Kunstmuseum Basel, Neubau
Ein Haus für die Kunst
21. abril 2016
Christ & Gantenbein haben kürzlich den Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel fertiggestellt. Emanuel Christ und Christoph Gantenbein erläutern mit folgendem Text, welche grundsätzlichen Themen ihren Entwurf bestimmt haben, welche konkreten Ideen diesem neuen Gebäude zugrunde liegen und wie sie entworfen und gearbeitet haben.
Die einknickende Neubaufront macht eine einladende, räumliche Geste.
Mit dem Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel wird eine prominente Stelle in der Basler Innenstadt neu besetzt. Als Ausstellungs-, Aufbewahrungs- und Veranstaltungsort ist der Neubau ein Zeichen des Aufbruchs und der Kontinuität zugleich. Das neue, erweiterte Museum besteht aus zwei Häusern, die zusammen eine gemeinsame Erscheinung im Stadtraum bilden. Über die Strasse stehen die beiden Gebäude in einer direkten räumlichen Beziehung zueinander. Ihre Traufen sind gleich hoch. Der Neubau befindet sich damit auf Augenhöhe mit dem Hauptbau. Der Eingang des Erweiterungsbaus schaut zu den Arkaden des Hauptbaus hinüber und ist von dort entsprechend prominent sichtbar. Die markant einspringende Ecke im Volumen des Neubaus ist die zeichenhafte Antwort auf die ebenso markant vorspringende Ecke des alten Kunstmuseums. Zudem macht die einknickende Neubaufront eine einladende, räumliche Geste. Sie fasst den ganzen Raum der Kreuzung und macht ihn so zu ihrem Vorplatz.
In jedem Geschoss des Erweiterungsbaus befinden sich zwei Ausstellungstrakte, die durch die zentrale, monumentale Treppe vertikal verbunden werden. Zusammen mit den Foyerzonen beschreibt die Treppe eine freie, expressive Raumfigur, die über ein grosses, rundes Oberlicht belichtet wird. Im Unterschied dazu sind die Ausstellungstrakte in sich rechtwinklig. Das Spektrum der Räume variiert zwischen Kabinett und Halle. Alle diese Ausstellungssäle sind im Durchschnitt deutlich grösser und damit auch flexibler als die alten, sie entsprechen aber ebenso sehr einer klassischen Vorstellung von Museumsraum: ruhig und zurückhaltend, wohl proportioniert und mit zeitlosen Materialien gebaut. Räume, die der Kunst den Vortritt lassen.
Der feuerverzinkte Stahl der Fensterläden kontrastiert mit dem Mauerwerk.
Die Räume haben eine starke physische Präsenz. Die raumbildenden Elemente sind als klar artikulierte, gefügte Teile inszeniert, um ihnen dadurch in ihrer Tektonik maximale architektonische Präsenz zu verleihen. Der Boden in den Ausstellungsräumen ist ein Eichenboden in Form eines Klebeparketts, bei dem die Eichenbretter vollflächig verklebt und untereinander mit einem Holzzementmörtel verfugt werden. Auch die grau verputzte, tragende Betonwand wird explizit vor Augen geführt. Sie tritt in Tür- und Fensterlaibungen in Erscheinung. Klar davorgestellt und an den Kanten abgesetzt ist die massive, zehn Zentimeter starke Gipswand. Sie bildet den eigentlichen Unter- und Hintergrund für die Bilder. Vorgefertigte, sandgestrahlte Betonelemente überspannen als sichtbare Konstruktionsteile die Ausstellungsräume und inszenieren so das Lasten der Decke auf den Wänden. Die Decke selbst erhält dank der Elemente eine eigene Struktur und gibt dem Raum eine Richtung.
Der Kratzputz in kühlem Grau dominiert das skulptural anmutende Treppenhaus.
Im Foyer verbindet sich der Marmor des Bodens mit dem feuerverzinkten Stahl an den Wänden zu einer ästhetischen Einheit, die Kontrast und Harmonie zugleich zum Ausdruck bringt. Das Cross-over, die Kreuzung zweier so unterschiedlich konnotierter Materialien erzeugt aber erst den unverwechselbaren, einmaligen Charakter des Gebäudes, das beides in sich trägt, das zeitgebunden Technische und das ewig gültig Architektonische.
Die eigentliche Verbindung zwischen Hauptbau und Neubau unter der Strasse ist keine Unterführung, sondern ein grosszügiges Raumgefüge, das in eine grosse Halle mündet, die Foyer, Ausstellungssaal, Bühne, Experimentierfläche, Vortrags- und Veranstaltungsraum zugleich ist. An sie schliesst direkt die zentrale Haupttreppe, die Motive der Hauptbau Treppe aufnimmt: hellgrauer, geäderter Bardiglio-Marmor aus Carrara am Boden, rauer, strukturierter Kratzputz in kühlem Grau an der Wand.
Auch die Neubuafassade verfügt über eine klassische Gliederung von Sockel, Körper und Abschluss.
Die Fassade, eine ruinös anmutende, graue Backsteinwand hat einen zeitlosen, archaischen Charakter. Sie ist als selbsttragendes, monolithisches Mauerwerk konzipiert. Die Präsenz der Wand wird durch eine ausgeprägte Horizontalbetonung noch erhöht. Dazu tragen die nur vier Zentimeter hohen Backsteine bei. Zusätzlich verstärken die vor- und rückspringenden Backsteinlagen den horizontalen Eindruck über ein markantes Schattenbild. Ähnlich wie die Fassade des Hauptbaus deutet auch die Neubaufassade eine klassische Gliederung von Sockel, Körper und Abschluss an. Diese Gliederung wird einerseits über die unterschiedlich hellen Grautöne des Backsteins, andererseits über einen als feines Relief ausgebildeten Fries sichtbar gemacht. Der Fries ist zwar in seiner Grundform durchaus dem tradierten Architekturkanon zuzuordnen, in seiner konkreten Ausführung ist er allerdings neuartig. In die Rillen der Friessteine sind LED-Streifen eingelegt, welche die Hohlkehlen der Backsteine beleuchten und so ein indirektes Licht in den Stadtraum werfen. Die archaisch anmutende Mauer beginnt zu leuchten oder, bei wenig Strom, zu glimmen.
Der Marmor und der Feuerverzinkte Stahl bringen Kontrast und Harmonie zum Ausdruck.
So spricht der Neubau zwar dieselbe Sprache wie der Hauptbau, erzählt dabei jedoch eine andere, eine neue Geschichte. Der Erweiterungsbau ist keine Wiederholung oder Kopie des Alten, sondern ein ausgesprochen zeitgenössisches und zukunftsgerichtetes Gebäude, das ganz neue Formen von Kunst und Kunstvermittlung aufnehmen kann.
Auszug aus: Emanuel Christ, Christoph Gantenbein, «Ein Haus für die Kunst», aus: Kunstmuseum Basel, Neubau, herausgegeben von Kunstmuseum Basel / Bernhard Mendes Bürgi, Hatje Cantz, Ostfildern, 2016.
Situation
Untergeschoss
Erdgeschoss
1. Obergeschoss
2. Obergeschoss
Längsschnitt
Querschnitt
Kunstmuseum Basel, Neubau
2016
Basel BS
Auftragsart
Anonymer Projektwettbewerb im selektiven Verfahren
Bauherrschaft
Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt
Architektur
Christ & Gantenbein, Basel
Gesamtkosten
CHF 100 Mio.
Gebäudevolumen
64’621 m3
Fotos
Stefano Graziani
Julian Salinas