Temporärer Begegnungsort

Susanna Koeberle
29. 9月 2020
Der Krongarten von Nives Widauer und Schenker Salvi Weber Architekten ist Raum und Möbel in einem. (Foto: Schenker Salvi Weber Architekten)

Nives Widauer nennt den Garten liebevoll «Corönligarten». Der Kosename für die temporäre Installation im Wiener Stadtraum widerspiegelt unterschiedliche Aspekte des Projekts. Die Galerie Hinterland, auf deren Einladung die Installation zustande kam, gibt jedes Jahr einen «Krongarten» in Auftrag, der vor der Galerie installiert wird. Dieser Garten heisst so, weil sich die Galerie in der Krongasse befindet. Für die diesjährige Ausgabe fragte die Galerie die Künstlerin Nives Widauer an. Sie hatte im Wiener Kunstraum schon Arbeiten ihres Langzeitprojekts «Pomegranate» gezeigt, in welchem sie sich mit der symbolträchtigen Frucht auseinandersetzt. Zu Beginn wollte sie einen «Hortus Conclusus» mit einem grossen Tisch in der Mitte realisieren, kam aber aus verschiedenen Gründen wieder ab. 

Die vorderen Hocker lassen sich verschieben. (Visualisierung: Schenker Salvi Weber Architekten)

Von Anfang an zog sie das Architekturbüro Schenker Salvi Weber bei. Während des Lockdowns nahm das Projekt eine neue Wendung. Als zentrales Element blieb der Tisch als Begegnungsort bestehen, die fünf in der Mitte des Tisches platzierten Granatapfelpflanzen schaffen etwas Distanz, ohne die Tischnachbarn voneinander zu trennen. Die Installation gleicht einer kleinen Insel (die Grösse entspricht etwa anderthalb Parkplätzen) im öffentlichen Raum, die zugleich gegen aussen durchlässig bleibt. Das Ornament der «Wände» erinnert an eine Krone und nimmt auch die Form des Granatapfels auf – der ja selber eine Art Krone besitzt. Die rötlich schimmernde Frucht ist in verschiedenen Kulturen und Religionen auf der ganzen Welt ein Symbol für Fruchtbarkeit, Weisheit oder Schönheit. «Die vielen Kerne des Granatapfels stehen für viele mögliche Wahrheiten. Gerade in der heutigen Situation ist es wichtig, unterschiedliche Ansichten zu akzeptieren und sich darüber auszutauschen», findet die Schweizer Künstlerin, die seit über zwanzig Jahren in der österreichischen Hauptstadt lebt. 

Geschützter und durchlässiger Raum (Foto: Schenker Salvi Weber Architekten)

Ihr Grundgedanke war, eine städtische Begegnungszone zu schaffen, der künstlerische Aspekt stand dabei weniger im Vordergrund. Wichtiger war ihr das Thema Nutzbarkeit. Die Installation ist ein Mischwesen zwischen grossem Möbel und temporärer Architektur; regelmässig finden dort Events statt. Das positive Echo auf den Garten sei für sie und die Architekten ein Ansporn, die Idee weiter zu entwickeln, erzählt Widauer; denn solche Gärten könnten den öffentlichen Stadtraum definitiv beleben. Der Granatapfel ist darüber hinaus ein universell verständliches Symbol für Dialog – und ein solcher ist auch zurzeit besonders gefragt. Die Krone der Frucht, Corona und die Krongasse vereinen sich zu einer starken Aussage. Ganz nebenbei: Dieses wunderschöne Gewächs gedeiht auch in unseren Breitengraden.

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