Das Besondere wagen
Züst Gübeli Gambetti
22. dicembre 2022
Hinter vermeintlich konventionellen Backsteinmauern verbergen sich neun unterschiedlich ausgestaltete Mietwohnungen. (Foto: Roger Frei)
Am Zürcher Käferberg haben Züst Gübeli Gambetti einen Ersatzneubau realisiert. Michel Gübeli erklärt, wie die Mietwohnungen mit Nischen, Einbaumöbeln, Sitzgelegenheiten und Truhen gestaltet wurden.
Herr Gübeli, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Eigentlich handelt es sich um einen simplen Wohnungsbau – aber das Haus verfügt über neun unterschiedliche Mietwohnungen. Der Bau reagiert situativ auf äussere Einflüsse, was sich innen in einer besonderen Vielfalt widerspiegelt.
Im Untergeschoss war wegen der Hanglage nur eine einseitige Orientierung möglich. Um die Räume aufzuwerten, haben wir ihnen durch eine tiefergelegte «Wanne» mehr Höhe gegeben. Die Wohnungen im Erdgeschoss sind klassisch in Wohn- und Schlaftrakt unterteilt, jene darüber verfügen aufgrund des Lärms der nahen Strasse über ein teils seriengeschaltetes Raumkontinuum. Ebenso gibt es zwei Maisonettes, in denen unten geschlafen und oben gewohnt wird, sowie zwei spezielle Attika-Wohnungen mit grossen Terrassen. Zudem sind wir beim Innenausbau ein gewisses Wagnis eingegangen, denn dieser entspricht eher Eigentumsstandard.
Weil im Untergeschoss aufgrund der Topografie nur eine einseitige Orientierung möglich war, mussten die Räume anderweitig aufgewertet werden. Sie bieten eine grössere Raumhöhe und präzise gearbeitete Schreinereinbauten. Truhen und Sitzgelegenheiten skizzieren eine Möblierung. (Foto: Roger Frei)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?
Zuerst einmal gibt es einen ziemlich prosaischen Hintergrund: das Baurecht. Das Haus folgt der Baulinie, wir strebten eine maximale Ausnutzung an. Ebenso stand der Erhalt des prächtigen Baumes auf dem Grundstück im Vordergrund.
Mit seiner unregelmässigen Grundrissform rückt der Bau von der Strasse zurück, entzieht sich dem Blick und macht sich dadurch kleiner, als er in Wirklichkeit ist. Als Referenz für die dunkle Farbgebung dienten der benachbarte Genossenschaftsriegel und die Färbung der erwähnten Rotbuche.
Neben dem Ziel, die baurechtlichen Gegebenheiten auszureizen, spielte eine alte Rotbuche auf dem Grundstück eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung. (Foto: Roger Frei)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Die Topografie und die Lage der Strasse sowie die damit einhergehende Lärmthematik waren von Einfluss. Das Untergeschoss ist ins Erdreich eingegraben. Das Erdgeschoss ist vom Lärmproblem ebenfalls nicht betroffen, da die Strasse höher liegt. Doch in den Obergeschossen bestand sehr wohl eines. So hat die unterschiedliche Anlage und Geometrie der Grundrisse überraschende Raumwirkungen in jeder Wohnung zur Folge. Und natürlich war auch die Aussicht ein Thema: Erker und Loggien rahmen mit ihren tiefen Laibungen den Blick auf die Stadt effektvoll.
Überraschende Raumwirkungen und Inszenierungen der Aussicht sorgen trotz punktueller Lärmproblematik für Offenheit. (Foto: Roger Frei)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?
Sehr, denn die private Bauherrschaft war unkompliziert, begeisterungsfähig und offen. Als Ästheten und Inhaber eines Familienunternehmens hatten sie den Mut und die Investitionsbereitschaft, gewohnte Pfade zu verlassen und auf Dauerhaftigkeit zu setzen: Die Oberflächen durften ästhetisch robust sein – auch gegenüber jeder Form der Bespielung durch die Mieter*innen. Die Untersichten der Decken zeigen den rohen Beton, ihnen sollten wir mittels Lasuranstrich sogar noch einen Goldschimmer verpassen. Überhaupt wird die Härte durch die feinen Details sowie das Holz der möbelartigen Einbauten, Schiebetüren und gerahmten Fensterbilder gezähmt.
Die Bauherrschaft bewies Offenheit und Mut. Die Rohheit der Betonelemente wurde durch feine Details kontrastiert, die Decken erhielten eine Goldlasur. (Foto: Roger Frei)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?
Wir haben – salopp formuliert – den Beweis angetreten, dass man Mietwohnungen auch anders gestalten kann; nicht immer müssen sie dem Standard entsprechen. Wohnungsbau gehört zu unseren Kernkompetenzen. Wir würden gerne auch noch mehr zeigen, dass Investorenarchitektur ansprechend und werthaltig sein kann.
Was von aussen wie ein konventioneller Backsteinbau aussieht, offenbart im Inneren überraschenden Reichtum. Es ist uns wichtig, die Idee eines Hauses auch innen erfahrbar zu machen; im vorliegenden Fall verstanden als Raumabfolge, welche die Welt von Strasse und Stadt verbindet, und auch als Angebot, sich die Räume anzueignen. Deckenhohe Schiebetüren, plastische Nischen und Raummöbel betten die Bewohner*innen in ein «Futteral» an Optionen.
Mietwohnungen müssen nicht dem Standard entsprechen. Gerne würden Züst Gübeli Gambetti noch öfter zeigen, dass Investorenarchitektur auch ansprechend und werthaltig sein kann. (Foto: Roger Frei)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Wir folgen keinen «Tendenzen», sondern setzen auf ein solides Handwerk. Die Basis dafür liegt in unseren eigenen Erfahrungen und Grundsätzen, auf die wir kontinuierlich aufbauen. Für unsere Projekte bedeutet dies eine wirtschaftliche Ausnutzung des Potenzials, eine geschickte Platzierung und eine gute Integration in den Kontext sowie eine saubere Planung.
Das Haus ist ein Bau, der erst auf den zweiten Blick auffällt, im Inneren aber umso mehr zu überraschen vermag. (Foto: Roger Frei)
Schwarzplan
Grundriss Untergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Attikageschoss
Querschnitt
Ersatzneubau Weihersteig
Standort
8037 Zürich
Nutzung
Mietwohnen
Auftragsart
Potenzialstudie, Ersatzneubau
Bauherrschaft
Peter und Thomas Rosenberger
Architektur
Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau AG, Zürich
Gonçalo Magalhães, Dirk Tausend, Günter Retelstorf und Flavio Moro
Fachplaner
Baumanagement: Caretta + Gitz AG
Landschaft: NOA Landschaftsarchitektur
Statik: Marti + Dietschweiler AG
HLKS: Frei + Partner GmbH
Elektro: Gutknecht Elektroplanung AG
Bauphysik: Michael Wichser + Partner AG
Fertigstellung
2021
Gebäudevolumen
5780 m3
Fotos
Roger Frei, Zürich