Ein neues Universum

Susanna Koeberle
5. Dezember 2017
Das Projekt «Kanaal» ist endlich vollendet. Bild: Jan Liégeois

Ende November war es endlich so weit: Das von Axel Vervoordt gestartete Riesenprojekt «Kanaal» unweit von Antwerpen wurde offiziell mit mehreren Ausstellungen eröffnet. Der belgische Schöpfergeist, der Sammler, Händler, Designer, Galerist und Kurator in einem ist, erwarb das ehemalige Industriegelände, auf dem früher Malz verarbeitet wurde, im Jahr 1998. Von Anfang an hatte Vervoordt die Vision, das marode Gelände Schritt für Schritt in eine einzigartige Kulturinsel zu verwandeln: Fast hundert Wohnungen, zwei Galerien, ein Auditorium, Büroräumlichkeiten (unter anderem für das weltweit tätige Innenarchitekturbüro der Vervoordts) sowie weitere Räume für die umfangreiche Sammlung von Axel und May Vervoordt sind Teil dieses kürzlich fertig gestellten Universums. Die Ausstellungsräumlichkeiten entwarf Axel Vervoordt gemeinsam mit dem japanischen Architekten Tatsuro Miki. Für die restlichen Bauten holte er lokale Architekturbüros mit an Bord. Für das Kanaal-Projekt gründete Vervoordt eine Immobilienfirma, die von seinem Sohn Dick geführt wird. Sein Sohn Boris ist ebenfalls im Familienunternehmen tätig und leitet als Nachfolger des Vaters die Geschicke des Unternehmens. Clan-Oberhaupt Axel kümmert sich nur noch um ausgesuchte Projekte, wie etwa die legendären Ausstellungen, die er seit 2007 im «Palazzo Fortuny» in Venedig während der Biennale kuratiert.

Für die Wohnbauten holte Vervoordt lokale Architekten an Bord. Bild: Jan Liégeois

Die Architektur ist geprägt durch ein subtiles Zusammenspiel zwischen der alten Bausubstanz und einigen Neubauten, die Landschaftsarchitektur von Michel Desvigne führt diese Welten durch natürlich wirkende Pfade und einer bunt gemischten Vegetation zusammen. In den ehemaligen Silos werden permanente Installationen von Künstlern aus der Stiftung gezeigt. Das grösste Kunstwerk, das seit 2000 vor Ort ist und eigens für dieses Areal erworben wurde, ist Anish Kapoors Arbeit «At the Edge of the World»: Eine Art überdimensionale, tief hängende schwarze Glocke, die mit roter Pigmentfarbe ausgekleidet ist. Steht man in diesem höhlenartigen Raum, überkommt einem tatsächlich so etwas wie ein parareligiöses Ur-Knall-Gefühl. Überhaupt schwebt eine Aura des Spirituellen über der Vervoordt-Sammlung. Der Buddha aus dem 12. Jahrhundert, der Teil der Eröffnungs-Ausstellung der Stiftung ist, sei sein Meister und sage ihm, was er zu tun habe, verriet Axel Vervoordt beim Rundgang durch die Räumlichkeiten. In den beiden Galerien werden zurzeit sowohl Arbeiten von Lucia Bru und El Anatsui (zwei zeitgenössische Künstler der Galerie) gezeigt wie auch eine Retrospektive des «Gutai» Künstlers Saburo Murakami. Japanische Kunst und japanische Ästhetik wie das viel beschworene «Wabi Sabi», das gerade durch Vervoordt auch in unseren Breitengraden bekannt wurde, begleiteten Vervoordt schon früh auf seinem Werdegang vom lokalen Antiquitätenhändler zum international agierenden Kunst- und Innendekorations-Guru. Wie dem auch sei, kunst- und architekturaffine Belgienreisende sollten unbedingt einen Abstecher zum «Kanaal» unternehmen.

Im runden Bau befindet sich Anish Kapoors «At the Edge of the World». Die Arbeit stellt quasi das Herz des Projekts dar. Bild: Jan Liégeois
In der «Escher Gallery» werden zurzeit Arbeiten von Lucia Bru gezeigt. Bild: Jan Liégeois

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