Sanierung und Ersatzneubau Bauernhaus Schlieren 2016
Scheune ersetzt und neu interpretiert
Roman Singer
5. Mai 2017
Ostfassade zum Strassenraum mit Eingängen. Bild: Christian Senti
Singer Baenziger Architekten haben kürzlich ein Bauernhaus in Schlieren saniert und erweitert. Roman Singer stellt sich unseren Fragen.
Nutzung Wohngebäude mit 4 vertikalen Einheiten
Auftragsart Direktauftrag
Bauherrschaft Privat
Architektur Singer Baenziger Architekten, Zürich ZH | Projekt- und Bauleitung: Rémy Baenziger | Mitarbeit: Aleksandra Momcilovic, Roman Singer
Fachplaner Bauingenieur: Gudenrath AG, Niederurnen GL | HLS- Ingenieur: Balzer Ingenieure AG, Winterthur ZH | Elektroingenieur: Skilla Strom, Zürich ZH | Bauphysiker: Architektur und Ingenieur Kollektiv, Zürich ZH | Landschaftsarchitekt: Daniel Schläpfer, Zürich ZH
Gesamtkosten BKP 1-9 CHF 3,1 Mio.
Gebäudevolumen 3'474 m³ (SIA 416)
Massgeblich beteiligte Unternehmer Baumeister, Gipser: Räber, Zürich ZH | Holzbauer: Schaerholzbau, Altbüron LU| Fenster: Huber Fenster, Horgen ZH/ Herisau AR| Bedachung, Spengler: W. Bosshard, Dietikon ZH | HLS- Installateur: Lips + Söhne, Dietikon ZH| Elektroinstallateur: Haupt + Studer, Schlieren ZH | Schreiner: Schreinerei Fehlmann, Müllheim TG
Küchen: Gemi, Erlenbach ZH
Fotos Christian Senti, Zürich ZH
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Die Auftraggeber wollten die alte Scheune mit Stall und Wagenschopf durch einen zeitgemässen Wohnbau ersetzen und das alte Wohnhaus sanieren. Die Grundgeometrie war mit der Lage und den wesentlichen Abmessungen des bestehenden Gebäudes und der Traufhöhe zur Strasse mehr oder weniger vorgegeben. Es war uns schnell klar, dass der bestehende Riegelbau wieder mit einem Holzbau ergänzt werden soll und beide Teile weiterhin unter einem gemeinsamen Dach liegen müssen. Den Gebäudekörper haben wir dann in vertikale Einheiten gegliedert, damit alle Einheiten die Wohnräume mit Aussenraumbezug im Erdgeschoss und die Schlafzimmer unter dem Dach haben. Ein Split-Level hilft, das gegebene Volumen gut auszunützen und vielfältige Räume zu schaffen. Überhohe Wohnräumen erinnern an die frühere Grosszügigkeit der Scheune und bringen genügend Licht in die Tiefe.
Ostfassade mit Profilierung Fassade Neubau. Bild: Christian Senti
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Uns hat vor allem die Scheune inspiriert. Wir waren der Meinung, dass der Ersatzbau wieder ein echter Holzbau sein muss. Der Reiz der alten Holzkonstruktionen mit dem sichtbaren Tragwerk, der Hierarchie der einzelnen Elemente ist jedoch im heutigen Holzelementbau selten noch sichtbar. So haben wir uns entschieden, zumindest gegen Aussen mit den Ständern, den Simsen, den Füllungen und dem massiven Sockel den konstruktiven Aufbau zu zeigen. Im Innern haben wir dann, teils sogar in den Badezimmern, ein Maximum an Holz roh oder gestrichen angewendet. Freude haben wir besonders an den Stirnholzböden der Wohngeschosse, die an alte Nutzbauten erinnern und den massiven Eschendielen in den Schlafzimmern.
Westfassade mit Orientierung in den Obstgarten. Bild: Christian Senti
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Uns war es wichtig, dass der Charakter des Ortes erhalten bleibt und dessen Potenzial genützt wird. Das umgebaute Haus liegt deshalb immer noch direkt am Strassenraum. Der Vorplatz ist nach wie vor bekiest. Anstatt des Traktors stehen jetzt Personenwagen frei auf dem Platz. Die Hauseingänge liegen direkt an dieser halböffentlichen Fläche. Eine Einheit kann ein grosses doppelflügeliges Fenster analog zum Tor des alten Wagenschopfes öffnen und sitzt und kocht dann sozusagen direkt auf dem Vorplatz. Der Obstgarten auf der Rückseite des Hauses blieb mehrheitlich erhalten. Jede Einheit hat dort ihren Wohnraum, der sich grosszügig gegen aussen öffnet.
Überhoher Wohnraum mit Durchblick zum oberen Geschoss. Bild: Christian Senti
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Gerne hätten wir das neue Dach wie das bestehende ohne Aufbauten gemacht. Anstelle eines hochliegenden Bandfensters im Giebelbereich haben wir dann zwei Lukarnen realisiert. Der Bauherrschaft war nur zenitales Licht zu extrem, sie wollte horizontal aus dem Zimmer schauen können. Wir haben dann die Lukarnen als möglichst schlichte Schleppgauben ausgebildet.
Öffnung gegen Aussen zum Obstgarten. Bild: Christian Senti
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Wir haben schon früher ein Projekt für den Ausbau einer grossen Scheune entworfen, das leider nicht realisiert wurde. Dort haben wir Erfahrung gesammelt, wie ein übertiefes Gebäude mit einem hohen und weit auskragenden Dach optimal für das Wohnen genützt werden kann. Auch haben wir schon unterschiedliche Fassaden mit Holzschalungen gebaut. Dieses Mal wollten wir nicht nur eine Verkleidung in Holz realisieren, sondern auch eine Struktur zeigen. In Anlehnung an den bestehenden Riegelbau und an das Tragwerk der alten Scheune, haben wir einen aussen sichtbaren Ständerbau entwickelt, sozusagen die Struktur der alten Scheune nach aussen gekehrt. Von weitem wirkt das Gebäude aufgrund der profilierten Fassade relativ massiv, von nahem erkennt man die mit breiten Sichtfugen gefügten Elemente, was dem Ganzen einen leichten Ausdruck verleiht.
Farbiges Badezimmer mit Holzboden. Bild: Christian Senti
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Es werden momentan viele alte Ställe auf dem Land wie auch in Kernzonen umgebaut. Bei Projekten mit hohen Ansprüchen stellt sich dabei immer die Frage wie kann die heutige Forderung an helle, nach aussen orientierte Räume mit den geschlossenen hölzernen Fassaden der alten Ställe in Einklang gebracht werden. Eine typische Lösung für dieses Problem sind die grossflächig geöffneten Fassaden, die dann eine mehr oder weniger ornamentale Filterschicht aus Holz vor dem Fenster durchlaufen haben. Wir wollten es anders machen. Bei unserem Projekt binden die sich wiederholenden kräftigen Ständer, als ordnende Struktur die innenliegenden, vertikalen Fenster ein. Je nach Betrachtungswinkel sind die Fenster als solches gar nicht mehr erkennbar.