Sport und Fun nach Volkes Willen
Manuel Pestalozzi
28. September 2017
Die Dachkante des neuen Hallenkomplexes verschattet und mildert zum Freigelände hin die Wucht des voluminösen Neubaus, der am tiefsten Punkt des ansteigenden Areals steht. Bilder: Manuel Pestalozzi
Die Stadt Zürich hat das Sportzentrum Heuried saniert und ausgebaut. Die Bevölkerung kann sich ab sofort während 11 Monaten im Jahr aufs Glatteis führen lassen – und im Sommer baden gehen.
Von 222‘311 Stimmberechtigten legten am 28. September 2014 69‘215 ein Ja, 19‘302 ein Nein in die Urne. Der Objektkredit von 81,359 Millionen Franken für das Update der Sportanlage an der Flanke des Uetlibergs konnte definitiv gesprochen werden. Das siegreiche Wettbewerbsprojekt von EM2N Architekten AG, BBP Ingenieurbüro AG und Balliana Schubert Landschaftsarchitekten AG ist mittlerweile umgesetzt. Am 30. September 2017 wird das neue Sportzentrum Heuried mit einem Eröffnungsfest der Bevölkerung übergeben. Doch schon jetzt ziehen in der neuen Halle die Eisprinzessinen ihre kunstvollen Bahnen, wie sich am Presserundgang vom 16. September zeigte.
Die Anlage liegt in einer einstigen Lehmgrube am Südwestrand der Stadt, zwischen der Birmensdorferstrasse und dem Trassee der Uetlibergbahn. Das 1964 erbaute Sport- und Freizeitzentrum mit einem Gemeinschaftzenrum (GZ), das ausserhalb des aktuellen Projektperimeters liegt, offerierte der Bevölkerung der meist noch jüngeren Quartiere des Stadtteils eine neuartige Kombination von Erholungsangeboten. Geplant hatten es die Architekten Hans Litz und Fritz Schwarz, Sichtbeton bildete der gemeinsame Nenner des gut durchgrünten Ensembles.
Die Ergänzung und Überholung reiht sich in Stil und Vorgehen ein in die Serie von Aktualisierungen, welche bestehende Sportanlagen im Besitze der Stadt in den letzten Jahren und Jahrzehnten erfahren durften. Sie reagiert auf die wachsende Zahl potenzieller Besucherinnen und Besuchern, zudem bemüht man sich, den gestiegenen Ansprüchen gerecht zu werden. So stand offenbar schon länger die Forderung der Eisssportlerinnen und -sportler im Raum, das ganze Jahr über trainieren zu können. Bisher wurden die Talente zu diesem Zweck, wie am Presserundgang zu hören war, kreuz und durchs Land gekarrt.
An der Wasserschöpfistrasse befindet sich unter dem weit vorkragenden Dach der «feierliche» Eingang zur Anlage.
Wasser, Eis und Holz
Der Schwerpunkt des erneuerten Sportzentrums ist der Multifunktionskomplex mit der Eissporthalle in der Nordecke der Anlage. Sie liegt am tiefsten Punkt des Grundstücks und umfasst auch die sanierte Tiefgarage der an diesem Ort ansonsten entfernten Vorgängerarchitektur. Es handelt sich um ein im Grundriss rechteckiges Volumen, das von einem milde expressiven, allseits überstehenden sechseckigen, Dach aus flach geneigten Ebenen gedeckt ist. Zur Liegefläche im Süden ragt das Dach KKL-mässig vor und schafft gedeckte Aussenbereiche. Eine asphaltierte Vorzone und eine Rampe führen von der Wasserschöfpistrasse her an der Südostecke vorbei unter dieses Dach. Gemäss Architekt Daniel Niggli wollte man hier an die Tradition des «feierlichen Empfangs» Zürcher Freibäder der Moderne anknüpfen. Der Weg führt entlang der mit lasierten Holzplanken verkleideten Fassade zur Kasse, wo sich die Wege zum Wasser und zur Eisfläche trennen.
Im Freigelände blieben die Becken weitgehend unangetastet, auch die Randbepflanzung in den Randböschungen im Südwesten blieb die alte. Die Liegewiese wurde aber neu begrünt und bietet, Licht, Schatten und verschiedene Aufenthaltsbereiche. Neue Merkmale sind wegbegleitende Sitzmäuerchen aus Stampfbeton. Nach Norden ist das Freigelände begrenzt durch eine Galerie aus Sichtbeton. Sie bildet unter dem erwähnten Vordach eine Restaurantzone und geht dann über in ein Sonnendeck, das die Liegewiese von den beiden alten Eisfeldern trennt. Am Ende der Galerie befindet sich eine zum Beckenbereich abfallende Spiellandschaft, in der sich Kinder auf drei Ebenen mit dem herabfliessenden Wasser beschäftigen können, indem sie es beispielsweise stauen oder mit Schiebern umleiten können.
Galerie zwischen der Liegewiese und den alten Ausseneisfeldern.
Die eigentliche Eissporthalle wird über ein zentrales Treppenhaus erschlossen. Das Oberlicht veredelte man mit einer Installation des Künstlerduos weidemann/mettler: Mundgeblasenes farbiges Glas und eine Einfassung aus Spiegeln sorgen für ein Lichtspiel, das je nach Tageszeit und Wetterlage auf die Wände projiziert wird. Verleimte Vollholzträger überspannen auf rund 35 Metern die 3600 Quadratmeter grosse Eisfläche. Der Einsatz von Holz in der Stadt hat auch bei diesem Projekt zu einem überzeugenden Resultat geführt. Anlässlich des Presserundgangs empfing Wiebke Rösler Häfliger, Direktorin Amt für Hochbauten, aus den Händen des Holzbauingenieurs Pirmin Jung die Plakette «Herkunftszeichen Schweizer Holz» von Lignum Holzwirtschaft Schweiz: 89 Prozent des hier zum Einsatz gekommenen nachwachsenden Baumaterials stammt aus heimischen Wäldern.
Die funktional wirkende, von Vollholzträgen überspannte Eissporthalle ist mit einer Tribüne ausgestattet und steht während 11 Monaten zur Verfügung.
Kunsteis für die 2000-Watt-Gesellschaft
Der Wille des Volkes verlangt nicht nur nach 11 Monaten Eisfläche jährlich, er fordert für die Stadt Zürich auch ein Energiemanagement nach den Vorgaben der 2000-Watt-Gesellschaft. Diesem etwas widersprüchlichen Anspruchs-Cocktail wurde in all seinen Aspekten gebührend Aufmerksamkeit geschenkt. Stolz präsentierte am Presserundgang Benjamin Bührer von Leplan AG die umgesetzte Lösung. Der grosse Verbraucher ist die Kälteanlage, welche der Halle und während fünf Monaten zusätzlich einer der beiden alten Aussenanlagen zu ihrem Eis verhelfen muss. Sie wird nicht wie üblich mit Ammoniak sondern mit CO2 betrieben. Die Abwärme nutzt man zum Heizen – nicht nur in der Anlage selbst sondern auch im angrenzenden, denkmalgeschützten Sichtbeton-GZ. Das Dach wurde mit 1327 Photovoltaik-Modulen bestückt. Sie decken rund 20 Prozent des Energiebedarfs des Sportzentrums.
Der Architektur der Erweiterung gelingt es recht gut, die neuen Ansprüche im Sinne der deklarierten Absichten in die Tradition Zürcher Freizeitanlagen einzugliedern. So wirkt die Halle zur Liegewiese hin tatsächlich wie ein grosser, doch bescheidener Pavillon, der sich am Bad Allenmoos, dem Letzigraben oder dem Strandbad Tiefenbrunnen ein Beispiel nimmt. Die Wucht des Vordachs wird durch eine Abfolge von Öffnungen und eine mit Lärchenholz verkleideten Untersicht gebrochen und «heimelig» gemacht. Dennoch behält die Eissporthalle ihren monumentalen Charakter. Die elegante Treppenanlage, die vom Haupteingang auf die Galerie führt ist eine monolithische, schwer wirkende Betonskulptur. Auch die Galerie, die sich der Liegewiese entlangzieht, zeigt eine Gravitas, die mit der Verspieltheit der Vorbilder aus der Mitte des 20. Jahrhunderts wenig gemeinsam hat. So fragt man sich, ob etwas mehr Holz und etwas weniger Beton in diesem Fall nicht angemessener gewesen wäre.