Begegnung mit Fledermäusen
Susanna Koeberle
9. de maig 2022
Die beiden Fledermäuse «Pollinator Bat» (2018–2022) und «Long Eared Grey Bat» (2018–2022) von Monster Chetwynd in Zürich (Foto: Flavio Karrer, mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin, Sadie Coles HQ, London und Galerie Gregor Staiger, Zürich)
Auf der Holzterrasse der Löwenbräukunst in Zürich sind bis zum 20. Juni 2022 zwei Arbeiten der Künstlerin Monster Chetwynd zu sehen. Die beiden Fledermäuse sensibilisieren für unseren Umgang mit der Tierwelt.
Fledermäuse haben Monster Chetwynd schon immer fasziniert. Die britische Künstlerin, die seit 2019 an der ZHdK lehrt, lebte als Kind unter anderem in Australien und lernte dort diese besonderen Tiere lieben. Ihrem Namen zum Trotz sind Fledermäuse keineswegs mit Mäusen verwandt. Sie besitzen eine Reihe von Eigenschaften, die absolut beeindruckend sind. Doch ihr Ruf ist nicht erst seit der Pandemie – gelinde gesagt – etwas angekratzt. In der Tat kommen SARS-CoV-2- Erreger auch bei Fledermäusen vor; spannend daran ist allerdings, dass sie immun dagegen sind. Statt diese positiven Eigenschaften zu betonen, bestärkten viele Medien das negative Bild dieser Tiere und gaben ihnen sogar die Schuld an der Verbreitung der Krankheit, meist ohne sich zu überlegen, was der Grund für solche Zoonosen sein könnte. In vielen Kulturen stehen Fledermäuse für das Böse schlechthin. Und dass sie gar mit Vampiren in Verbindung gebracht werden, ist eigentlich lächerlich angesichts der Tatsache, dass nur eine einzige der unzähligen Arten von Fledermäusen sich von Blut ernährt. Alle anderen – und davon gibt es nur schon in Europa etwa 40 Arten – fressen Insekten oder auch Früchte.
Des Nachts leuchten die Tiere. (Foto: Flavio Karrer, mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin, Sadie Coles HQ, London und Galerie Gregor Staiger, Zürich)
Ihr Aussehen und ihre Grösse variieren stark. Gerade die Vielfalt ihrer Gesichter, die je nachdem an ganz unterschiedliche Tiere erinnern, begeistert Chetwynd, das merkt man im Gespräch mit ihr. Schon seit 2003 setzt sie sich künstlerisch mit Fledermäusen auseinander, davon zeugt die Gemälde-Serie «Bat Opera». Wir sollten von diesen Tieren lernen, findet sie. Das hat auch mit ihrem Selbstverständnis als Künstlerin zu tun: Sie ist eher Forscherin und «Eco-warrior» als eine klassische Vertreterin des Kunstsystems.
Letztes Jahr wurde sie im Rahmen der Ausstellung «Ruhr Ding: Klima» eingeladen, die Installation «The Futurology Kiosk» zu realisieren. Zu ihr gehörten mehrere grossformatige Fledermaus-Skulpturen, während der Ausstellung fanden zudem verschiedene Performances statt, mit denen Chetwynd auf die Wichtigkeit der Fledermäuse für unser Ökosystem aufmerksam machen wollte. Im Vorfeld recherchierte die Künstlerin lange über wissenschaftliche Fakten und verschiedene Schutzprojekte zu Fledermäusen. Dieses Vorgehen ist typisch für ihre transdisziplinäre Praxis.
Ein Banner macht auf die Eigenschaften der Fledermäuse aufmerksam (Foto: Susanna Koeberle, mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin, Sadie Coles HQ, London und Galerie Gregor Staiger, Zürich)
Seit Ende März haben zwei dieser Tiere in Zürich auf der Holzterrasse des Löwenbräus ein temporäres Habitat gefunden. Die Installation, die auch nachts dank der LED-Lichter am Körper der Säugetiere erkennbar ist, kam über das Migros Museum für Gegenwartskunst zustande, das der Künstlerin bereits 2007 eine grosse Einzelausstellung ausrichtete. Schon damals zeigte sich, dass Chetwynd – sie trug zu dieser Zeit noch den Künstlernamen Spartacus Chetwynd – keine White-Cube-Künstlerin ist. Wer ihre Performance sieht, vergisst sie nicht so schnell. Sie schafft es jeweils, die Zuschauer*innen zu verzaubern und ihnen ein Lächeln zu entlocken. Dies obschon ihre Themen alles andere als harmlos sind. Sie überlegt sich stets, wie sie komplexe Inhalte auf unmittelbare Weise kommunizieren kann. Dass sie dabei häufig auf popkulturelle Instrumente zurückgreift, hängt mit ihrer Überzeugung zusammen, dass Kunst sich an alle richten sollte. An der Effektivität des Mediums Kunst zweifelt sie zuweilen, wie sie erzählt, doch ihrem Optimismus und ihrer Neugierde scheinen diese Bedenken nichts anzuhaben.
Die beiden Fledermäuse stehen im öffentlichen Raum, das passt zum Credo der Künstlerin. Sie beleben das etwas «tötelige» Löwenbräu und schaffen zugleich einen Moment der Verunsicherung. Die beiden Wesen wirken uns nichtsdestotrotz freundlich gesinnt. Zu einer Wertschätzung dieser wundervollen Tiere haben wir auch hierzulande Gelegenheit.