Eine sympathische Leistungsschau als Medizin gegen Vorurteile
Foto: Elias Baumgarten
Ursula Schwitalla belegt mit ihrem neuesten Buch, was leider noch immer nur scheinbar Common Sense ist: Frauen stehen Männern in ihren intellektuellen und kreativen Fähigkeiten in keiner Weise nach.
«Die Vorstellung, dass Frauen nicht dreidimensional denken können, ist lächerlich», sagte Zaha Hadid, als ihr der Veuve Clicquot Business Award verliehen wurde – das war 2013! Wir wähnen uns in Europa als Vorreiter bei der Gleichstellung der Geschlechter und glauben nicht selten, Menschen aus anderen Kulturkreisen belehren zu müssen. Doch hinter der politisch korrekten Fassade halten sich hartnäckige Vorurteile gegen Frauen. Sexistische Stereotypen sind noch immer allgegenwärtig. Insbesondere die geistigen Fähigkeiten von Frauen werden teils weiter als unterlegen angesehen. Wer mit aufmerksamen Augen durch die Welt geht, dem fällt das immer wieder auf, in der Werbung, im Fernsehen, in den sozialen Medien und so weiter. Die Aussage der Pritzkerpreisträgerin von 2004, die während ihrer gesamten Karriere gegen massive Widerstände anzukämpfen hatte und zum Beispiel von den Kollegen Toyo Ito und Fumihiko Maki aus dem Projekt für das neue Olympiastadion von Tokio gedrängt wurde, zeigt, dass unsere Disziplin keine Ausnahme darstellt. Ursula Schwitalla leistet mit ihrem neuen Buch «Frauen in der Architektur. Rückblicke, Positionen, Ausblicke» einen wertvollen Beitrag, diese Vorurteile zu brechen: Indem 36 Architektinnen mit ihren Bauprojekten gezeigt werden, wird deutlich, dass Frauen Männern in keiner Weise unterlegen sind. Im Gegenteil: Obwohl es ihnen oft schwerer gemacht wird, erreichen ihre Bauten dieselbe Qualität. Eine ganze einfache, aber extrem wichtige Botschaft.
Auffällig ist, dass unter den 36 vorgestellten Gestalterinnen etliche sind, die sich durch ein weit überdurchschnittliches soziales und ökologisches Verantwortungsbewusstsein auszeichnen: Anna Heringer aus dem bayerisch-österreichischen Grenzstädtchen Laufen zum Beispiel, die mit biobasierten Materialien wie Lehm oder Bambus und in enger Zusammenarbeit mit der einheimischen Bevölkerung in Entwicklungsländern baut, oder Anupama Kundoo, die sich für einen ressourcenschonenden und erschwinglichen Wohnbau in Indien einsetzt, um nur zwei stellvertretend zu nennen.
Foto: Elias Baumgarten
Foto: Elias Baumgarten
Foto: Elias Baumgarten
Das sehr ansprechend gestaltete Buch bietet neben der Vorstellung besagter 36 Architektinnen mehrere interessante Aufsätze, die zusammen eine längere Einführung bilden. Ursula Schwitalla selbst geht dabei der Frage nach, warum Architektinnen in Führungspositionen, in der akademischen Welt und auch in der öffentlichen Wahrnehmung bis heute unterrepräsentiert sind, obwohl doch mittlerweile die Hälfte der Studierenden weiblich sind. Dirk Boll, Beatriz Colomina, Sol Camacho und Patrik Schumacher befassen sich mit herausragenden Frauen in der Architekturgeschichte: Emilie Winkelmann (1875–1951), sie war die erste akademisch ausgebildete Architektin Deutschlands, Eileen Gray (1878–1976), Lina Bo Bardi (1914–1992) und Zaha Hadid (1950–2016). Odile Decq schliesslich schreibt sehr persönlich über ihre Erfahrungen als Architektin – und berichtet eindrücklich von Frauenfeindlichkeit und Benachteiligung.
Dass das lesenswerte Buch in grossartiger Weise mit Vorurteilen aufräumt, habe ich geschrieben. Es legt aber mit seinen einleitenden Essays auch einen Finger in die Wunde und arbeitet die Missstände in unserer Disziplin minuziös heraus. Dabei ist lediglich kritisch anzumerken, dass jene über weiteste Strecken als Insel betrachtet wird. Gesamtgesellschaftliche Themen wie die Vermittlung von althergebrachten Geschlechterrollen in der Erziehung werden kaum behandelt. Den Autor*innen gelingt es, die Kurve vom Kritisieren und Anklagen zum Mut machen zu nehmen: Sie liefern der jungen Generation eine Fülle von weiblichen Vorbildern. Das Buch ist Mahnung, Handlungsaufruf und Inspiration zugleich.
Foto: Elias Baumgarten
Zaha Hadid verstarb vor fünf Jahren. Während davon in der Architekturszene überraschend nur wenig Notiz genommen wird, ehrt sie die Zürcher Galerie Gmurzynska derzeit mit einer Schau.
Die junge Architektin Saikal Zhunushova hat einen beeindruckenden Karriereweg hinter sich. Sie baut in ihrer Heimat Kirgistan und in der Schweiz nach ökologischen Kriterien.
2020 erhielten Yvonne Farrell und Shelley McNamara den Pritzker-Preis. Bis dorthin war es ein langer Weg für sie, auf dem sie ihr Ausnahmetalent vielfach unter Beweis stellten.
Lange war die Aufarbeitung der Arbeit der Schweizer Architektin Lisbeth Sachs (1914–2002) lückenhaft. Doch zwischenzeitlich ist eine umfassende Monografie über sie erschienen.
Neben ihrer Arbeit in einem Architekturbüro ist Nicole Reist Extremsportlerin. Beim Radrennen Race Across America (RAAM), bei dem die Fahrer*innen die Vereinigten Staaten durchqueren, hat sie 2018 die allermeisten männlichen Konkurrenten hinter sich gelassen.
Nicht nur in der Architektur kämpften und kämpfen Frauen mit Vorurteilen. Die Schweizer Fotografin Pia Zanetti liess sich davon nicht aufhalten.