Fehlende Kunst für den Campus der Künste
Karin Frei Rappenecker
23. October 2014
Belle de Jour, Kilian Rüthemann, 2014, Projekt für Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) Basel. Nicht realisiert
Heute wird der neue Campus der Künste in Basel offiziell eröffnet. Die obligate Kunst für die Architektur suchte man aber sowohl an den Umbauten, wie am Hochhausneubau vergebens.
Ein Kunst-und-Bau-Wettbewerb wurde für den neuen Campus der Künste in Basel zwar durchgeführt, aus dem auch das Siegerprojekt «Belle de Jour» des Basler Künstlers Kilian Rüthemann hervorging. Die Realisation der projektierten Arbeit nahm aber eine unerwartete Wende.
Jedoch der Reihe nach: Für den Aussenraum im Umfeld der Hochschule wurde eine künstlerische Intervention gesucht‚ die das Areal als Ort der Kunst kennzeichnet und als «Landmark» in Erscheinung treten sollte. Künstlerisch dazu beizutragen, dass der Campus von aussen als Wiege der Kunstproduktion identifiziert werden kann, ist eine herausfordernde Aufgabe. Dabei nicht mit der Hochschul-intern entstehenden Kunst in Konflikt zu treten, eine noch kniffligere. Die Lösung, die Rüthemann vorgeschlagen hat, ist so simpel wie intelligent und konsequent: Der Künstler verzichtet mit seinem Projekt auf jegliche materielle und bleibende Präsenz und wollte ein weit sichtbares Zeichen setzen, das sich buchstäblich in Luft auflöst. Immer mittags um 12 Uhr sollte vom Dach des Hochhausneubaus von Morger Dettli eine Rakete gezündet werden, die auf ihrem 60m-langen Weg in den Himmel eine vertikale Rauchskulptur gebildet hätte. Je nach Wetter kompakter oder verwehter in der Gestalt, sich langsamer oder schneller verflüchtigend. Die Laufzeit des Projekts hätte sich über die Kosten eines Abschusses errechnet und wäre so oft wiederholt worden, bis das Budget aufgebraucht gewesen wäre – im vorliegenden Fall wären dies rund zehn Jahre gewesen. Hätte, wäre... das Projekt wurde nicht realisiert. Was ist geschehen?
Dem Jurybericht ist zu entnehmen, dass für die Nichtrealisierung von «Belle de Jour» Kriegsassoziationen ausschlaggebend waren. Eine Kritik die von der HGK eingebracht wurde, weil Assoziationen dieser Art «nicht mit dem Selbstverständnis der Hochschule in Einklang zu bringen» seien. Diese Begründung macht einen staunen, sie war auch für die Mehrheit der Jury, die das Projekt zur Ausführung empfohlen hatte, nicht nachvollziehbar. Vielmehr gleicht «Belle de Jour» eher einem täglich sich wiederholenden Mantra – dem geistigen Instrument zur Erreichung eines meditativen Zustands. Auf dem Dach einer Kunsthochschule eher lesbar als Instrument zur Inspiration. Oder weniger spirituell formuliert: die weisse Rauchsäule hätte den Studierenden täglich Anlass geben können, sich mit den Bedingungen und Qualitäten von Skulptur zu befassen, sie zu reflektieren und neu zu denken. Sie hätte auch eine täglich wiederkehrende Einladung für die Menschen im weiteren Umkreis sein können, die Veränderbarkeit von vermeintlich gleich Bleibendem zu entdecken.
Mit «Belle de Jour» hätte Rüthemann eine immaterielle «Landmark» geschaffen und damit an eine Kunsttradition der 60er-Jahre angeknüpft, die temporäre, flüchtige, entmaterialisierte Kunst hervorbrachte, um sich der Vereinnahmung durch den Kunstmarkt zu entziehen. Ein Thema, das heute, im Zeitalter des Stadt-und Eventmarketings durch Kunst mehr denn je Bestandteil jeder künstlerischen Ausbildung sein muss.
Die Nichtrealisierung von «Belle de Jour» ist eine verpasste Gelegenheit für die HGK Basel, ihren Anspruch, «grossen Wert auf verantwortungsvolles und zukunftgerichtetes Handeln» zu legen, nach aussen zu tragen.
Rauchsäulentest Dreispitz.
Belle de Jour, Kilian Rüthemann, 2014
Projekt für Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) Basel. Nicht realisiert
Architektur: Morger + Dettli Architekten
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