Ein Tresor für Albert Ankers Kunstwerke

Manuel Pestalozzi
9. Oktober 2022
Der neue Pavillon ist von einer Laubenschicht umgeben, die als Filter wirkt. Der Holzbau nimmt mit seiner Fassade Bezug auf die landwirtschaftlichen Speicher in der Umgebung. (Foto © Alexander Jaquemet, Stiftung Albert Anker-Haus Ins)

Seine Bilder gehören zum kulturellen Vermächtnis der Schweiz: Albert Ankers (1831–1910) Darstellungen des ländlichen Lebens im 19. Jahrhundert erreichten durch populäre Vervielfältigungen einen hohen Bekanntheitsgrad. Sie symbolisieren für manche die «guten alten Zeiten», als die Welt noch überschaubar und vermeintlich in Ordnung war. Albert Anker übernahm von seinem Grossvater, einem Tierarzt, ein Haus an der Müntschemiergasse im Zentrum des Seeländer Dorfes Ins, das jener im Jahr 1803 hatte errichtet lassen. Der Maler lebte und wirkte dort, und nach seinem Tod verblieb das Baudenkmal im Besitz seiner Familie. Diese erhielt Ankers Atelier mit seiner kompletten Einrichtung vollkommen unverändert. 

1994 gründeten der Kanton Bern und die Burgergemeinde Bern in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Ins und dem Stifter die «Stiftung Albert Anker-Haus Ins». Die Besitzerfamilie brachte das gesamte Inventar des Hauses einschliesslich aller vorhandenen Kunstwerke in die Stiftung ein. Auch die Liegenschaft mit ihrem grossen Garten ging an sie über.

Mit dem Ausbau der Anlage zum Centre Albert Anker soll das Ausstellungsgut in einem zeitgemässen Rahmen präsentiert werden. Dem Publikum möchte man die Gelegenheit geben, eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert zu unternehmen und zu sehen, wie einer der bekanntesten Schweizer Künstler lebte und arbeitete. Als Ort der Kunstvermittlung setzt sich das Centre Albert Anker mit der Frage nach dem privaten und öffentlichen Engagement des zu Lebzeiten überaus erfolgreichen Malers und seiner späteren Vereinnahmung als Schweizer Nationalkünstler auseinander. Die baulichen Massnahmen, welche die Transformation möglich machen, wurden vom Architekten Marcel Hegg gestaltet. Das Büro akkurat bauatelier übernahm unterdessen die Bauleitung und das Baumanagement. Zu den baulichen Massnahmen gehört auch die sanfte Erneuerung der Infrastruktur des historischen Gebäudes, ohne dessen Substanz zu verletzen.

Die Vollholzwände des neuen Kunstpavillons sind 50 Zentimeter dick. Rund 3000 Dübel wurden als Ornament arrangiert. Die massiven Holzwände ermöglichen ein konstantes Raumklima im Inneren. (Foto © Alexander Jaquemet, Stiftung Albert Anker-Haus Ins)
Der Hauptraum des Neubaus ist geometrisch einfach gestaltet. Seine Atmosphäre erhält er durch die massiven Bauteile aus Holz. (Foto © Alexander Jaquemet, Stiftung Albert Anker-Haus Ins)
Die Bauweise verhindert eine übermässige Aufheizung des Gebäudeinneren im Sommer genauso wie eine zu starke Abkühlung während der Wintermonate. (Foto © Alexander Jaquemet, Stiftung Albert Anker-Haus Ins)

Im rückwärtigen Teil der L-förmigen Gartenparzelle ist zunächst ein neuer Kunstpavillon entstanden. Die Bauarbeiten hatten im vorigen Jahr begonnen. Dort werden die Kunstwerke künftig geschützt aufbewahrt und gezeigt. Die Architekten hatten den Auftrag, einen einfachen Lager- und Ausstellungsraum zu entwickeln, der ein konstantes Raumklima bietet und mit moderner Sicherheitstechnik versehen ist. Der 19 Meter lange und 10,6 Meter breite Bau ist architektonisch als zeitgenössische Interpretation des traditionellen landwirtschaftlichen Speichers gedacht. Marcel Hegg zitiert mit seiner Gestaltung die ländlichen Bauten in der Umgebung.

Der Hauptraum im Erdgeschoss ist ein massiver und geschlossener Holzbau mit einer einfachen Geometrie. Er ist von einer umlaufenden Laubenschicht umgeben, die dem Schutz vor Witterungseinflüssen dient. Sie wurde in Eiche ausgeführt, der innere Raumkörper hingegen besteht aus Weisstanne. Bald schon wird das Holz der Fassade aufgrund der Witterung braunsilbern schimmern. Grosser Wert wurde neben der handwerklich präzisen Umsetzung auf die Verwendung von Baumaterial aus der Region gelegt: Das Eichenholz stammt zur Gänze aus dem Seeland und wurde als Mondholz geschlagen. Die Bäume waren rund 150 Jahre alt, standen also teils schon zu Albert Ankers Lebzeiten. Das Fachwerk und die vertikalen Lamellen prägen die Fassade und schaffen einen weichen Übergang vom Garten ins Gebäude. Die Laubenschicht wirkt auch in diesem Sinne als Filter. 

Im Untergeschoss befindet sich ein Büro beziehungsweise Atelier für die Inventarisierung und Archivierung der Kunstwerke, für Forschungszwecke und die Administration. Zudem sind dort ein weiterer Lagerraum und die nötigen technischen Einrichtungen untergebracht.

Der Pavillon steht im grossen Garten des Anker-Hauses. Das Grundstück weist ein leichtes Gefälle auf. (Foto © Alexander Jaquemet, Stiftung Albert Anker-Haus Ins)

In einem weiteren Schritt wird, wie eingangs bereits angetönt, die Sanierung des Anker-Hauses in Angriff genommen. Der Einbau von Empfangs- und Vermittlungsräumen sowie der Ausbau der Betriebswohnung wird unter Bewahrung des Denkmals umgesetzt. Die Eröffnung des Centre Albert Anker wird im Frühling 2024 stattfinden.

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