Streit in Berlin
Falk Jaeger
8. gennaio 2020
Fassadenattrappe der Schinkelschen Bauakademie in Berlin, 2019 (Foto: Katinka Corts)
Die Direktorenstelle an Berlins neuer Bauakademie sollte mit dem parlamentarischen Staatssekretär Florian Pronold (SPD) besetzt werden. Nach einem offenen Brief und zwei Klagen ist seine Bestellung vorerst gestoppt.
In Berlin wird (wieder einmal) von Staats wegen eine (im Betrieb unterfinanzierte) neue Institution gegründet. Neben der Bundesstiftung Baukultur gibt es nun eine Stiftung, die in Schinkels wiederaufzubauender Bauakademie ähnlichen, teils deckungsgleichen Aufgaben nachgeht.
Als die «Findungskommission» aus den Bewerber*innen für das Direktorium ausgerechnet den Staatssekretär auswählt, der das Projekt vorangebracht hatte, als das Bauressort noch im SPD-Umweltministerium beheimatet war, schlugen die Wellen hoch. Über 800 Architekt*innen und Wissenschaftler*innen unterschrieben einen geharnischten offenen Brief. Einerseits wurde parteiinternes Pöstchengeschacher und Versorgungsmentalität vermutet. Das überzeugt wenig, denn Florian Pronold würde auf seinem neuen Posten nicht einmal die Hälfte verdienen und auch das nur auf Zeit. Andererseits wird moniert, dass er die in der Ausschreibung gefragten Fachqualifikationen architekturbezogenes Studium, Promotion, Veröffentlichungen sowie Erfahrung im Veranstaltungs- und Museumswesen nicht habe. Zweifellos das gewichtigere Argument.
Der SPD-Politiker wiederum wirft in die Waagschale, dass er als Baustaatssekretär das «Urbane Gebiet» und Fragen des Emissionsschutzrechts ins Baugesetzbuch gebracht, die Mietpreisbremse verhandelt, in der Bodenkommission mitgearbeitet und im Bundesstädtebauprogramm baukulturelle Projekte für mehrere hundert Millionen Euro auf den Weg gebracht habe. Das sei ein Erfahrungsschatz, der für die inhaltliche Arbeit in der Bauakademie von grossem Nutzen sei. Denn die sei inhaltlich sehr breit aufgestellt und weder ein Architekturzentrum noch ein Museum, sondern eine Plattform für alle Bauberufe und ein Instrument zur politischen Einflussnahme.
Jetzt haben zwei Mitbewerber Klagen gegen die Wahl Pronolds angestrengt. Das Auswahlverfahren sei nicht ordnungsgemäss verlaufen, sagen sie. Pronold verfüge nicht über die zwingend vorgeschriebenen Qualifikationen. Das Arbeitsgericht stoppte seine Bestellung bis zum Verfahren in der Hauptsache.
Ein Teilerfolg für die Gegner*innen zwar, doch Beobachter sind ob der Erfolgsaussichten der Klage skeptisch. Es gibt nämlich eine in diversen deutschen Zeitungen erschienene Kurzversion der Ausschreibung, welche die Initiatoren des offenen Briefs zur Grundlage ihres Protests gemacht hatten – und es gibt eine ausführliche Version. Darin steht ein entscheidendes Wörtchen mehr: «als Kandidat verfügen Sie idealerweise über ein ... relevantes Hochschulstudium, Promotion...» Jenes nicht zu haben, ist damit zwar nicht «ideal», aber kein Ausschlusskriterium. Dies könnte am Ende juristisch ausschlaggebend sein. Es bleibt spannend.
Philipp Oswalt, einer der Kläger, hat uns darauf hingewiesen, dass unser Zitat aus der FAZ-Ausschreibung nicht ganz korrekt ist. Statt «als Kandidat verfügen Sie idealerweise über ein…», muss es heissen «Als ideale Kandidatin (m/w/d) verfügen Sie über ein abgeschlossenes, für die Themen der Bauakademie relevantes universitäres Hochschulstudium; Promotion oder Habilitation sind wünschenswert.»
Relevanter ist der Hinweis, dass es zwei Versionen der Ausschreibung gab, wobei in der längeren ZEIT-Version das Wörtchen «ideal» nicht vorkommt. Das würde Pronolds Bewerbung ausschliessen, der deshalb natürlich beteuert, sich auf die FAZ-Ausschreibung beworben zu haben.