Bruther, Jan Kinsbergen und Truwant + Rodet + bauen das Nauentor
Manuel Pestalozzi
31. Mai 2023
So soll der Komplex mit drei Hochhäusern dereinst aussehen, der das heutige Postgebäude ersetzen wird. (Visualisierung: © ethandeclerk)
Der Postreiterbahnhof in Basel soll völlig umgekrempelt werden. In einem Dialogverfahren wurde die passende Gestaltung gesucht – und im Vorschlag eines internationalen Teams gefunden. Grosse Teile des heutigen Komplexes bleiben erhalten.
Das Projekt Nauentor hat seinen Namen von der Nauenstrasse, die nördlich des Bahnhofs Basel SBB die Markthallenbrücke mit der Münchensteinerstrasse verbindet. Die Peter-Merian-Strasse wiederum zweigt von der Nauenstrasse in südliche Richtung ab und überquert das Gleisfeld östlich des Bahnhofs. Just an dieser Stelle wurde in den Jahren zwischen 1971 und 1980 das Postbetriebsgebäude Basel II gebaut. Das Bauwerk schwingt sich über das Gleisfeld und die Perronanlagen. Die feingliedrige Rasterfassade des massiven Komplexes, der vom Büro Suter + Suter geplant wurde, ist ziegelrot gestrichen. Deswegen ist dieser im Volksmund auch als «Rostbalken» bekannt – und nicht etwa wegen einer Verwendung des damals gerne genutzten Corten-Stahls.
Seit fast zehn Jahren wälzen die Grundeigentümer, die Post und die SBB, für diesen zentral gelegenen Ort Pläne: Sie möchten das heutige Postbetriebsgebäude durch einen neuen Komplex ersetzen – ein massiver Eingriff in Basels Stadtlandschaft. Ein Mitwirkungsverfahren zum Bebauungsplan konnte Ende 2019 abgeschlossen werden. Die Eingabe zur Genehmigung des Bebauungsplans an den Basler Regierungsrat durchlief beginnend im Januar 2020 mehrere Beratungen in der Bau- und Raumplanungskommission (BRK), bevor der Grosse Rat der Stadt Basel den Bebauungsplan am 17. März 2021 genehmigte. In diesem wurde unter anderem festgehalten, dass auf einer Fläche von 12'000 Quadratmetern Wohnungen im preisgünstigen Segment entstehen werden. Zudem sollen die Fussgänger- und Veloverbindungen sowohl entlang der Postpassage (Ost–West) als auch neu zwischen der Hochstrasse/Solothurnerstrasse und der Gartenstrasse (Nord–Süd) attraktiver und sicherer gestaltet werden. Der Bebauungsplan sieht auf dem Areal drei Hochhäuser vor.
Vom Bahnhofplatz her fällt der Blick nach Südosten auf die verglaste Post-Passage und das dahinter liegende Peter-Merian-Haus. (Visualisierung: © ethandeclerk)
Für den anschliessenden Projektwettbewerb wurde die Form eines einstufigen Dialogverfahrens (Studienauftrag nach SIA 143) im selektiven Verfahren (Präqualifikation) mit fünf Planungsteams gewählt. Nach einem einjährigen Prozess hat ein breit zusammengesetztes Gremium unter Einbezug von Vertreter*innen aus dem Quartier einstimmig die Projektstudie des Teams um die Architekturbüros Bruther (Paris und Zürich), Jan Kinsbergen (Zürich) und Truwant + Rodet + (Basel) zur Weiterbearbeitung vorgeschlagen.
Besonders beeindruckt zeigte sich die Jury von der Verbindung des Quartiers Gundeldingen mit der Innenstadt. Die Überquerungen für Fussgänger*innen und Velofahrer*innen etwa sind getrennt, was Konflikten elegant vorbeugt. Ausserdem ermöglichen die klare Strukturierung durch eine grosse Galerie und die Freistellung eines der drei geplanten Hochhäuser, dass das Projekt in Etappen realisiert werden kann. Die Türme werden bis zu 89 Meter hoch aufragen.
In Gundeldingen führt eine breite Freitreppe auf die Ebene der Passage über die Gleise. (Visualisierung: © ethandeclerk)
Das Projekt umfasst Büro- und Dienstleistungsflächen sowie öffentliche Nutzungen. Zugleich wird neuer Wohnraum geschaffen, den Basel so dringend benötigt. Auch bezüglich der Nachhaltigkeit vermochte das Siegerprojekt im Dialogverfahren zu überzeugen, denn ein grosser Teil der heutigen Gebäudestruktur bleibt erhalten. «Der architektonische Ausdruck folgt der Philosophie einer zukunftsorientierten Architektur, welche das Weiterverwenden von Vorgefundenem gegenüber dem Abbrechen priorisiert», heisst es dazu im kürzlich vorgelegten Schlussbericht. Vorhandenes soll ertüchtigt werden und Neues in einer nachhaltigen Leichtbauweise entstehen – unter der Prämisse eines minimalen Materialverbrauchs.
Die Abstützung des neuen Ensembles über den Bahngleisen muss jetzt in einem nächsten Schritt mit den aktuellen Plänen für den zukünftigen Ausbau des Bahnhofs Basel SBB abgestimmt werden – beispielsweise hinsichtlich der Zufahrten und des Baus eines Tiefbahnhofs. Ziel ist es, dass die Überarbeitung bis Ende dieses Jahres abgeschlossen wird. Im Anschluss startet das Vorprojekt. Erste Vorbereitungsarbeiten zur Realisation sind für 2024 geplant.
Die Inbetriebnahme des Nauentors ist derzeit frühestens im Jahr 2031 zu erwarten. Der Siegerentwurf kann noch bis 7. Juni im Rahmen einer Ausstellung in Augenschein genommen werden (Mehrzweckraum, Level 7, Post-Passage 11, 4051 Basel). Sie ist montags bis samstags jeweils von 16 bis 19 Uhr geöffnet.