Wird Aaraus Markthalle abgerissen?

Manuel Pestalozzi
11. Dezember 2024
Die Markthalle, hier kurz nach ihrer Fertigstellung, ging aus einem Architekturwettbewerb hervor und wurde mit dem Aargauer Heimatschutzpreis ausgezeichnet. (Foto: Manuel Pestalozzi)

Der elegante Holzbau des Architekturbüros Miller & Maranta steht seit 2002 wie ein edles Möbel auf dem Färberplatz in Aaraus Altstadt. Die Markthalle entstand auf Grundlage eines Architekturwettbewerbs, den die Stadt durchgeführt hatte. Ihr Wunsch war damals, in dem offen gestalteten Bauwerk eine möglichst vielfältige Nutzung zu ermöglichen: Märkte, Ausstellungen, Theatervorführungen, Konzerte, Jugendanlässe und eine Velobörse sollten vom Färberplatz in den Neubau geholt werden. 

Der Bau von Quintus Miller und Paola Maranta besitzt einen polygonalen Grundriss, der der Kontur des Platzes folgt. Eine zentrale Stütze trägt die sorgfältig detaillierte Konstruktion, für die Kolleginnen und Kollegen den Architekten Respekt zollen. 2002 wurde die Halle mit dem Aargauer Heimatschutzpreis ausgezeichnet. Zudem trug sie massgeblich zur Vergabe des renommierten Wakkerpreises an die Stadt im Jahr 2014 bei.

Die Halle ist für eine dauerhafte Präsenz gestaltet. Den ausgezeichneten Bau abzubrechen, wäre ein verhängnisvolles Signal. (Foto: Manuel Pestalozzi)

Bei den Nutzerinnen und Nutzern stösst der Holzbau allerdings nicht nur auf Begeisterung. Im Volksmund ist von der «Halle Durchzug» die Rede, wie das SRF kürzlich berichtete. Im selben Beitrag wird die Halle ein «Architektur-Flop» genannt. Offenbar empfinden manche Menschen den offenen Bau eher als Platzraum denn als Gebäude. Ob das ein Architektur-Problem ist, sei dahingestellt. Kein Architektur-Problem sind gewiss die Beschwerden, die wegen angeblicher Lärmbelästigung von Anwohnern eingereicht werden. Lärm ist in einer dichten, belebten Altstadt wohl ganz normal und unvermeidlich.

Jedenfalls sah sich die Stadt nach politischen Vorstössen 2022 zum Handeln gezwungen. Die bisher realisierten Nutzungskonzepte für den Bau hätten nicht zum erhofften Resultat geführt, teilte sie mit. Organisiert wurde darum ein zweijähriger Testbetrieb, in der Hoffnung, so endlich die passende Nutzung zu finden, die mit der Architektur gut harmoniert.

Der Testbetrieb brachte Hochbeete, Bäume und Sitzgelegenheiten im Aussenraum. Hinzu kamen Tischtennistische, Lichterketten und Wimpel «für eine bessere Atmosphäre in der Halle». Auch Märkte und ein Streetfoodfestival fanden statt. Ein fixes Gastronomieangebot war hingegen nicht erlaubt. Nun neigt sich die Testphase dem Ende zu. Die Bevölkerung fand sie gut, Anwohnende und Gewerbetreibende waren weniger begeistert. Muss man also nach den zwei Jahren Testbetrieb von einem «Architektur-Flop» sprechen, wie es das SRF tut? Sicher nicht. Allerdings wird die Aufenthaltsqualität nach wie vor von vielen Menschen bemängelt. Neben dem Durchzug steht auch die «kühle» Architektursprache in der Kritik. Geprüft wurden ein zusätzlicher Witterungsschutz, mehr Beleuchtung und – etwas abseits der Kontroverse – eine extensive Dachbegrünung. Auch fixe Einbauten in der Halle seien denkbar, heisst es. Aber: Diese Massnahmen würden den Charakter des Bauwerks wahrscheinlich empfindlich stören.

Die Geschichte und die verfahrene Situation erinnern etwas an den humorvoll-grotesken Novellenzyklus «Leute von Seldwyla», den Gottfried Keller in den 1850er-Jahren über diverse Konflikte in einem fiktiven Schweizer Dorf schrieb. Die Stadt Aarau muss im kommenden Jahr über die Zukunft ihrer Markthalle entscheiden. Dabei steht sogar ein Rückbau zur Debatte. «Es ist alles denkbar», sagt Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker. Als nächstes ist das Stadtparlament an der Reihe. Es soll über die Kredite befinden, die für eine wie auch immer geartete «Weiterentwicklung» des Färberplatzes notwendig sind. Verliererin im Falle eines Abbruchs wären auch die Schweizer Wettbewerbs- und Architekturpreiskultur. «Eine mit einem Wettbewerb kreierte Halle abzureissen, wäre einmalig», muss Hanspeter Hilfiker zugeben.

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