Bürogebäude Unterstrasse 12
Freier Denkraum in rigider Baulücke
Corinna Menn und Mark Ammann
10. Januar 2018
Fassade Hof von der Davidstrasse. Bild: Roger Frei
Corinna Menn und Mark Ammann haben letztes Jahr ein Bürogebäude in St. Gallen fertiggestellt. Corinna Menn und Mark Amman stellen sich unseren sechs Fragen.
Nutzung Bürogebäude
Ort Unterstrasse 12, 9000 St. Gallen SG
Auftragsart Wettbewerb auf Einladung, 2013
Bauherrschaft ASGA Pensionskasse, St. Gallen (Bauprojekt-Abschluss); Namics, St. Gallen (Wettbewerb, Vorprojekt)
Architektur Corinna Menn, dipl. Architektin ETH SIA, Zürich/ Chur | Mark Ammann, dipl. Architekt ETH SIA, Zürich
Fachplaner Bauingenieure: Ingegneri Pedrazzini Guidotti, Lugano mit Borgogno Eggenberger, St. Gallen | Elektroplanung: Bühler + Scherler, St. Gallen | HLKS-Planung und Bauphysik (Vorprojekt, Bauprojekt): 3 Plan Haustechnik, Winterthur | HLKS-Planung (Ausführung): Hälg & Co, St. Gallen | Bauphysik (Ausführung): IEP, St. Gallen
Bauleitung Totalunternehmer: Dima & Partner, Glarus | Örtliche Bauleitung: Gantenbein + Partner, St. Gallen
Jahr der Fertigstellung 2017
Gesamtkosten BKP 1 – 6 CHF 12,9 Mio.
Gebäudekosten BKP 2 ca. CHF 700/m3
Energiestandard Keine Energie-Label-Zertifizierung, jedoch projektspezifische energetische Optimierung durch Minergie-äquivalente Gebäudehülle, Wärme-/Kälteerzeugung durch Erdsonden-Wärmepumpe, mit Freecooling (Bodenplatte und Hangwand), keine Parkplätze dank Mobilitätskonzept der Mieterin.
Fotos Roger Frei, Zürich
Fassade Hof. Bild: Roger Frei
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Der Ort, eine innerstädtische Baulücke im denkmalgeschützten Stickereiquartier, ist stadträumlich und baugeschichtlich herausragend. Im Geschäftshaus-Typus der 1910er-Jahre gründen nicht nur die Themen von Strassenraum und Fassadengestalt, sondern auch die für ihre Zeit pionierhafte Betonbauweise. Zudem prägte ein Nutzer mit klarem Profil und als aktives Gegenüber die Planung und die Umsetzung massgeblich, was im heutigen Bürobau eine eher unübliche Situation ist. Sein Wunsch nach einem Grossraum als «Denkfabrik» und die Absicht der Anknüpfung an die innovative Bautradition des Quartiers, führten uns über die Raumkonzeption zum charakteristischen Tragwerk und bereits im Wettbewerb zur engen Zusammenarbeit mit dem Bauingenieur Andrea Pedrazzini.
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der Ort und seine Baugeschichte bilden eine wesentliche inhaltliche und formale Quelle des Projektes, worin es auch seine Verankerung sucht. Im Rahmen der gesetzlichen Bedingungen schliesst der Baukörper den Block mit seitlichen Brandwänden und staffelt die Attika zurück. Der hangseitige Graben – ein ganz eigenes städtebauliches Element der Unterstrasse – reagiert auf die Topografie, belichtet damit wie die historischen Nachbarn das erste Untergeschoss und führt mit einer «Brücke» zur Eingangsebene. Die selbsttragende Backsteinwand mit den plastischen Pfeilern, die ein direktes Abbild der sich nach oben verjüngenden Tragstruktur ist, fügt sich in den Strassenraum der Pfeilerfassaden.
Büroraum. Bild: Roger Frei
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Die dynamische und interdisziplinäre Arbeitskultur der Firma Namics, die den Wettbewerb zusammen mit der Stadt als Grundeigentümerin ausgelobt hatte, prägt den Entwurf des Gebäudes: Vollständiger Verzicht auf Einzelbüros, knapp bemessene persönliche Arbeitsbereiche, dafür viel Platz für Workshops, Besprechungen und informelle Begegnungen. Vereinfacht gesagt, sahen wir unsere Aufgabe darin, einen freien «Denkraum» zu schaffen, den wir physisch in die Idee des gänzlich stützenfreien Gross-Raumes mit der charakteristischen Faltdecke übersetzten: eine Art robuster «Container» für die Entfaltung der Namics.
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Die Idee und die Schlüsselelemente des Projektes – das Betonfaltwerk, der Stahlbau der Attika und die Backsteinfassade – wurden wie im Wettbewerb entwickelt realisiert. Lediglich zwei Parkgeschosse wurden eliminiert und durch ein auf den Standort und Nutzer massgeschneidertes Mobilitätskonzept kompensiert.
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Der Entwurf wurde als spezifische Lösung für die Nutzer und den Ort entwickelt und versteht sich damit als gleichermassen eigenständige wie auch zeitgemässe Antwort. Er ist nicht von «Tendenzen» getrieben.
Büroraum. Bild : Roger Frei
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Drei Gewerke waren für die konstruktive Umsetzung von zentraler Bedeutung: Das Ortbeton-Sicht-Tragwerk, dessen Faltdecken schal- und armierungstechnisch sehr hohe Anforderungen an den Unternehmer stellten, die Stahlkonstruktion des zurückgesetzten Attika-Daches, die zur Vermeidung von Punktlasten auf der Faltdecke längsgespannt ist und die selbsttragende Klinkerfassade, deren Pfeiler mit 24cm Tiefe über die gesamte Gebäudehöhe stehend aufgemauert sind und die Brüstungen tragen.