselseitig angeordnete Balkone aus Ortbeton und zum Hof hin einen Balkonturm aus Stahl und Mineralgussplatten auf.

Die grösste Besonderheit liegt darin, dass wir den Umbau nicht nur im Kontext der Blockrandbebauung, sondern auch im Zusammenhang mit den bereits realisierten Gebäuden des Tellhof-Ensembles gedacht haben.

Das Tellhof-Ensemble mit einem Hofgebäude und zwei Blockrandhäusern; das zuletzt umgebaute Haus an der Zwinglistrasse befindet sich in der Mitte. (Foto: Vera Hartmann)       
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Die Bauherrschaft schöpfte aus den Erfahrungen mit dem bereits umgebauten Mehrfamilienhaus und Hofgebäude dieses Blockrands. Sie war bestrebt, die Kontinuität zu bewahren, und zugleich doch auch offen für neue Vorschläge. Ein Beispiel dafür sind die grossen Verglasungen des hofseitigen Balkonturms. Die Bauherrschaft legte Wert darauf, dass die dreiteiligen Balkontüren vollständig aufgefaltet werden können, um die Wohnküchen beinahe auf die ganze Raumbreite zum Aussenraum hin öffnen zu können. Dazu wurde mit dem Fensterbauer eine individuelle Lösung gesucht.

Verglaste Schiebetüren ermöglichen die Unterteilung des Wohn- und Essraums. (Foto: Vera Hartmann)
Die Verglasung zum Hof bringt Licht und ein Gefühl von Weite in die Wohnküche. (Foto: Andrea Diglas)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Der strassenseitige Hauszugang des Bestands führte im Erdgeschoss über einen Korridor zum Treppenhaus. Während des Umbaus wurde entschieden, diese Erschliessungsfläche dem Gewerbe zuzuordnen. Die Wohnungen werden nun über den Hof betreten. Im Zuge der Abbrucharbeiten mussten wir feststellen, dass die geplanten Auflager der Stahlträger im Bruchsteinmauerwerk nicht realisiert werden konnten. Für die grossen Wandöffnungen waren zusätzliche Betonscheiben an der Hoffassade über vier Geschosse notwendig. Die Brandmauern, welche die Nachbargebäude überragen, waren mit Mauerwerk und Aussendämmung geplant. Es stellte sich während des Umbaus jedoch heraus, dass diese gegen ein benachbartes Haus stattdessen mit abgekapselten Holzelementen umgesetzt werden mussten.

Individuelle Deckenbilder von burkhard & fata schmücken die Podeste im Treppenhaus. (Foto: Vera Hartmann)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Ja, hinsichtlich der Wiederverwendung bestehender Bauteile in neuem Zusammenhang: Die gestemmten Türblätter des Bestands wurden im Zuge der Abbrucharbeiten ausgebaut und in den neuen Futter- und Verkleidungszargen wiederverwendet. Als Ersatz für die sanierungsbedürftige hofseitige Haustür wurde eine historische Tür auf das Sandsteingewände angepasst. Die bestehenden Lambrien, Brusttäferungen und inneren Fenstereinfassungen wurden instand gesetzt und in einigen Räumen ergänzt. Durch den Umbau und die Aufstockung konnte die graue Energie niedriger gehalten werden, als dies bei einem Ersatzneubau möglich gewesen wäre.

Strassenseitiges Zimmer mit Balkon (Foto: Vera Hartmann)
Korridor im Dachgeschoss (Foto: Beat Nievergelt)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Die stimmige Farbgestaltung von burkhard & fata und das Zusammenspiel verschiedener Materialien prägen das Bauwerk: der mit schwarzen Pigmenten eingefärbte und geschliffene Anhydritboden, die farblich darauf abgestimmten Mineralgussplatten der hofseitigen Balkone, die perlmuttfarbenen Zellij aus Marokko in den Badezimmern, die gerillten Gläser der Schiebetüren sowie die Küchenfronten aus Seekiefer-Mehrschichtplatten.

Badezimmer mit Plattenbelag aus Zellij und Oberlicht zur Wohnküche (Foto: Vera Hartmann)
Situation
Grundriss 2. Obergeschoss
Grundriss 4. Obergeschoss
Schnitt
Bauwerk
Umbau und Aufstockung eines Mehrfamilienhauses mit Gewerbe
 
Standort
Zwinglistrasse 18, 8004 Zürich
 
Nutzung
Mehrfamilienhaus mit Gewerbe
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Tellhof AG, Zürich
 
Architektur
Beat Nievergelt GmbH, Architekt ETH/SIA, Zürich
Mitarbeiter: K. Timmermann und M. Bitay
 
Fachplaner 
Projektentwicklung: Immobilienkosmos, Zürich 
Farbgestaltung- und Materialkonzept: burkhard & fata, Zürich 
Holzbauingenieure: Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, Zürich 
Bauphysik: a und b bauphysik gmbh, Winterthur 
HLKS-Ingenieur: Planerpartner GmbH, Wetzikon
Elektroingenieur: Gutknecht Elektroplanung AG, Au
 
Jahr der Fertigstellung
2020
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 1,90 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 1,86 Mio.
 
Gebäudevolumen 
1848 m3 (gemäss SIA 416)
 
Kubikmeterpreis 
1006 CHF/m3
 
Fotos
Andrea Diglas, Vera Hartmann, Beat Nievergelt

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