Abriss der Maag-Hallen: Der Heimatschutz legt Einspruch ein

Ulf Meyer, Elias Baumgarten
12. luglio 2023
Foto: Mara Truog © Zürcher Heimatschutz ZVH

Als die Swiss Prime Site 2021 ihre Baupläne für das Maag-Areal hinter dem Prime Tower in Zürich-West vorlegte, sorgte sie für Stirnrunzeln – unter Architekt*innen ebenso wie bei Politiker*innen von links bis rechts. Die Immobiliengesellschaft hatte sich für den Entwurf des deutschen Büros Sauerbruch Hutton entschieden, obwohl die Fachjury des Architekturwettbewerbs ein anderes Projekt bevorzugte, jenes der Pritzker-Preisträger Lacaton & Vassal nämlich.

Doch eigentlich verwunderte der Entscheid damals wenig: Bereits im Vorfeld war vermutet worden, dass die Swiss Prime Site nur die denkmalgeschützten Bauten aus den 1930er- und 1940er-Jahren auf dem Gelände erhalten möchte, nicht aber die grossen Montagehallen aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Und Sauerbruch Hutton hatten vorgeschlagen, die Maag-Hallen durch drei architektonisch durchaus qualitätsvolle Bauten, die einen baumbestandenen Quartierplatz fassen, zu ersetzen. Dazu soll auch ein neues Kulturhaus gehören. Der Entwurf der Berliner Architekt*innen sieht ausserdem vor, das denkmalgeschützte Gebäude K aus den 1940er-Jahren von späteren Anbauten zu befreien. Lacaton & Vassal hingegen hätten die Hallen der einstigen Zahnradfabrik überbaut, die zwischenzeitlich zu einem Ort der Musik, des Theaters und der Kunst geworden sind und sogar schon dem Tonhalle-Orchester als Ausweichspielort dienten – die wohl zeitgemässere und städtebaulich, ökologisch sowie sozial nachhaltigere Lösung.

Rasch wurde an dem Entscheid Kritik laut, und die Initiative «Retten wir die Maag-Hallen» sammelte 10'000 Unterschriften gegen das Vorhaben, die sie dem Stadt- und Gemeinderat übergab. Zu den Unterzeichnenden gehörten Politiker*innen aus dem linken Spektrum genauso wie von der SVP. Doch umstimmen konnte das die Swiss Prime Site nicht, schliesslich hatte sie sich aus gutem Grund für den Abriss entschieden: So ist keine Änderung des rund 20 Jahre alten Sondernutzungsplans vonnöten. Diese würde viel Zeit beanspruchen und könnte zu grösseren, ja unkalkulierbaren Verzögerungen führen. Und möglicherweise würde die Anpassung an Auflagen etwa zur Schaffung von gemeinnützigem Wohnraum geknüpft werden. Das ist nicht unbedingt im Interesse der Immobiliengesellschaft. Diese blieb denn auch standhaft, bemühte sich zugleich aber, kommunikativ in die Offensive zu gehen. Doch die Aufschaltung einer eigenen Website mit Informationen zum Projekt, die dessen Vorzüge wie Hitzeminderung, neuen Wohnraum, mehr Aufenthaltsqualität und das Freispielen des Gebäudes K in den Fokus rückt, konnte die Wogen nicht glätten. 

Foto: Mara Truog © Zürcher Heimatschutz ZVH

Nun hat die Auseinandersetzung eine interessante Wendung genommen: Der Stadtzürcher Heimatschutz und die Stiftung Hamasil, die sich für Nachhaltigkeit einsetzt, haben Rekurs gegen die Baubewilligung eingelegt, die die Stadt Zürich kürzlich erteilt hat. Das wurde am Dienstag bekannt. Und wie ein Blick auf die Argumente der Gegner*innen zeigt, stehen ihre Chancen durchaus gut, den Abbruch tatsächlich noch zu verhindern.

Wieso? Zunächst argumentiert der Heimatschutz mit der identitätsstiftenden Kulturnutzung der Maag-Hallen. Zudem würden die Bauten zusammen mit den Anlagen aus den 1930er- und 1940er-Jahren ein baugeschichtlich wertvolles Ensemble aus verschiedenen Epochen bilden. Die einstige Zahnradfabrik sei ein wichtiger Zeuge der industriellen Vergangenheit Zürichs. In einer Medienmitteilung formuliert der Heimatschutz: «Die Industriehallen erinnern an den Pioniergeist von Max Maag zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Entwicklung der Firmengruppe Maag zu einem weltweit tätigen Unternehmen. […] Die bauliche Entwicklung entlang der Zahnradstrasse mit dem Werkstatt- und Speditionsgebäude, der Härterei und der Montagehalle samt Büroturm ist für Zürich in derart kompakter Weise einzigartig und von grosser, architektonischer, industrie- und wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung.» Das mag bereits überzeugen, doch der schärfste Trumpf ist ein anderer: Das Maag-Gelände ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) verzeichnet, und zwar mit dem strengsten Erhaltungsziel «A». Der Abriss ist demnach nahezu unmöglich.

Grundsätzlich können die ISOS-Erhaltungsziele übersteuert werden, wenn eine umfassende Interessenabwägung dies nahelegt. Doch in der Vergangenheit war in Zürich bereits zu beobachten, dass dies in der Praxis kompliziert ist. So wurde der Abbruch der Siedlung Friesenberg zunächst vom zuständigen Verwaltungsgericht und in der Folge auch vom Bundesgericht untersagt.

Welches Kalkül aber könnte hinter dem Rekurs stecken? Möglicherweise hoffen die Gegner*innen des Neubauprojekts, die Swiss Prime Site abschrecken und zum Einlenken zwingen zu können: Unter dem Eindruck einer heraufziehenden juristischen Auseinandersetzung, bei der sie womöglich die schwächeren Argumente hätte, würde die Immobiliengesellschaft vielleicht auf den Entwurf von Lacaton & Vassal umschwenken und die mühsame Änderung des Sondernutzungsplans lieber in Kauf nehmen. Wie dem auch sei, gewiss ist, dass der Ausgang des Tauziehens um die Zukunft der Maag-Hallen mit dem Einspruch offen bleibt.

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