Ein «anständiges» Haus
Marazzi Reinhardt
9. mei 2019
Bild: Sergio Marazzi
Marazzi Reinhardt haben letztes Jahr ein Einfamilienhaus in Neftenbach fertiggestellt. Sergio Marazzi und Andreas Reinhardt stellen sich unseren Fragen.
Ort Hinterhuebstrasse 3, 8413, Neftenbach, ZH
Auftragsart Direktauftrag
Bauherrschaft privat
Architektur Marazzi Reinhardt, Winterthur, ZH, Sergio Marazzi
Jahr der Fertigstellung 2018
Fotos Ramon Spaeti und Sergio Marazzi
Der Bauherr hat uns aufgefordert ein «anständiges» Haus zu bauen. Aus seiner Sicht war das ein vermietbares Einfamilienhaus, zu einem Fixpreis erstellt. Ansonsten überliess er uns alle Freiheiten. Wir hatten gerade einmal 5 Bauherrensitzungen. Wir haben für uns folgende Kriterien definiert, die ein «anständiges» Haus an diesem Ort erfüllten sollte:
- Ordnet sich ein und entwickelt den Ort weiter
- Funktioniert als Behausung
- Handwerk gibt dem Bau seine Wertigkeit
- Materialgerechtes Bauen
- Glaubwürdige Konstruktion
Ausschnitt der Fassade. Bild: Sergio Marazzi
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?In einem von landwirtschaftlichen Wohn- und Ökonomiegebäuden geprägten Weiler sollte der neuzeitliche Typus des Einfamilienhauses Unterschlupf finden. Wir haben uns daher als Inspirationsquelle auf die Bauweise der traditionellen Häuser konzentriert: Pragmatismus, aufrichtiges Handwerk und ökonomischer Einsatz der Mittel.
Küche. Bild: Ramon Spaeti
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?Das Wohnhaus wurde auf einem Reststück einer grösseren Parzelle realisiert. Die dreieckige Geometrie und das Volumen resultieren aus der Parzellenform und den Auflagen in der Kernzone. Die verschiedenen Nutzungen wurden aufgrund des kleinen Grundrisses gestapelt und vertikal organisiert. Auch konnte dadurch die Aussicht als wichtiges Verkaufsargument ins Szene gesetzt werden.
Immer wieder werden wir mit Bauaufgaben in Kernzonen betraut. Meistens handelt es sich um Um- oder Ersatzbauten. In diesem Fall war ein Neubau und zusätzlich ein einen «ortsunüblicher» Bautypus gefragt. Trotzdem galten die gleichen behördlichen Restriktionen. Das Ausloten des gesetzlich Erlaubten, des ortsbaulich Sinnvollen und des zeitgenössischen Wohnens hat uns bei diesem Projekt besonders gefordert.
Garderobe. Bild: Ramon Spaeti
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?Wir sind bestrebt dem Handwerk seine Wertigkeit zurückzugeben. Wir wählen Konstruktionen die man versteht und denen man glaubt. Wir vertrauen auf die Sinnlichkeit des Materials. Insofern ist das Projekt auch eine Antwort auf die Zeiten in denen wir leben.
Schutzraum. Bild: Ramon Spaeti
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?Das Gebäude wurde in einer Hybridbauweise erstellt. Die in Holz konstruierte Fassade trägt die Betondecken, das Treppenhaus in Sichtbeton übernimmt die Aussteifung und verbindet die einzelnen Geschosse als vertikale Raumskulptur. Die jeweilige Konstruktion ist immer sichtbar abgebildet. Das Handwerk und eine präzise Detaillierung standen im Vordergrund. Die Veredelung von einfachen Materialien fand durch eine exakte Planung und Ausführung statt. Dies erforderte ein hohes Mass an Aufmerksamkeit auf allen Ebenen während des ganzen Bauprozesses.