Ein Haus über dem Genfersee
Introvertierte Weitsicht
3. Juli 2014
AAPPB haben kürzlich ein Einfamilienhaus über dem Genfersee fertiggestellt. Andréanne Pochon und Patrick Bonzanigo wählen vier Zeichnungen und sieben Fotos und beantworten unsere fünf Fragen.
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Das Grundstück befindet sich an einer Hanglage und profitiert von einer aussergewöhnlichen Sicht auf den Genfersee und die Alpen. Gleichzeitig galt es, die Innenräume vor fremden Einblicken von der angrenzenden Quartierstrasse am unteren Parzellenende und den Nachbarhäusern zu schützen.
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Ausgehend von zahlreichen geometrischen und konstruktiven Bedingungen der kommunalen Bau- und Zonenordnung zeichnet sich das Haus durch drei aneinandergereihte Gebäudekörper aus, auf denen ein Dach aus sechs parallelen geneigten Flächen liegt. Über einen Patio und eine doppelgeschossige interne Eingangshalle erfolgt der Zugang vom weitgehend geschlossenen Erdgeschoss her zu den Wohnräumen in den oberen Geschossen. Die reduzierten Aussenmasse der einzelnen Gebäudevolumen ermöglichen eine sorgfältige Einbettung des neuen Hauses in die Nachbarschaft.
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Der Wunsch der Bauherrschaft nach hohen und hellen Räumen sollte mit den vorgeschriebenen geneigten Dächern in Einklang gebracht werden. Das grosszügige Innere organisiert sich um einen offenen und bis unters Dach reichenden Aufenthaltsraum, der sich innerhalb der drei Gebäudekörper und unter den verschiedenen Dächern entwickelt. Der Boden dieses zentralen Raumes erstreckt sich über drei verschiedene Halbniveaus, schafft eine innere Landschaft und moduliert dabei den Übergang von «öffentlichen» zu «privaten» Partien.
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Innenraum und Hülle zeichnen sich durch einfache Ausführungsdetails und die Anwendung zurückhaltender, unveredelter Materialien aus. Die rohe Betonfassade mit scharfen Fenstereinschnitten verleiht dem Gebäude einen Ausdruck von Massivität, der in Dialog mit der Leichtigkeit des Dachs tritt. Es wurde bewusst ein handwerklich erstellter Sichtbeton des Typs 2 gewählt und dem Baumeister die Planung der Schalungsetappen nach der Logik des möglichst ökonomischen Einsatzes von Standard-Schalungstafeln überlassen. Auf der einheitlichen Betonfassade bleiben Spuren der verschiedenen Arbeitsphasen ablesbar.
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Wir sehen Architektur als einen Prozess des Verstehens – sei es mit Blick auf die kulturelle und bauliche Identität eines Ortes oder auf das, was dort neu entstehen kann. Ein gelungenes Projekt zeigt seine Facetten und Qualitäten unaufdringlich im Laufe der Zeit, fern von spektakulären Formalismen. Es interpretiert, ergänzt und kritisiert mitunter die typischen Merkmale des Orts, aber auch die tradierten Gewohnheiten, die den Ort kennzeichnen – mit einem frischen Blick auf Vertrautes.
Situation
Axonometrie
Grundriss
Schnitte
Ein Haus über dem Genfersee
2013
Kanton VD
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
Privat
Architektur
AAPPB Andréanne Pochon / Patrick Bonzanigo, Lugano
Fachplaner
Bauingenieur: Pellissier & De Torrente SA, Sion
Bauleitung
Eliane Rodel Dominik Riser Architectes, Lausanne
Gebäudevolumen
1787m3
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeister: Dentan Frères SA, Lausanne
Fotos
Joël Tettamanti