Bus Terminal Aarau
So leicht wie Luft
30. Januar 2014
vehovar jauslin recently completed the bus terminal in Aarau, Switzerland. Mateja Vehovar chooses three drawings and seven photos and answers some of our questions.
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Wer am Bahnhof aussteigt, der soll merken und sich erinnern, dass er sich in Aarau befindet. Der grosszügige, offene und urbane Bahnhofplatz soll einen angenehmen, hellen Ort für alle darstellen. Das Bild prägt zweifellos das vom Volksmund bereits liebevoll «Wolke» genannte Dach über dem eigentlichen Busterminal. Seine organische Form mit dem Durchblick zum Himmel in seiner Mitte entspringt dem Anliegen, den Platz nicht nach oben zu begrenzen, sondern die Reisenden in einer freundlichen und hellen Umgebung zu begrüssen. Da im Mittelland oft Nebel liegt, soll dank der blauen Einfärbung der oberen Folie immer ein Stück blauen Himmels über den Bussen schweben. Das Dach steht im konstruktiven Dialog und ergänzt stimmungsvoll den gläsernen Bahnhofneubau. Aktuell stellt als Einkammersystem von 1070 m2 einen Weltrekord dar.
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Von Anfang an wollten wir unter dem Dach eine räumliche Stimmung erzeugen, die derjenigen einer Waldlichtung ähnlich ist. Um die Passagiere in einer hellen und freundlichen Umgebung zu empfangen, wurde ein sehr leichtes, lichtdurchlässiges Material gewählt. Es schützt die Passanten, lässt aber genügend Luft, damit der Aufenthaltsbereich nicht wie eine geschlossene Halle wirkt.
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der Bahnhof Aarau als zentrale Drehscheibe des öffentlichen Verkehrs für die ganze Region dient täglich gegen 50'000 Bahn- und Busreisenden als Ein-, Aus- und Umsteigeort. Der Bahnhofplatz wurde im Laufe der Zeit wegen allerlei Kleinstbauten, Mobiliar, Kunstobjekten und Pflanzenkübeln kaum mehr als Platz wahrgenommen. Die Bahnhofstrasse war räumlich die prägende und vom Autoverkehr dominierte Achse, welche den Platz vom Umfeld abgeschnitten hatte. Im Zuge des Bahnhofneubaus sollte daher auch ein neuer Bahnhofplatz mit einem Busterminal und optimierten Zugangsmöglichkeiten für alle realisiert werden.
Der Bahnhofplatz wurde im Zuge der Umgestaltung vollständig neu entwickelt. Es entsteht ein aufgeräumter, freier Platz, mit dem Bushof als Zentrum. Die bis anhin am Rande liegenden Gebäude und der Bahnhof haben nun eine neue Adresse am Bahnhofplatz. Das Hotel Aarauerhof steht mittendrin. So entsteht aus zwei kleinteiligen Flächen der nunmehr grösste Platz Aaraus, ein städtischer Aussenraum, der dank der nahezu doppelt so grossen Fläche seiner Bedeutung im Stadtkörper entspricht.
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Die Wahl traf auf ein luftgestütztes Folienkissen aus dem Kunststoff ETFE. Solche Foliendächer sind nicht nur vielseitig gestaltbar, sondern auch extrem leicht, langlebig, witterungsbeständig und selbstreinigend. Das Grosskissen wird in seinem Inneren durch einen frei geformten Stahltisch gehalten. Ein unregelmässiges Netz aus Stahlseilen auf beiden Aussenseiten gibt dem Kissen die Form.
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Die notwendigen Leitungen für Entwässerung, Beleuchtung, Umluft und Messtechnik wurden unsichtbar ins Konstruktionsinnere verlegt. Dadurch wirkt das Dach nicht wie eine technische Anlage, sondern leicht und luftig. Bei allen eingesetzten Materialien wurde auf deren Nachhaltigkeit geachtet. Dies gilt auch für die eingesetzte Umluftanlage. Dank der ausgezeichneten Luftdichtigkeit der Kissenkonstruktion beschränkt sich deren Aufgabe beinahe auf die Anpassung des Luftdrucks im Dach an die sich verändernden Wetterbedingungen.
Wie gliedert sich das Projekt in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Die Gestaltung des Bahnhofplatzes mit seinem innovativen Dach, der Sanierung der unterirdischen Einsteinpassage mit der Lichtkunst Gravity, wie auch der szenisch aufgewerteten Hächlerhalle, ergänzt unsere Interessensgebiete, welche der Öffentlichkeit dienen.
Dass wir die Arteplage Yverdon-les-Bains an der Expo.02 visionieren durften hat uns nachhaltig geprägt. Wir verstehen unseren Beruf über das Bauen einzelner Objekte hinaus und engagieren uns vermehrt in kooperativen und diskursiven Verfahren, und transdisziplinären Teams. Dabei nehmen wir gerne die Rolle von Dirigenten eines Orchesters ein. Bauen und Planen werden zunehmend komplexer, so dass die besten Projekte von den bestens dazu geeigneten Teams errichtet werden müssen. Wir durften uns bei unseren Projekten unter anderem mit Hirnforschern vom Institut für Neuroinformatik auseinandersetzen. Wichtig ist es uns nicht festgefahrene Wege zu beschreiten, sondern sich der Neugier und der Forschung zu verschreiben. Dies wollen wir weiter tun und sind daher auf Bauherrn mit ebensolchen Wünschen angewiesen. Daher gilt unser Dank der Stadt Aarau, insbesondere Herrn Fuchs und Mühlebach, für die offene und mutige Haltung zum Projekt.
Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Kritiken!
Situation
Grundriss
Schnitt
Busterminal Aarau
2013
Aarau AG
Auftragsart
Wettbewerbsgewinn Bahnhof und Umgebung Theo Hotz AG 1992 / Direktauftrag an vja 2004
Bauherrschaft
Stadt Aarau, Kanton Aargau, Aare Parking AG, SBB
Architektur
vehovar & jauslin architektur AG, Zürich
Mateja Vehovar und Stefan Jauslin
Fachplaner
Tragwerksplanung Bushofdach: formTL ingenieure für tragwerk und leichtbau GmbH, Radolfzell (DE)
Gestaltung Bedruckung: vehovar & jauslin architektur AG, Zürich
Zusammen mit: Paolo Monaco, Designer FH, Zürich
Generalplaner, Ingenieur Tiefbau: suisseplan Ingenieure AG, Aarau
Lichtdesign: Atelier Derrer, Zürich
Elektroplanung: Hefti. Hess. Martignoni. Aarau AG
Windkanal: Wacker Ingenieure, Birkenfeld
Stützluftplanung: Elnic GmbH, Rosenheim
Bauleitung
Gesamtprojekt: suisseplan Ingenieure AG, Aarau
Fachbauleitung Dach: formTL ingenieure für tragwerk und leichtbau GmbH, Radolfzell (DE)
Gesamtkosten Bahnhofplatz und Unterführung
CHF 15. Mio
Gesamtkosten Bushofdach
CHF 3.4 Mio
Grundfläche Bushofdach
1070 m2
Kubikmeter
1800 m2
Kunst am Bau
Einsteinpassage: Atelier Derrer, Zürich und vehovar & jauslin architektur AG, Zürich
Interaktive Lichtinstallation in der sanierten Unterführung Ost
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Stahlbau: Ruch AG, Altdorf
Technischer Folienbau: Vector Foiltec GmbH, Bremen
Stützluftanlage: ELNIC GmbH, Rosenheim
Bedruckung: Reisewitz Beschichtungsgesellschaft mbH, Penig
Baumeisterarbeiten: Implenia Schweiz AG, Baden
Metallbauarbeiten: BURRI public elements AG, Glattbrugg
Hunkeler + Hediger Metallbau AG, Oberentfelden
Sitzgelegenheiten: Tulpi BV, Nieuwegein, NL / out-sider a/s, Copenhagen
Elektroinstallationen: IBAarau Elektro AG, Aarau
Fotos
Niklaus Spoerri, Zürich