Im Alter nimmt die Wohnkompetenz ab
Jenny Keller
3. April 2017
Bild: commons.wikimedia.org
Der Mangel im ländlichen Raum bestehe bei Wohnungen für kleinere Haushalte, denn künftig werden mehr alleinstehende ältere Personen auf Wohnungssuche sein. Was das für aktuelle Bauaufgaben bedeutet?
Unter Joëlle Zimmerli wurde an der Hochschule Luzern-Wirtschat am Institut für Finanzdienstleistungen (IFZ) die Studie «Demografie und Wohnungswirtschaft. Pensionierte auf dem Wohnungsmarkt» herausgegeben. Die Studie hat – nach 2016 zum zweiten Mal – untersucht, wie ältere Personen als Zielgruppe besser in den Wohnungsmarkt integriert werden können. Der Fokus der Untersuchung liegt auf dem Thema «Bezahlbares Wohnen im Alter». «Pensionierte sind sehr preissensibel in Bezug auf die fixen Wohnkosten, weil sie davon ausgehen, langfristig weniger Geld zur Verfügung zu haben», sagt Soziologin und Studienleiterin Joëlle Zimmerli. Aufgrund der individuelleren Lebensstile der Babyboomer (man lässt sich scheiden, wenn die Kinder aus dem Haus sind) werden zudem künftig mehr ältere alleinstehende Personen auf Wohnungssuche sein. Dies hat zur Folge, dass es ausreichend Wohnungen braucht, die alleinstehende Personen mit ihrer Altersvorsorge finanzieren können. Die Befragung der Hochschule Luzern zeigt aber, dass viele Anbieter nach wie vor der Meinung sind, es brauche just im ländlichen Raum in Zukunft schwerpunktmässig Wohnungen für Familien. «Das ist der falsche Weg. Der Mangel besteht bei Wohnungen für kleinere Haushalte», sagt Zimmerli.
Die Studie zeigt ausserdem, dass die Akteure auf dem Wohnungsmarkt sich bewusst sind, dass aufgrund der demografischen Entwicklung künftig eher erschwingliche Wohnungen gefragt sind. Nicht nur Genossenschaften, auch Liegenschaftsverwaltungen und Entwickler erkennen darin Geschäftsfelder. Die Erwartungen an gute Rahmenbedingungen für preisgünstigen Wohnungsbau unterscheiden sich aber: Genossenschaften und öffentliche Hand glauben an Subventionen und Förderprogramme. Privatwirtschaftliche Eigentümerinnen und Entwickler setzen auf höhere Ausnützung, einfachere Baubewilligungsprozesse und weniger Auflagen.
Und schliesslich stellt die Studie fest, dass die Vermieter zwischen zwei zwei Altersgruppen im Pensionsalter differenzieren. Die «jungen Alten» (65 bis 74 Jahre) werden als aktiv, selbstbewusst und anspruchsvoll aufgefasst. Älteren Pensionierten ab 75 Jahren wird Unterstützungsbedarf und geringere Mobilität, also weniger «Wohnkompetenz» angelastet, weshalb diese Zielgruppe bei der Wohnungsvergabe wenig Chancen hat.
Auf die Architektur angewendet, bedeuten diese Erkenntnisse, dass man seine Auftraggeber darauf sensibilisieren sollte, dass die Zukunft bei einem derart trägen Gut wie der Architektur miteinberechet werden sollte: Als Architektin würde ich zum Beispiel – im Sinne einer Nachhaltigkeit auf allen Ebenen – vorschlagen, die erwünschte 4,5-Zimmer-Familien-Wohnung so zu konzipieren, dass sie später in zwei kleinere Einheiten umfunktioniert werden kann.
Die Studie «Demografie und Wohnungswirtschaft – Pensionierte auf dem Wohnungsmarkt» entstand in Zusammenarbeit mit Losinger Marazzi, der Age Stiftung, der Vita Sammelstiftungen und der Zürcher Kantonalbank. Sie kann für 90 Franken unter ifz@hslu.ch bestellt werden.