Handwerkskunst – Kunsthandwerk
Meili, Peter & Partner
26. September 2019
Blick über die Muota auf den Sitz von Max Felchlin (Foto: Karin Gauch, Fabien Schwartz)
Meili, Peter & Partner haben einen Erweiterungsbau zum Hauptsitz der Max Felchlin AG in Ibach gestaltet. Patrick Rinderknecht spricht mit uns über das Projekt und erklärt Entwurfsidee, Herausforderungen und architektonische Lösungen.
Ort Gotthardstrasse 11, 6438 Ibach, SZ
Nutzung Verwaltungs- und Schulungsgebäude
Auftragsart Wettbewerb, Generalplanermandat
Bauherrschaft Max Felchlin AG, Ibach
Bauherrenvertretung Dany Waldner AG, Zürich
Architektur Meili, Peter & Partner Architekten AG, Zürich: Markus Peter, Patrick Rinderknecht, Alice Hucker, Roman Pfister (Projektleiter), Lukas Eschmann (Projektleiter), Benjamin Melly, Tobias Gagliardi, Adrien Muller, Tobia Rapelli, Jean Hartmann, Andreas Winzeler, Gergő Vátyi, Malte Didrigkeit
Fachplaner Baumanagement und -leitung: HSSP AG, Zürich | Landschaftsarchitektur: Müller Illien Landschaftsarchitekten GmbH, Zürich | Tragwerk Holzbau, Brandschutz, Bauphsik und Akustik: PIRMIN JUNG Schweiz AG, Rain, LU | Mitarbeit Tragwerk Holzbau: Création Holz GmbH, Herisau, AR | Tragwerk Massivbau und Baugrube: bpp Ingenieure AG, Schwyz | Lichtplanung: mati AG, Adliswil ZH | Fachplanung Spenglerarbeiten: Lees AG, Altikon ZH
Bauleitung HSSP AG, Zürich
Jahr der Fertigstellung 2019
Gesamtkosten BKP 1–9 CHF 24,0 Mio.
Gebäudekosten BKP 2 CHF 22,1 Mio.
Gebäudevolumen 22 467 m3
Kubikmeterpreis CHF 984
Massgeblich beteiligte Unternehmer Holzbau Dach und Fassade: ARGE aus Hecht Holzbau AG, Sursee, LU und Bisang Holzbau AG, Küssnacht, SZ | Spengler- und Bedachungsarbeiten: ARGE aus Annen+Schibig AG, Ibach, Bless AG, Erstfeld, UR und Paul Gisler AG, Cham, ZG | Allgemeine Schreinerarbeiten: ARGE aus Schreinerei von Rickenbach AG, Ibach, Koller AG, Ibach und Kreativschreinerei Wagner AG, Brunnen, SZ | Baumeisterarbeiten: Bolfing AG, Schwyz | Innere Malerarbeiten: B. Bachmann AG, Immensee, SZ
Fotos Karin Gauch, Fabien Schwartz
Fernsicht mit dem Uri Rotstock im Hintergrund (Foto: Karin Gauch, Fabien Schwartz)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Die Besonderheit der Aufgabe und des nun realisierten Baus liegt in einer Schlüsselfrage begründet: Wie tritt ein weltweit agierendes Unternehmen in einem Talkessel in Erscheinung, dessen übrige Bebauung von Traditionsbewusstsein geprägt ist? Wie repräsentiert Architektur ein solches Unternehmen, dessen Erfolg auf Handwerk, Innovationskraft und Beständigkeit gründet? Mit der Max Felchlin AG haben wir eine Bauherrschaft getroffen, die unsere Werte teilt.
Für den Bau war die fernöstliche Holzbaukultur ebenso eine Inspirationsquelle wie die lokale Handwerkskunst: Wie der Confiseur seine Schokolade, so muss der Zimmermann sein Holz und der Spengler sein Blech kennen. Hervorragende Unternehmer begleiteten uns durch alle Entwurfs- und Bauphasen mit dem Ziel, durch den richtigen Prozess aus rohen Materialien hochwertige Produkte zu erarbeiten und durch die richtigen Fragen die essenzielle Idee zu schärfen.
Schulungsraum im Condirama (Foto: Karin Gauch, Fabien Schwartz)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?Der Bezug der repräsentativen Dachform zu den umliegenden Bergen – Uri Rotstock, Mythen, Fronalpstock – dürfte besonders Laien unmittelbar und angenehm auffallen. Weit subtiler verweisen sowohl die Dachform als auch die Materialisierung in Titanzink-Doppelstehfalz auf die nahen und fernen Dächer repräsentativer Barockbauten – zum Beispiel des Kollegiums in Schwyz. Nicht zu vergessen ist auch der Blick der Betrachter*innen von der nahen Autobahn aus: Schon von Weitem zeigen sich die drei Gauben und verorten das Gebäude und somit auch das Unternehmen in der Landschaft.
Verpflegungsraum für Mitarbeiter*innen und Kursteilnehmer*innen (Foto: Karin Gauch, Fabien Schwartz)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?Während die Anforderungen an die administrative Büronutzung keinen Einfluss auf die Architektur ausübten, bargen die repräsentativen Schulungsräume darüber eine anspruchsvolle Herausforderung für den Entwurf. In diesen werden die Confiseure in der Verarbeitung von Schokolade geschult. Dies bedingt äusserst strenge klimatische Anforderungen an die Räume, welche mittels einer Vielzahl technischer Gerätschaften vor dem Hintergrund der hölzernen Tragstruktur erfüllt werden. Die Schichtung dieser Elemente in die Ebenen der Holzbalkenstruktur, der abgesetzten Dachhaut und der dazwischenliegenden Gebäudetechnik war die tragende Idee hinter unserer Gestaltung.
Beim Betrachten des Gebäudes könnte man wohl annehmen, das auffallende, extravagante Dach habe aufgrund seiner aussergewöhnlichen Form etliche Änderungen erfahren. Dem ist jedoch nicht so. Die realisierte Silhouette gleicht erstaunlich genau einem ersten Skizzenentwurf im Wettbewerb und hat ausschliesslich die im Rahmen der regulären Projektentwicklung üblichen Anpassungen erhalten. Diese leider viel zu seltene Kontinuität in gestalterischen Schlüsselfragen ist nicht zuletzt der architekturaffinen Bauherrschaft zu verdanken.
Die Balkenkonstruktion des Daches (Foto: Karin Gauch, Fabien Schwartz)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?Im Gegenteil, das Projekt schöpft viel stärker aus der Geschichte: Der barocke Dachstuhl oder die Grubenmann-Brücken standen bei der Ausarbeitung des konstruktiven Ausdrucks Pate. Natürlich wurde dabei den hohen Anforderungen an Haustechnik und Nutzerfreundlichkeit Rechnung getragen. Die Dialektik der hölzernen Urhütte und des technischen Gewands ist dabei ebenso eigentümlich wie jene der archaischen, unbändigen Wucht der Holzquerschnitte und der innenliegenden, hochleistungsfähigen Hybridknoten aus dem Arsenal des lokalen Holzbaus.
Schokolade und geröstete Haselnüsse – beides von Felchlin selbstverständlich.