Abschied von einer Ikone

Katinka Corts
10. November 2020
Das Konzept des Drive-In-Flughafens funktionierte in Tegel lange gut. Erst das extreme Passagieraufkommen der letzten Jahre deckte die Schwächen der Ikone auf. (Foto © Marcus Bredt)

Letzten Sonntag startete der letzte kommerzielle Flug vom Flughafen Berlin-Tegel – wie zum Erstanflug im Januar 1960 eine Maschine der Air France, jetzt aber mit dem Ziel Paris. Im geteilten Deutschland galt Tegel als das «Tor nach West-Berlin»: Ursprünglich für 2,5 Millionen Passagiere jährlich ausgelegt, wurden hier schliesslich über 24 Millionen Menschen pro Jahr befördert. Der Flughafen steht seit 2019 unter Denkmalschutz, die einzelnen Bauten sollen als Teil der geplanten «Urban Tech Republic» weitergenutzt werden. Die erste Vision für die Nachnutzung des Flughafengeländes hatte Meinhard von Gerkan mit dem Konzept «TXL plus» bereits 2008 skizziert. Zur Zeit ist sein Büro gmp im Rahmen der «Urban Tech Republic» der Tegel Projekt GmbH mit der Nachnutzungsplanung für das Haupt- und Eingangsgebäude, die zentrale Halle und den Tower beauftragt. Nächstes Jahr soll mit der Schadstoffräumung auf dem Areal begonnen werden, damit in den kommenden Jahrzehnten das Terminalgebäude umgestaltet und das Flugfeld bebaut werden kann.

Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg von gmp posieren vor dem Flughafen Tegel. (Foto © Marcus Bredt)

Architektur und Funktionalität des Flughafens Tegel galten nach der Fertigstellung und für lange Zeit als zukunftsweisend. Man ging davon aus, dass bald weitere Flughäfen nach dem Vorbild der Anlage errichtet werden würden. Doch neue Sicherheitsanforderungen infolge des Terrorismus und der steigende Flächenbedarf für den Einzelhandel standen bereits ab Mitte der 1970er-Jahre dem passagierfreundlichen System der dezentralen Abfertigung entgegen. Mit dem übermächtigen Passagieraufkommen in den letzten Jahren seines Betriebs wurden so auch Tegels Schwächen deutlich – die Organisation von Wartebereich, Abfertigung und Kontrollzone führte regelmässig zu ungünstigen Überschneidungen. Dabei hatte das Prinzip des Drive-in-Flughafens lange Zeit gut funktioniert, der Weg vom Auto bis zum Flugzeug war kurz, die Abfertigung dezentral vor jeder Flugzeugposition organisiert. Polizei, Gepäckannahme, Zoll und Check-in-Personal wanderten von Gate zu Gate, wo die Fluggäste vorfuhren und abgefertigt wurden. Einstiegs- und Ausstiegszeiten waren dadurch einzigartig kurz. Auch der Weg zur Haupthalle war von jedem Gate nicht weit, da die Flugsteige in einem geschlossenen Ring angeordnet wurden.

Wer sich vertieft mit dem ikonischen Flughafen beschäftigen möchte, dem sei das neue Buch «TXL. Berlin Tegel Airport» von Jürgen Tietz und Detlef Jessen-Klingenberg empfohlen.

TXL. Berlin Tegel Airport

TXL. Berlin Tegel Airport
Jürgen Tietz in Zusammenarbeit mit Detlef Jessen-Klingenberg

235 x 315 Millimeter
248 Seiten
232 Illustrationen
Gebunden
ISBN 9783038602026
Park Books
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