Abschied von einer Ikone
Manuel Pestalozzi
18. November 2024
Die Sitzmuschel von Annemie Fontana wirkte auf Kinder wie eine schützende Nische. Gerne kletterten sie auf der Skulptur herum. (Foto: Hochbauamt der Stadt Zürich, BAZ)
Annemie Fontanas beliebte Polyester-Sitzmuschel wurde aus dem Zürcher Seebad Mythenquai entfernt. Ist das Kunstwerk restauriert, wird es nicht wieder an seinem angestammten Platz aufgestellt – schuld sind neue Sicherheitsbestimmungen.
Die kultige Sitzmuschel der Künstlerin Annemie Fontana (1925–2002) ist aus dem Zürcher Strandbad Mythenquai verschwunden: Die besonders bei Kindern beliebte Polyester-Skulptur wurde kürzlich abtransportiert – nach fünfzig Jahren stellt sie plötzlich eine Gefahr dar. Das Kunstwerk gehört zu einer Reihe von Arbeiten aus Polyester – auch «Phantome» genannt –, die ein wesentlicher Bestandteil von Annemie Fontanas Gesamtwerk sind. Die meisten entwarf die Künstlerin aus Versoix für ausgesuchte Orte im öffentlichen Raum.
Die Sitzmuschel war 1972 in der Badi Mythenquai aufgestellt worden. Sie erinnert nicht nur an ein Meerestier, sondern ein bisschen auch an eine exotische Frucht: Unter einer weissen Schale öffnet sich ein knallgelbes Inneres mit Sitzstufen. Bereits 2015 wurde die Skulptur abtransportiert und saniert. Wind und Wetter, aber auch die Nutzung hätten den Plastikoberflächen arg zugesetzt, erklärte damals die Fachstelle Kunst im öffentlichen Raum des Tiefbaudepartements (KiöR). Der Freiburger Experte Marc Egger setzte die Muschel instand. Zurück im Strandbad wurde das Kunstwerk zunächst eingezäunt, was seiner ästhetischen Wirkung abträglich war.
Auch Annemie Fontanas Brunnen «Sirius» wurde verlegt. Am neuen Standort neben dem Hallenstadion macht das orange Kunstwerk seit 2012 einen etwas verlorenen Eindruck. (Foto: Nick Brändli, BAZ)
Ein Kran hievte die Sitzmuschel nun erneut aus dem Liegerasen – diesmal für immer. Wieder erfordern Schadstellen eine Restaurierung. Leider wird das Kunstwerk danach nicht wieder an seinem angestammten Platz aufgestellt, wie die KiöR mitteilt: Sie genüge «heutigen Sicherheitsbestimmungen» nicht. – Zu einem Unfall war es in fünf Jahrzehnten intensiver Bespielung freilich nie gekommen.
Die KiöR ist aktuell auf der Suche nach einem neuen Standort im öffentlichen Raum. Hoffentlich kann eine bessere Lösung gefunden werden als bei Annemie Fontanas Brunnen «Sirius»: Das Kunstwerk aus orange eingefärbtem Polyester wurde Anfang der 1970er-Jahre für den Escher-Wyss-Platz in Zürich geschaffen – für ein Umfeld also, das von Sichtbeton geprägt ist und in dem sich der Brunnen mit seiner warmen Farbe angenehm abhob. Doch für das Tramprojekt Zürich-West wurde er 2008 entfernt. Seit 2012 plätschert er etwas verloren neben dem Hallenstadion in der Tramschlaufe, wo er keineswegs die frühere Wirkung entfalten kann.
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