Vergessene Moderne im Oberengadin
Inge Beckel
5. 1月 2016
Tradition und Moderne – verschieden und doch nicht so verschieden. Stabelle um 1940 und Zigzag-Stuhl (1934) von Gerrit Rietveld. Bild: La Tuor.
Moderne Bauten im Engadin? Da fällt einem spontan wenig ein – abgesehen vom Olympia-Stadion von 1928 von Architekt Valentin Koch. Eine kleine Ausstellung im hohen La Tuor in Samedan hat sich auf vergangene Spuren gemacht – und einiges gefunden.
Nun, endlich – nach den Festtagen hat es geschneit. Wer sich also bald auf den Weg ins Engadin macht, dem sei die kleine, aber reichhaltige Ausstellung im Museum La Tuor empfohlen. Die einleitend fragt: «Was ist modern?»
Und antwortet: «Sie zeichnet sich durch kubische, ornamentlose Formgebung, durch Flachdächer und grosse Fensteröffnungen aus. Ausgeführt im Idealfall in Beton, Stahl und Glas.» Gezeigt werden die Anfänge der modernen Architektur – die bekanntlich ausserhalb der alpinen Hochebene liegen. Dann geht es um den Streit, ob technizistisch reduzierte, also moderne Bauten schön seien – oder nicht. Und ob sie in die Landschaft passten.
Schliesslich lässt sich im Engadin einiges an Modernem finden. So beispielsweise die Garage Corvatsch in Silvaplana aus dem Jahre 1936 von Architekt Casimir Denoth. Oder die Garage Palü (1935) in Samedan von Giuseppe Lazzarini (Bild unten). Damit stellen der Verkehr und mit ihm das Auto ein eigentliches Sinnbild für die Moderne dar. Was nicht verwundert. Denn neben dem zentralen Motto von «Licht, Luft, Hygiene» war es sicherlich der Sport, ja Bewegung generell, die die Moderne bestimmten.
Hübsch auch ist die oberste Etage des La Tuor, wo Kurator Christof Kübler die Entstehung des Corporate Identity von St. Moritz mit der berühmten Sonne nachskizziert, das unter dem damals neuen Kurdirektor Walter Amstutz ab 1929 sukzessive entwickelt und sehr früh professionalisiert wurde. Denn mit Amstutz kam ein Mann der Moderne ins Engadin, der kurz zuvor den Neubau des Doppelhotels Alpina/Edelweiss von 1927 in Mürren als Bauherr mitverantwortet und ein kleines Büchlein über Neue Wege im Hotelbau verfasst hatte. – In der mit Schwerpunkt historisch ausgerichteten Ausstellung findet sich zudem eine Installation des Künstlers FP Boué, den die Sachlichkeit und ornamentlose Reduktion insbesondere von Infrastrukturbauten interessieren.
Palü-Garage in Samedan aus dem Jahre 1935 von Giuseppe Lazzarini (Bild: Archiv Ratti, Samedan).
Die Sonderausstellung ist bis 27.3.16 zu sehen; dann nochmals im Sommer, 2.7. bis 16.10.16; offen jeweils Mi bis So, 15h bis 18h (mehr hier).
Rahmenprogramm für Engadin-Reisende
Do, 11.2.16, 18h: Christof Kübler, Die Moderne in den Bergen. St. Moritz, Davos und Arosa im Vergleich; Do, 18.2.16, 18h: Jürg Conzett, Die Moderne im Infrastrukturbau; Do, 25.2.16, 18h: Dora Lardelli, Moderne Kunst um 1930 im Engadin.