Wohnhäuser Lindensteig
Skelett im Mietwohnungsbau
30. août 2012
Graser Architekten haben kürzlich zwei Mehrfamilienhäuser in Luzern fertiggestellt. Jürg Graser wählt drei Zeichnungen und drei Fotos und beantwortet unsere fünf Fragen.
Aussenansicht
Worin liegt das Besondere der Bauaufgabe?
In der Nachbarschaft zum Hochhaus von Alvar Aalto. Lange Zeit fristete das Quartier Schönbühl verglichen mit den mondänen Quais am Seebecken ein wenig beachtetes Dornröschendasein. In den 1960er Jahren setzte angesichts der zentrumsnahen Lage am See eine massive Bautätigkeit ein, die das Gesicht des Quartiers vollständig veränderte. Rund um das ikonografische Wohnhochhaus von Alvar Aalto (1965-1968) entstanden in kürzester Zeit zahllose Wohnbauten ohne erkennbaren städtebaulichen oder architektonischen Zusammenhang.
Situation
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Die Frage nach der Tektonik im Äusseren und Inneren. Die Wohnungen sind als Stahlbetonskelett konstruiert: Die Liftkerne und Treppenhauswände übernehmen die Horizontal-, die doppelte Stützenreihe die Vertikallasten. Alle Stützen bleiben im Innenausbau sichtbar. Sie erzeugen im Licht einen Hell-Dunkel-Kontrast, der die beiden Massstäbe des Alltags der Nutzerinnen und Nutzer und der Architektur zueinander in Beziehung setzt. In der Fassade überlagert sich die Serialität industriell vorfabrizierter Betonelemente mit der handwerklichen Anmut des rohen, von Hand bearbeiteten Betons.
Innenansicht
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der heterogenen Umgebung setzen die Häuser Hirtenhofstrasse ihre physische Präsenz entgegen. Die vier schlanken, um zweiseitig verglaste Treppenhäuser platzierten Längskörper erzeugen eine im Mietwohnungsbau unerwartete räumliche Qualität. Dank der Durchlässigkeit in Längsrichtung entstehen grosszügige Durch- und Ausblicke, die wegen der zueinander versetzten Stellung der Häuser nicht von Nachbarbauten blockiert werden. Die peripher angeordneten Balkone verstärken zusammen mit den horizontalen Fensterbändern den Eindruck von leichten, über der natürlichen Geländemulde schwebenden Geschossplatten.
Grundrisse
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Wir bauen Häuser zum Wohnen, Arbeiten und für die Freizeit. Alle unsere Bauten sind, wenn auch in unterschiedlicher Form und aus verschiedenen Materialien, gefügt. Das betrifft sowohl die Konstruktion (Skelett) als auch die äussere und innere Form (Tektonik). Dabei bedienen wir uns einer geometrischen Systematik, die eine sichtbare Überlagerung der verschiedenen Teilsysteme Raum, Tragsystem und Hülle erlaubt.
Schnitt
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Wir glauben nicht an den «state of the art», weder in der Gestaltung noch in der Konstruktion. In der Architektur trifft recht häufig die Situation ein, dass zwischen Projektierung und Ausführung ein Jahrzehnt oder mehr liegt. Der Entwurf und die Konstruktion sollten so robust sein, dass sie diese Zeitspanne mühelos überdauern können, ohne bei Bezug schon veraltet zu sein. Dass Häuser korrekt wärmegedämmt sind, ist heute eine Banalität.
Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Kritken!
Detail Fassade
Wohnhäuser Lindensteig
2012
Luzern LU
Auftragsart
Studienauftrag
Bauherrschaft
Privat
Architektur
Graser Architekten, Zürich
Fachplaner
Schubiger Bauingenieure AG, Luzern
Ingtegral AG, Luzern
Bauleitung
Stadelmann Baumanagement AG, Luzern
Auszeichnung
best architects 13
Fotos
Ralph Feiner, Malans