Wohnen

«Neues Wohnen» Neuwiesen

häberli heinzer steiger
3. ottobre 2018
Blick vom Kesselhausplatz. Bild: Michael Haug

Nutzung Wohnen (Umnutzung von Büroräumen in Wohnungen)
Ort Gertrudstrasse 5, 8400, Winterthur, ZH
Auftragsart Varianzverfahren
Bauherrschaft SISKA Heuberger Holding AG, Winterthur ZH
Architektur häberli heinzer steiger Architekten, Winterthur ZH, Stefan Heinzer, Mathias Steiger
Bauleitung PRO.architektur, Wiesendangen ZH
Jahr der Fertigstellung 2018
Gebäudevolumen 27'000 m³ (SIA 416)
Energiestandard Minergie-Zertifizierung
Fotos Michael Haug Architekturfotografie, Winterthur ZH

Geschosswohnung mit Loggia. Bild: Michael Haug

Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?  
Besonders ist tatsächlich fast alles am Projekt «Neues Wohnen» Neuwiesen. Da ist zum einen die Aufgabe an sich, die Transformation eines Bürogebäudes an prominenter Lage beim Bahnhof Winterthur in Mietwohnungen. Auch die Lage der Wohnungen über einem Einkaufszentrum ist nicht alltäglich. Die für eine Wohnnutzung nicht ideale Anzahl und die Lage der peripher gelegenen Treppenhäuser war gegeben und konnte auch nicht durch ein zusätzliches ergänzt werden. Die spezielle Tragkonstruktion des Gebäudes mit aussenliegenden Stützen und statischen Brüstungen, die bestehend bleibende Metallfassade des mehrfach abgewinkelten Gebäudes, die erhöhten Brandschutzanforderungen und die Lärmsituation an der meistbefahrenen Strasse von Winterthur waren weitere wichtige Einflussfaktoren auf das Projekt. Und quer durch das Gebäude, im zweiten Untergeschoss, fliesst zudem auch noch die Eulach.
 
Der Gebäudekomplex Neuwiesen wurde Ende der 1970er-Jahre erstellt; eine heterogene Einheit mit unterschiedlichen Gebäudeteilen, Fassaden und Nutzungen. Einkaufszentrum, Büronutzungen, Restaurants und Wohnungen mit zugehörigen Dach- und Aussenflächen sind funktional miteinander verschmolzen. Durch den Auszug des grössten Büromieters wurden die Wohnungen im Turmgebäude frei und konnten in unkonventionelle, grosszügige Wohnungen umgenutzt und mit einem neuen Dachgeschoss erweitert werden. Es handelt sich um einen sanften Strukturwandel, der den Rückbau «bis auf die bleichen Knochen runter» – also bis auf die Beton-Tragstruktur und aussenliegenden Stützen – zur Folge hatte. Struktur und Raster des Bürobaus gaben dabei die Raumgliederung vor.
 
Zwei neu eingeführte, durchgehende Korridore im 5. und 8. Geschoss ermöglichten die Erschliessung der Wohnungen in der Gebäudemitte und dadurch sowohl Maisonette- wie auch zweiseitig orientierte, durchgehende Wohnflächen. Die eigentliche Raumlandschaft der 37 Wohnungen zeichnet sich durch ineinander gehende, offene Wohn- und Essbereiche aus. Infolge der nicht für eine Wohnnutzung ausgelegten Tragstruktur des Gebäudes war jede Änderung im statischen System, jeder Durchbruch, eine Herausforderung. Und die notwendigen Wohnungs- und Zimmertrennwände, sowie die neuen Bodenaufbauten mussten in Leichtbauweise ausgeführt werden.
 
Speziell sind auch die Umgebungsflächen der Wohnungen. Die gemeinsamen Spiel- und Aufenthaltsflächen befinden sich im Innenhof des 4. und 5. Obergeschosses, auf dem Dach des Einkaufszentrums und der Büroflächen. Diese, als geschwungene Hügellandschaft ausgebildete Zwischenwelt bildet so einen fröhlichen, grünen Kontrast zu den harten, kantigen Oberflächen der umgebenden Gebäudeteile.

Attika-Wohnung. Bild: Michael Haug
Maisonette-Wohnung. Bild: Michael Haug

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde? 
Mehr als Inspiration könnte man als Grundhaltung das konsequente Weiterdenken des Bestandes in eine Wohnnutzung bezeichnen. Zu lösen war die Frage, welche der wenigen möglichen Eingriffe das Bürohaus zu einem Wohngebäude werden lässt, ohne den bereits schon recht heterogenen Gebäudekomplex noch weiter zu strapazieren. Die neuen Elemente der Fassade wurden aus dem Bestand weiterentwickelt und zu einer einheitlichen Gesamtansicht geformt. Neue, als «Module» in den Raum gestellte Loggien brechen die glatte Fassadenstruktur und das Gebäude auf und lassen die Stadt in die Wohnung hinein.
 
Auch der als Holzelementbau erstellte neue Dachaufbau wurde in der vorhandenen Sprache des Bestandes entwickelt. Er stärkt das Volumen und bildet den neuen Abschluss nach oben, formuliert eine städtebauliche «Erkersituation» und vergrösserte die Präsenz des Wohnturms am Platz.

Attika-Terrasse. Bild: Michael Haug

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt? 
Das Gebäude ist Teil des sich stark in Veränderung befindenden Gebiets zwischen dem Bahnhof Winterthur und dem Sulzer-Areal. Durch das Projekt der Gleisquerung wurde hier ein neuer, offener Platz geschaffen, welcher die Nutzung des Gebäudes als Wohnhaus nochmals attraktiver werden liess. Bis weit in die 1970er-Jahre war das Areal ein – zum Teil nicht öffentlich zugängliches – Industriequartier. Nach dem weitgehenden Rückzug der Industrie wurde die Chance ergriffen, das Gebiet einer nachhaltigen Transformation in ein lebendiges Quartier mit vorwiegend Dienstleistungs- und Wohnnutzungen zu unterziehen. Der «Neuwiesen»-Komplex mit seinem Einkaufszentrum und dem Büroturm stand dabei für die erste Transformation, als Erweiterung oder Antipode zur Altstadt. Als Zeichen einer dritten Transformation wurden nun zu wenig gefragte Büroräumlichkeiten in Wohnungen umgenutzt.

Treppenhaus. Bild: Michael Haug

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein? 
Das Gebäude ist für unser Büro das erste grössere ausgeführte Projekt dieser Art. Im etwas kleineren Massstab sind die entsprechenden Fragestellungen und Themen aber schon immer Teil unseres Schaffens. Umnutzungen, An-, Um- und Aufbauten und der Umgang mit dem Bestand sind seit jeher ein Hauptbestandteil unserer Projekte. Das Thema «Verdichtung und Transformation der gebauten Stadt» hat unser Wirken in der einen oder anderen Form immer begleitet, zum Teil bei unseren theoretischen Arbeiten und Ideenwettbewerben, zum Teil aber auch ganz konkret, seien dies Umnutzungen leerstehender Bauernhäuser oder Ersatzneubauten.
 
Im selben Gebäude-Komplex, in dem sich das «Neue Wohnen» befindet, konnten wir ausserdem bereits diverse Neuausbauten von Büroflächen ausführen, u.a. für den neuen Hauptsitz der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich.

Situation
Grundrisse 5. und 6. Obergeschoss
Schnittperspektive

Progetto in primo piano

MMJS Jauch-Stolz Architekten AG

Wohnbau Giselihalde

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