Umbauen, sanieren, recyceln, wertschätzen – der Prix Acier 2021
Unter den vier Gewinnern des Stahlbaupreises sind zwei Projekte, bei denen alte Bauten fit für die Zukunft gemacht wurden. Auch die Anerkennung für die Aufstockung des Kopfbaus der Halle 118 in Winterthur von baubüro in situ erfreut.
Bereits zum achten Mal wurde am 7. Oktober 2021 der Schweizer Stahl- und Metallbaupreis Prix Acier verliehen. Getragen wird die Auszeichnung vom Stahlbau Zentrum Schweiz und dem Verband metal.suisse – es handelt sich also um einen Preis der Stahlbaulobby. Gewürdigt werden Bauten, bei denen das Material besonders überzeugend eingesetzt wurde. In diesem Jahr hatte die neunköpfige Jury aus 43 eingereichten Projekten auszuwählen. Schlussendlich wurden vier Gewinner gekürt, für drei Bauwerke gab es je eine Anerkennung. Erfreulicherweise konnten dabei Umbauten und Sanierungen besonders auftrumpfen: Zu den Gewinnern gehören die Erweiterung der Schulanlage «Auen» in Frauenfeld durch jessenvollenweider und die Erneuerung des Saaneviadukts von Flury und Rudolf Architekten. Daneben zählt der Zürcher Negrellisteg der Arbeitsgemeinschaft Conzett Bronzini Partner, Diggelmann + Partner und 10:8 Architekten zu den Preisträgern – genauso wie das Stade de la Tuilière in Lausanne von den Büros :mlzd und Sollberger + Bögli. Eine Anerkennung gab es für die bemerkenswerte Aufstockung des Kopfbaus der Halle 118 von baubüro in situ auf dem Sulzer-Areal in Winterthur. Zudem wurden zwei Brücken von Dissing+Weitling aus Dänemark und savioz fabrizzi architectes gewürdigt.
Das Team von jessenvollenweider hat die denkmalgeschützte Anlage von Alfons Barth (1913–2003) und Hans Zaugg (1913–1990), die der Solothurner Schule zuzurechnen ist, mit viel Wertschätzung und Fingerspitzengefühl hergerichtet und erweitert. Die Turnhalle wurde unter Erhalt der baugeschichtlich wertvollen Substanz ausgebaut, und drei Neubauten ergänzen das Ensemble. Letztere greifen die elegante Einfachheit und Klarheit der Bestandsbauten auf, haben aber eine eigene Handschrift: Das Stahltragwerk wurde jeweils nach aussen verlegt und die Stahlstützen aus den Ecken geschoben. Auf diese Weise ist zwar eine Verwandtschaftsbeziehung zwischen Alt und Neu entstanden, ein plumpes Nachahmen oder Kopieren gibt es jedoch nicht.
Das Saaneviadukt stammt aus der Pionierzeit des Stahlbaus. Nach 120 Betriebsjahren war die Brücke am Ende ihrer Lebenszeit angelangt und bedurfte dringend einer Überholung. Die nun erfolgten Eingriffe aus der Feder des Architekturbüros Flury und Rudolf und der Bauingenieure von Fürst Laffranchi erkennt man erst auf den zweiten Blick: eine neue Betonplatte auf der gesamten Länge des Viadukts, die neu beidseitig auskragende Fahrbahn und das vollständig neue Stahlfachwerk, das sich unaufdringlich in die historische Bausubstanz einfügt. Ähnlich wie bei der eben besprochenen Gestaltung von jessenvollenweider wurde das Vorhandene weiterentwickelt, ohne dass Wertschätzung dabei in Rückwärtsgewandtheit gekippt wäre.
«Alle Dinge, die schon da sind, sowie Holz, Stroh und Lehm» hätten sie verwendet, sagen die Architekt*innen von baubüro in situ. Keine Frage, unter den drei Projekten, die jeweils eine Anerkennung erhielten, sticht ihres besonders heraus. Eingesetzt wurden vor allem gefundene Bauteile, die vormals in anderen Gebäuden verbaut waren. Das brachte grosse gestalterische, aber auch logistische Herausforderungen mit sich. Doch die Wiederverwendung von gebrauchten Treppen, Fassadenteilen, Fenstern und dergleichen mehr hat zu einem eigenständigen und überzeugenden architektonischen Ausdruck geführt.
Beim diesjährigen Prix Acier wurden erfreulich viele zeitgemässe Gestaltungen ausgezeichnet. Die Jury hat, sicherlich ganz bewusst, hervorragende Brückenbauten stark berücksichtigt. Das macht aus Stahlbau-Sicht durchaus Sinn. Doch die Aufstockung der Halle 118 hätte für ihre hohe gestalterische Qualität und mehr noch die richtungsweisende Haltung der Architekt*innen mehr als «nur» eine Anerkennung verdient gehabt. Man hätte sich das Bauwerk sehr gut als einen der Sieger vorstellen können – es wäre ein besonders gutes Signal gewesen.
- Sanierung und Erweiterung Schulanlage Auen, Frauenfeld
Bauherrschaft: Sekundarschulgemeinde Frauenfeld
Architektur: jessenvollenweider architektur AG, Basel
Tragwerksplanung: ZPF Ingenieure AG, Basel
Stahl- und Metallbau: Pfister Metallbau AG, Mauren, Tuchschmid AG, Frauenfeld, und Krapf AG, Engelburg - Negrellisteg, Zürich
Bauherrschaft: Schweizerische Bundesbahnen und Stadt Zürich
Architektur und Tragwerksplanung: ARGE Conzett Bronzini Partner, Chur, Diggelmann + Partner AG, Bern, und 10:8 Architekten GmbH, Zürich
Stahl- und Metallbau: Officine Ghidoni SA, Riazzino - Stade de la Tuilière, Lausanne
Bauherrschaft: Ville de Lausanne
Architektur: :mlzd und Sollberger + Bögli architectes, beide Biel
Tragwerksplanung: Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure AG, Zürich
Stahl- und Metallbau: Sottas SA Constructions métalliques, Bulle - Erneuerung und Ausbau Saaneviadukt, Mühleberg, Gümmenen, Ferenbalm
Bauherrschaft: BLS Netz AG, Bern
Architektur: Flury und Rudolf Architekten AG, Solothurn
Tragwerksplanung: Fürst Laffranchi Bauingenieure GmbH, Aarwangen
Stahl- und Metallbau: Schneider Stahlbau AG, Jona und Senn AG, Oftringen
Anerkennungen Prix Acier 2021
- Neubau Hinterrheinbrücke, Reichenau
Bauherrschaft: Rhätische Bahn AG
Architektur: Dissing+Weitling A/S, Kopenhagen, Dänemark
Tragwerksplanung: WaltGalmarini AG, Zürich und COWI UK Limited Ingenieurgemeinschaft, London, Grossbritannien
Stahlbau und Metallbau: ARGE Schneider Stahlbau AG, Jona, Jörimann Stahl AG, Walenstadt, und Toscano Stahlbau AG, Cazis - Aufstockung des Kopfbaus der Halle 118, Winterthur
Bauherrschaft: Stiftung Abendrot, Basel
Architektur: baubüro in situ ag, Zürich
Tragwerksplanung: Oberli Ingenieurbüro AG, Winterthur
Stahl- und Metallbau: Wetter AG, Stetten - Passerelle des Rives de la Broye, Payerne
Bauherrschaft: Implenia Immobilier SA, Renens
Architektur: savioz fabrizzi architectes, Sion
Tragwerksplanung: Ingeni SA, Carouge
Stahl- und Metallbau: Stephan SA, Givisiez