Globusprovisorium: Veränderung heisst Zukunft
Manuel Pestalozzi, Elias Baumgarten
22. novembre 2022
Dass das sanierungsbedürftige Globusprovisorium integral erhalten wird, ist nach dem Dialogverfahren «Forum Papierwerd» unwahrscheinlich. Stattdessen befürworteten viele Teilnehmende aber eine Umgestaltung des Bestands. So könnte der Charakter des Provisorischen erhalten bleiben. (Foto © Amt für Städtebau)
Am 21. November endete in Zürich das Dialogverfahren «Forum Papierwerd». Die Debatte um die Zukunft des Globusprovisoriums ist konstruktiver geworden. Der Bestandsbau könnte zur Basis für die Neugestaltung der Anlage werden.
Nur eine Übergangslösung für wenige Jahre sollte es sein: 1961 wurde das Globusprovisorium auf dem Zürcher Papierwerd-Areal gebaut. Doch der Bau des Architekten Karl Egender (1897–1969) ist geblieben – und polarisiert: Für die einen ist das Bauwerk zwischen Hauptbahnhof und Niederdorf einfach ein Schandfleck, andere sehen in ihm ein wertvolles Baudenkmal. Gewiss ist, dass das Globusprovisorium, heute als Coop-Filiale genutzt, dringend saniert werden muss. Damit verbindet sich die heikle Frage, wie das Areal im Stadtzentrum, das bis in die 1950er-Jahre eine Insel in der Limmat war, künftighin genutzt werden soll. Sie sorgte in Zürich zuletzt immer wieder für Streit. 2018 beantragte der Stadtrat vom Parlament für die Neugestaltung und die Erarbeitung eines Nutzungskonzepts einen Projektierungskredit in Höhe von 4,1 Millionen Franken. Dabei wurden bereits Visualisierungen präsentiert, die eine Parkzone mit unterirdischer Coop-Filiale zeigten. Viele fühlten sich überfahren. Auch bot der Vorschlag viel Anlass für Kritik. Schliesslich wies der Gemeinderat den Antrag zurück. Dem Stadtrat erteilte er die Hausaufgabe, einen «umfassenden Bericht mit einer Auslegeordnung über die möglichen und gewünschten Nutzungsvarianten» zu erarbeiten.
Das Papierwerd-Areal war bis in die 1950er-Jahre eine Insel in der Limmat. Als dort anfangs der 1960er-Jahre das Globusprovisorium gebaut wurde, war dieses für einen Lebenszyklus von wenigen Jahren gedacht. Heute ist das Bauwerk über 60 Jahre alt. (Foto © Baugeschichtliches Archiv)
Diese historische Ballonaufnahme von Spelterini zeigt die Bahnhofbrücke im Jahr 1910. Das Papierwerd-Areal ist als Insel zu erkennen. (Foto © Baugeschichtliches Archiv)
Transformation statt integralem ErhaltSeither läuft ein langsamer Entscheidungsprozess. Weil die Öffentlichkeit an diesem beteiligt werden soll, fand in diesem Jahr das Dialogverfahren «Forum Papierwerd» statt, das gerade zu Ende ging. Zu ihm gehörten insgesamt fünf Veranstaltungen. Am 7. Mai beziehungsweise 18. Juni fanden zwei ganztägige Workshops statt. 60 Personen beteiligten sich insgesamt, darunter verschiedene Expert*innen, aber auch etwa Vertreter*innen aus der Politik, von Vereinen und Verbänden sowie aus der Verwaltung und Menschen aus der Nachbarschaft. Im Groben wurde über Erhalt oder Abriss des Globusprovisoriums diskutiert, über die Schaffung eines Freiraums und über die Kombination verschiedener Massnahmen.
Doch was sind die wichtigsten Ergebnisse des Forums? Im Abschlussbericht wurde gemeinsam festgehalten, dass ein integraler Erhalt des Globusprovisoriums nicht sinnvoll sei. Stattdessen wird die Idee bevorzugt, das Bestandsgebäude umzugestalten und neu zu interpretieren. Eine substanzielle Veränderung müsse möglich sein. Aber auch ein Neubau wurde nicht verworfen. Geprüft werden soll, ob ein Um- oder Neubau höher aufragen könnte als die heutige Bebauung. Viel Anklang fand die Idee, eine zugängliche Dachfläche zu schaffen.
In der Zukunft soll das Papierwerd-Areal ein Stadtraum für alle sein, der sich vielfältig nutzen lässt – auch nichtkommerziell. Es wäre dann tatsächlich ein wichtiges Bindeglied zwischen Bürkliplatz und Platzspitz. Die Arbeit am Bestandsbau könnte den Charakter des Provisoriums bewahren. Viele Teilnehmer*innen wünschen sich darüber hinaus einen parkähnlichen Raum am Wasser mit nichtversiegelten Flächen und Bäumen. Die Anlage soll modular aufgebaut sein und ihre Nutzung sorgfältig kuratiert. Insgesamt wurden elf zentrale Aussagen zur Entwicklung des Quartiers erarbeitet.
Das Papierwerd-Areal soll ein Stadtraum für alle werden. Vielfach gewünscht wurde im Dialogverfahren eine parkähnliche Anlage am Wasser. (Foto © Amt für Städtebau)
Nächste Schritte«Mit dem breit abgestützten Dialogverfahren ‹Forum Papierwerd› ist uns ein guter Einstieg in die weitere Entwicklung des Papierwerd-Areals gelungen», freute sich Stadtrat André Odermatt, Vorsteher des Hochbauamtes, an der Schlussveranstaltung. «Jetzt geht es darum, die Stossrichtung für die folgenden Schritte zu bestimmen.»
Wie geht es also weiter? Die Ergebnisse des Dialogverfahrens sollen eine Grundlage für die Interessenabwägung im Stadtrat werden. Dieser wird dann die nächsten Schritte anstossen, die weiterhin möglichst transparent erfolgen sollen, um neuen Zwist zu vermeiden. Die Entwicklung des Papierwerd-Areals muss in der Zukunft zum Beispiel in den Masterplan «HB / Central 2050» eingebunden werden. Bei diesem handelt es sich um ein Zukunftsbild für die verkehrliche und stadträumliche Entwicklung des Gebiets südostwärts des Hauptbahnhofs. Es gibt also noch viel zu reden. Doch es scheint sich eine konstruktive Debatte zu entwickeln.