Am städtebaulichen Leitbild für das Klybeck-Areal hat sich eine hochemotionale Debatte entzündet
Manuel Pestalozzi
4. Oktober 2022
Das Ufer des Flüsschens Wiese soll gemäss dem städtebaulichen Leitbild der Allgemeinheit als Erholungsraum besser zugänglich gemacht werden. Die städtebauliche Setzung und die Typologien der Bauten im Hintergrund rufen Kritik hervor – genau wie die Idee, viele Bestandsbauten abzubrechen. (Visualisierung © Kanton Basel-Stadt, Rhystadt, Swiss Life)
Das Klybeck-Areal ist Basels grösstes Transformationsgebiet. Endlich liegt das städtebauliche Leitbild für die weitere Planung auf dem Gelände vor. Doch es gibt harsche Kritik, und die Architekten verweigern sich dem Gespräch.
Das Klybeck-Areal im Norden der Stadt ist von grosser Bedeutung für die zukünftige Entwicklung Basels. Dereinst sollen dort bis zu 8500 Menschen leben. Zudem könnten in dem Gebiet, so wird versprochen, bis zu 7500 Arbeitsplätze geschaffen werden. Wie das gelingen könnte, soll das städtebauliche Leitbild aufzeigen, das die Planungspartner, der Kanton Basel-Stadt, die Swiss Life und Rhystadt, im September gemeinsam mit dem Regierungspräsidenten Beat Jans und der Regierungsrätin Esther Keller der Öffentlichkeit präsentiert haben. Es wurde von einem interdisziplinären Planungsteam aus Diener & Diener Architekten, Vogt Landschaftsarchitekten, Heller Enterprises und Gruner entwickelt, wobei ein fachliches Begleitgremium hinzugezogen wurde.
Richtprojekt (Plan © Kanton Basel-Stadt, Rhystadt, Swiss Life)
Das Leitbild ist als Orientierungsrahmen für die zukünftige städtebauliche Entwicklung gedacht. Es soll ein konkretes städtebauliches Bild des neuen Stadtteils etablieren und legt dar, wo welche Typologien vorgesehen sind und wie das bisher geschlossene Industriegebiet mit den umliegenden Quartieren zu verknüpft ist. Auch zeigt das Leitbild, wo Grün- und Freiräume für die heutigen und künftigen Bewohnenden geschaffen werden könnten. Demnach würden die Ufer von Rhein und Wiese durchgehend zugänglich gemacht. Mit dem Leitbild werden Planungsprämissen definiert, die, wie es in der Einleitung heisst, der Auftakt für eine weitere Vertiefung und die Erarbeitung planungsrechtlicher Massnahmen sind.
Die geplanten Neubauten sind hier blau dargestellt. Die grün eingefärbten Bestandsbauten sollen erhalten bleiben. (Illustration © Kanton Basel-Stadt, Rhystadt, Swiss Life)
Das umfangreiche Werk wurde in Basel mit Interesse zur Kenntnis genommen. Die Redaktion des Onlineportals Architektur Basel sparte in einem ersten Beitrag nicht an Kritik und doppelte wenig später mit einem weiteren Artikel nach. Bereits der erste Text des Fachmagazins hatte Diener & Diener so sehr verärgert, dass die Architekten ein geplantes Interview kurzfristig platzen liessen. Und auch in Zukunft möchten sie angeblich nicht mehr mit dem Team von Architektur Basel sprechen. Das wäre bedauerlich, aber dazu gleich. Wenden wir uns zunächst der vorgebrachten Kritik zu.
Unter den im Leitbild vorgeschlagenen neuen «Nachbarschaften» stach der Redaktion von Architektur Basel besonders diejenige zwischen Rhein und Klybeckstrasse negativ ins Auge. Die heute streng orthogonale Setzung der Industriebauten werde durch polygonale und kreisrunde Hochhäuser neu zusammengewürfelt. Das wirke eigenartig formalistisch – und wenig schlüssig. Auch die vorgeschlagenen Blockrandstrukturen am Flüsschen Wiese überzeugen die Redaktion nicht, die erhofften stadt- und sozialräumlichen Qualitäten der Typologie stellt sie infrage. Energisch kritisierte das Team schliesslich auch die Idee, eine Mehrheit der Bestandsbauten abzubrechen. Die Redaktion schreibt in Anlehnung an die aktuelle Ausstellung im Schweizerischen Architekturmuseum, «Klybeck – ein Abriss». Bereits jetzt finde an der Mauerstrasse ein «Abbruch auf Vorrat» statt. «Wieso ist es nicht gelungen, den Bestand noch stärker in den Städtebau zu integrieren?», fragt Architektur Basel.
So könnte es am Klybeckplatz einmal aussehen. (Visualisierung © Kanton Basel-Stadt, Rhystadt, Swiss Life)
Das städtebauliche Leitbild ist in gewissem Masse eine Momentaufnahme und besitzt eine eingeschränkte Verbindlichkeit. Die Inhalte sind durchaus noch verhandelbar und dürfen, ja sollen kritisch begutachtet und diskutiert werden. Umso mehr ist die Reaktion der Architekten auf die Kritik von Architektur Basel schade. Auch wenn die Artikel des anerkannten Onlineportals sie getroffen haben mögen, wäre doch wünschenswert, dass Diener & Diener den Gesprächsfaden im Sinne des in einer Demokratie so wichtigen Diskurses und der Baukultur bald wieder aufnehmen.
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