Gesamtsanierung Kantonsschule Cleric

Chur
Photo © Ralph Feiner
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Arquitectos
Horváth Pablo
Ano
2012

1 Aufgabe und Ausgangslage

Die Vorgabe des Kantons Graubünden war eine umfassende wärmetechnische Sanierung, d.h. die Transformation des Schulhauses aus den 60er Jahren in die Gegenwart, um künftig den Minergiestandard einzuhalten und in diesem Zuge auch allen heutigen Vorschriften Genüge zu leisten.

 

Bestand

Das ehemalige Bündner Lehrerseminar, heute Teil der Kantonsschule, wurde 1962 vom Bündner Architekten Andres Liesch geplant und erbaut. Der architektonische Ausdruck widerspiegelt die stilistische Formensprache der Nachkriegsmoderne. Das formale Spiel zwischen gefügten und gegossenen Betonelementen verleiht dem Bau eine modellierte Tektonik, die der Gesamtanlage trotz ihres grossen volumetrischen Ausmasses eine grazile Leichtigkeit und Eleganz verleiht.

Als einzigartiges Beispiel präsentiert sich das ehemalige Lehrerseminar als gebauter Vertreter einer regionalen Nachkriegsmoderne in Graubünden.

 

Elemente

Ausgehend von der klassischen Moderne um 1920 mit den damals neu propagierten baulichen Grundsätzen wie Bandfenster, Stützen, freier Grundriss, Trennen von tragenden und trennenden Bauteilen, Flachdach, armierter Beton, sind nach dem 2. Weltkrieg Bauten entstanden, die auf die Schweizer Architektur in den 50er und 60er Jahren einen grossen Einfluss ausgeübt haben. Vorfabrikation von Sichtbetonteilen (M. Breuer, Atlanta, 1961), das Haus auf Stützen (Le Corbusier, Marseille, 1952), Funktionale Elemente wie Brise Soleil/Sonnenschutz (O. Niemeyer, Rio de Janeiro, 1945), die als Gestaltungsmittel eingesetzt werden, sind Ausdruck dieser Zeit.

Als mögliches Vorbild für das ehemalige Lehrerseminar könnte die Kantonsschule Freudenberg in Zürich, 1960 gebaut von Jacques Schader, gedient haben.

 

Lokale Referenzen

Auf Graubünden bezogen gibt es weniger illustre, aber dennoch nennens- und erhaltenswerte Sichtbetonbauten wie das Konvikt in Chur (Otto Glaus, 1969), die Heiligkreuzkirche in Chur (Walter Förderer, 1966), das Hallenbad in St. Moritz (Robert Obrist, 1968) und die Gewerbeschule in Chur (ebenfalls von Andres Liesch, 1965).

 

2 Anforderungen

Im Zuge der Transformation wurde die Nutzung des Gebäudes innerhalb des Schulcampus als Haus für musische und gestalterische Fächer (Musik, Kunst, Werken) ausgerichtet.

Ursprünglich nur mit reinen Klassenräumen ausgestattet, resultierten daraus neue Raumzuschnitte für die Schule,  die neuen Nutzungen gerecht werden. Aufgrund der Baustruktur von tragenden Stützen und nichttragenden Zwischenwänden, konnte darauf reagiert werden.

 

3 Diskurs über den Ansatz der wärmtechnischen Sanierung

Bei der Sanierung ist im Umgang mit einer als erhaltenswert erkannten Substanz ein Spektrum von Haltungen möglich.

 

Mit minimalen Interventionen agieren

Ein denkmalpflegerische Ansatz dieser Art, strebt danach das vorgefundene Bild möglichst zu erhalten.

 

Den Umbau (bewusst) zeigen

Vielerorts wird versucht die Veränderung, die durch eine Sanierung stattfindet, zu thematisieren. Das Bild des Hauses verändert sich so nach den neuen Gegebenheiten. (Schulhaus Obstgarten Stäfa)

 

Neubau

Das Erwägen eines Neubaus, der vermeintlich auf alle technischen Anforderungen optimal reagiert, lässt jedoch den Werteerhalt ganz ausser Acht. (Neubau Wohnhaus „B35“ Bolleystrasse 35, Zürich, Leibundgut)

 

Die interpretierende Originalsanierung

Ein Ausweg zwischen (all zu dogmatischer) Denkmalpflege und (zu sehr präsentiertem) Umbau, bietet eine Sanierung mit dem Ziel den Bau möglichst gut und selbstverständlich in die Gegenwart zu transformieren und dabei auszuloten inwiefern das originale Bild reproduziert werden kann uns soll.

 

4 Vorgehensweise /Umsetzung

Der von uns eingeschlagene Weg hält an den architektonischen und räumlichen Qualitäten der bestehenden Schulanlage fest. Im Sinne einer interpretierenden Originalsanierung werden diese jedoch auf zurückhaltende Weise geschärft. Ziel ist es, den kraftvollen architektonischen Ausdruck des Betonbaus in die heutige Zeit zu transportieren und dabei den statischen, bauphysikalischen und betrieblichen Anforderungen zu genügen. Wichtigster Ansatzpunkt war es dabei, die Gleiche Materialpräsenz des Bestandes wieder zu bekommen.

 

Die vorgeschlagene Gesamtsanierung sieht deshalb einen Rückbau der ursprünglich an die Innenschale angegossenen Betonelemente vor, die nach Anbringen der erforderlichen Isolationsschicht durch neue Fertigteile gleicher Stärke ersetzt werden. Das um die Isolationsschicht vorgesetzte neue Betonkleid behält dabei den erhaltenswerten Charakter des Altbaus. Gleichzeitig wird aber der Minenergiestandard erreicht.

 

5 Den Ausdruck nicht verlieren

Die original sanierte Fassade besteht aus vorfabrizierten aber vorgehängten Betonelementen. Übernommen werden das bestehende Fugenbild der Fassadenplatten sowie das Schalungsbild des Ortbetons im Sockelbereich. Die neue Betonfassade hält am architektonischen Ausdruck der variierenden Fassadentiefen des Altbaus fest. So bleiben beispielsweise auch weiterhin das zurückversetzte Sockelgeschoss oder die Akzentuierung der tragenden Stützen, die etwas aus der Wandfläche heraustreten, durch die Originalsanierung erhalten.

Die bestehenden Holzfenster werden durch beständigere und den heutigen Anforderungen entsprechende Holz-Metallfenster ersetzt. Dabei wird besonderen Wert auf das Beibehalten der wohl proportionierten, filigranen Fensterprofile des Altbaus gelegt. Die neu eingesetzten Fenster sitzen so in der Dämmebene, dass jegliche Wärmebrücken vermieden werden können.

Die umfassende Originalsanierung bewahrt die charakteristischen Oberflächenstrukturen sowie den Ausdruck der unterschiedlichen, kompositorisch gefügten Bauteile.

 

Die Unterrichtsräume des Altbaus entsprechen hinsichtlich der Infrastruktur und der Behaglichkeit nicht mehr den heutigen Anforderungen. Die etwas unattraktiven Raumseiten zu den Fluren bieten Anlass zu einer architektonischen Intervention. Diese raumhaltige Trennschicht wird neu als Installationsebene der Haustechnik ausgebildet. So entfallen denn auch die im heutigen Gebrauch nicht mehr gewünschten Oberlichtbänder. Die neue Installationsschicht ermöglicht auf allen Geschossen eine pragmatische und funktionelle Erschliessung sämtlicher Räume. In ebendiese Schicht sind neu die Materialschränke und die Schulwandbrunnen integriert.

Die ursprüngliche Materialisierung mit Eichenelementen und Linoleum in den Klassenzimmern wurde beibehalten.

 

Umgebung

Beim Blick auf die gesamte Schulanlage, zieht sich diese Haltung weiter bis zu Umgebungsgestaltung, die dem Zeitgeist entsprechend, interpretiert aufgefrischt wird.

 

Nachhaltigkeit

Der Erhalt der Bausubstanz (Rohbau) trägt den Kern des Nachhaltigkeitsgedankens bereits in sich. Es entstehen zudem keine Abbruch- und Entsorgungskosten. Im Inneren folgt die architektonische Intervention derselben Grundhaltung. Das Farb- und Materialkonzept orientiert sich weitgehend am Bestand. Die markante Stützen- und Rippenstruktur der Wände und Decken in den Fluren bleiben bestehen. Der Erhalt charakterprägender Elemente  wie die Terrazzo-Bodenbeläge oder die Kugelleuchten in den Korridoren, helfen das Bild des Bestandes wach zu halten. Das kann auch für die Lavabo in den Klassenzimmern gelten, die nachhaltig wieder eingebaut wurden und somit den ökonomischen wie sinnlichen Wert dieses Umgangs sichtbar machen.

(Mobiliar konnte nicht wieder verwendet we0rden)

Das von den Schülern und der Lehrerschaft allgemein als angenehm und geschätzte Innenleben der Schulanlage wird in seinen Grundzügen erhalten.

 

Statik Fassade

Um die Baustruktur mit den durch den Dämmungsabstand auskragenden Betonfertigteilen nicht über Gebühr zu belasten, wurde im Klassentrakt die  Fassade an die bestehende Konstruktion angestellt. Das auskragende Obergeschoss im Spezialtrakt konnten, da es sich nur um ein Geschoss handelte mit angehängten Betonfertigteilen versehen werden. (Änderung durch den Prozess der Transformation)

(Präzision der Fugen)

 

Gebäudevermessung

Gebäudeaufnahme zu Beginn für den Rückbau

Aufnahme des Rohbaus für den Aufbau

Umgang, Reaktion und Aufnahmen von Ungenauigkeiten bei der Vorfabrikation

Vereinheitlichung der vorgefundenen Unterschiede

Masstoleranzen

 

Planungsaufwand

Etappierung, auch durch unmittelbar angrenzenden Schülerbetrieb, Bestimmte Massnahmen konnten deshalb nur in den Ferien realisiert werden.

Parallele Realisierung

Durcharbeitung und Berücksichtigung von Ungenauigkeiten

 

6 Randbedingungen ausbalancieren

Schadstoffsanierung

Der Rückbau der Fassade bis auf die Grundstruktur ermöglicht ein vollständiges Entfernen gesundheitsgefährdender Asbest-Rückstände und organischer Giftstoffe wie PBC oder PAK. Die Gesamtsanierung gewährleistet somit nicht bloss ein fachgerechtes Entfernen und Entsorgen dieser Abfallstoffe sondern verbessert überdies die Schulanlage aus den 60er Jahren baubiologisch nachhaltig.

Die bestehende Grundrisstypologie des Gebäudes erlaubt durch Verschieben der Trennmauern auf die neuen Klassenzimmergrössen und Anforderungen zu reagieren.

                                 

Neue Haustechnik

Die Technik in den Anforderungskontext einzubetten, stellet eine Herausforderung an eine durchdachte Leitungsführung dar, die räumliche Aspekte nicht ausser Acht lässt. Die baulichen Konsequenzen dieser Anforderungen sind aus den Koordinationsplänen Haustechnik ersichtlich.

 

Vorschriften einhalten

Weitere bauliche Eingriffe, bedingt durch Vorschriften und Gesetze sind die Erdbebensicherheit und die feuerpolizeilichen Anforderungen. Hindernisfreies Bauen, Arbeitssicherheit (Brüstung, Geländer) und die Belichtung sind weitere Anforderungen, die berücksichtigt und angepasst werden müssen.

 

Schallschutz und Akustik

Mit dem Einbau von "stilleren" Handarbeits- und Computerräumen neben den Musik- und Werkräumen sowie die Ergänzung eines Mehrzweck- oder Bandraumes, wurden die bisherigen Anforderungen an diese Thematik völlig verändert. An die Akustik der Aula entstanden mit dem Wunsch nach zukünftiger Nutzung als Konzertraum, spezifizierte Anforderungen. Um gesamthaft einen eher gedämpften Lautstärkepegel im Schulhaus zu erreichen, musste mit Akustikelementen auf den Schülerbetrieb in den Korridoren reagiert werden.

 

7 Fazit

Das ehemalige Bündner Lehrerseminar aus den 60er Jahren steht als gebautes Lehrstück für eine handwerklich durchgestaltete Architektur. Die räumliche und städtebauliche Qualität der Anlage vermag noch heute in höchstem Masse zu überzeugen. Diese Zeitlosigkeit rechtfertigt oder vielmehr gebietet geradezu einen respektvollen Umgang mit dem bestehenden Bau.

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