Ersatzbau Säntis Arbon
Klare Raster für die Königin
17. May 2012
Meier Hug Architekten haben kürzlich den Ersatzbau Säntis in Arbon fertiggestellt. Nadine Schütz wählt drei Zeichnungen und fünf Fotos, und Ursula Badrutt, Kulturredaktorin des St. Galler Tagblatts, beschreibt das Gebäude.
Aussenansicht
Eine vornehme Zurückhaltung zeichnet die Säntishalle aus. Sie fügt sich respektvoll in die vorhandenen dichten Siedlungsstrukturen des durchmischten Quartiers ein und orientiert sich formal an den unmittelbaren Nachbarschaften des gegenüberliegenden Schulhauses und den anschliessenden Textilindustriebauten.
Situation
Auffälliges Merkmal ist der vorkragende Kopfbau mit den grossen und seitlich blinden Fenstern, dem ein langer, doppelgeschossiger Rumpf mit unter das Strassenniveau gesenkter Turnhalle angefügt ist. Die grosszügigen Öffnungen und die Nahbarkeit lassen das Geschehen in der Turnhalle im Vorbeigehen beobachten. Leben innen und Leben aussen verbinden sich. Das sensible Austarieren von glatter und aufgerauter Betonoberfläche in der Aussenstruktur wird durch das Spiel der im Licht sich wandelnden Bronzefassungen der Fenster und der Dachzone ergänzt. Dieses zwischen Grau und Gold Schimmernde und das Himmellicht wie der See Spiegelnde kompensieren die relative Gedrungenheit des Baus, der sich ins Erdenreich duckt, durch geradezu königliche Luzidität. Der eloxierte metallene Dachabschluss setzt dem Bau eine Art Krone auf.
Turnhalle und Treppenhaus
Den durch den Kopfbau frontal Eintretenden erschliesst sich der Bau in seiner räumlichen Tiefe und Nutzung auf einen Blick. Vom quergestellten Eingangsbereich, der Foyer, Garderobe, Cafeteria und Mittagstisch und somit ein multifunktionaler und sozialer Dreh- und Angelpunkt ist, öffnet sich durch ein grosses Binnenfenster die Halle in ihrer ganzen Dimension mit weiter, trägerloser Spanndecke und den in die Stirnwand eingelassenen Stuckmarmorplatten. Das breite Fenstersims ist als erhöhte Sitzbank nutzbar, von der aus dem Treiben im Turnareal zugeschaut werden kann.
Turnhalle
Das linkerhand untergebrachte, von Tageslicht durchdrungene Treppengeschoss führt in den Turnhallebereich mit vorgelagerten Umkleide-, Dusch- und Technikräumen. Die Halle selber ist gekennzeichnet von ihren offenen Dimensionen mit beidseitigen hoch liegenden Fensterfronten, den beiden kunstdurchsetzten Betonhochwänden über der umlaufenden Lärchenholzverkleidung sowie der sachten Faltung der an Querzügen des Obergeschosses aufgehängten Decke. Diese nimmt motivisch mit dem Zickzack das Element der Krönung im Innenbereich auf, versetzt jedes Fensterkompartiment mit einem Giebel und ist als statisch und akustisch optimierender Kunstgriff von zentraler Bedeutung.
Grundriss 1. Obergeschoss
Auch das Obergeschoss zeichnet sich durch Klarheit in der Raumfolge und viel Durchblick aus. Der auskragende, offene Querraum ist wie der darunter liegende Eingangsbereich als Mehrzweckraum konzipiert, nicht nur Aula, wo die Schule, sondern ein Ort, wo die ganze Gemeinde sich treffen kann, wo auf einer mobilen Bühne Veranstaltungen aller Art durchgeführt werden können, wo Schulbereich und Öffentlichkeit aufeinandertreffen. Erneut verleiht das Motiv der gefalteten Decke über die Zweck- und Konstruktionsoptimierung hinaus eine veredelnde Wirkung und spannt den roten Faden einer Königinnenkrone weiter.
Schnitt
Dem Mittelgang entlang reihen sich je zwei Schulzimmer mit abgetrennten Klassenzimmern in langen Türfluchten. Die Wandscheiben in Sichtbeton bilden gemeinsam mit den Zugstangen das Tragwerk für die Überspannung der Turnhalle. In Längsrichtung eingebaute, nichttragende Wände sind abwechselnd als Trennelemente und als Wandschränke beziehungsweise Garderobe ausgeformt.
Korridor
Der Hang zur Mehrfunktionalität im Kopfbau entsprechen in den Schulzimmern die Fensterbänke, die auch als Ablage oder Arbeitstisch genutzt werden können. Zum Mittelgang verglaste Binnenfenster sorgen für Lichtzufuhr und Raumsicht. Trotz der eigentlich zurückhaltenden Ausmasse wirkt die gesamte Anlage überraschend grosszügig. Formalen Reduktionen stehen ausgewählte Materialisierungen und ein spielerischer Umgang in Detailfragen entgegen, hinter denen sich aber durchwegs funktionale und statische Ausrichtungen verbergen.
Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Kritiken!
Schulzimmer
Ersatzbau Säntis Arbon
2011
Arbon TG
Auftragsart
Wettbewerb im offenen Verfahren
Bauherrschaft
Primarschulgemeinde Arbon
Architektur
Michael Meier und Marius Hug Architekten AG, Zürich
Projektleiterin: Gabriela Traxel
Mitarbeit: Othmar Brügger, Christoph Schmid, Nadine Schütz
Fachplaner
Bauingenieur: Synaxis AG, Zürich
HLKS: Hans Hermann Gebäudetechnik, Chur
Elektroingenieur: Marquart Elektroplanung, Altstätten
Bauphysik: BWS Bauphysik AG, Winterthur
Bauleitung
Architektur De Lazzer GmbH, Arbon
Gesamtkosten BKP 1-9
CHF 8'875'000 Mio.
Gebäudekosten BKP 2
CHF 6'684'000 Mio.
Gebäudevolumen
11'220 m3 (SIA 416)
Kubikmeterpreis
595 CHF/m3
Energiestandard
Minergie-Standard
Kunst am Bau
Katalin Deér, St. Gallen
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeister: Stutz AG, St. Gallen
Fenster: Ernst Fischer AG, Romanshorn
Boden: Walo Bertschinger AG, Wittenbach
Fotos
Roman Keller, Zürich