Behagliche Effizienz
Elias Baumgarten
11. 七月 2024
Das Landschaftsarchitekturbüro Jacob Planung hat die Aussenräume der Anlage entworfen. Heimische Rankpflanzen und Bäume sollen der Biodiversität zugutekommen und im Sommer vor Hitze schützen. (Visualisierung: Aron Lorincz Ateliers © wulf architekten)
Auf dem Gelände des Luzerner Kantonsspitals herrscht rege Bautätigkeit: In drei Etappen wird der Komplex modernisiert. 2026 sollen die Arbeiten am Ambulanten Zentrum beginnen. Entworfen hat den Neubau das Basler Team des deutschen Büros wulf architekten.
Der Spitalbau boomt in der Schweiz: Viele Krankenhäuser müssen dringend saniert oder vergrössert werden. In manchen Städten wie Bellinzona werden sogar neue Spitäler gebaut, um veraltete zu ersetzen. Das ist zwar sehr kostspielig, bietet aber auch die grosse Chance, die Krankenhausarchitektur zu reformieren: In der Vergangenheit wurde bei der Planung von Spitälern vor allem auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit geachtet. Das Wohlbefinden von Patientinnen und Patienten spielte dabei kaum eine Rolle, ebenso wenig wie die Bedürfnisse von Ärztinnen und Pflegern. Dabei kann Architektur die Genesung fördern, wie wir inzwischen wissen. Sogenannte «Healing Architecture» wird darum zurzeit eifrig diskutiert – das Vorarlberger Architektur Institut (vai) zum Beispiel zeigt gerade eine Ausstellung zur Architektur von Gesundheitsbauten und möchte mit gelungenen Projekten inspirieren.
Neu gebaut wird momentan auch auf dem Gelände des Luzerner Kantonsspitals (LUKS): Die Arbeiten am neuen Kinderspital und der Frauenklinik sind in vollem Gange. Wenn die Häuser 2026 in Betrieb genommen werden, ist das nur die erste von drei Bauetappen. Anschliessend werden das alte Kinderspital und ein Parkhaus abgebrochen, um Platz zu schaffen für das Ambulante Zentrum, das 2031 fertig sein soll. In einem dritten Abschnitt wird schliesslich bis 2035 ein Stationäres Zentrum gebaut.
Der Architekturwettbewerb für das Ambulante Zentrum wurde im Frühling entschieden: Der St.Galler Projektsteuerer PPM Baumanagement und die Basler Zweigstelle des deutschen Büros wulf architekten konnten sich durchsetzen. Ihr Entwurf sieht zwei Bauten vor, verbunden durch einen gemeinsamen Sockel, der ins ansteigende Terrain gebaut ist: Ein zweistöckiges Gebäude wird direkt neben der Augenklinik entstehen. Nebenan wird ein siebstöckiges Haus realisiert – eben dort also, wo heute noch das alte Kinderspital und ein Parkhaus stehen. Eine grosse, von berankten Stelen gesäumte Freitreppe verbindet den Spitalplatz an der Spitalstrasse mit der höher liegenden Promenade auf der Rückseite der beiden Neubauten. Der Platz selbst wird mit einem runden Wasserbecken und Findlingen aus der Region gestaltet. In Zukunft soll er der Mittelpunkt der ganzen Anlage sein.
Das Ambulante Zentrum besteht aus einem zwei- und einem siebengeschossigen Neubau. Nördlich des höheren Gebäudes verbindet eine breite Freitreppe Spitalplatz und Promenade (rechts im Bild). Ein weiterer Aufgang (links im Bild) führt zwischen den neuen Häusern hindurch zur bestehenden Augenklinik. (Visualisierung: Aron Lorincz Ateliers © wulf architekten)
Architektur für einen stressärmeren KlinikaufenthaltIm kleineren Bau wird die Notfallpraxis untergebracht. Im Erdgeschoss seines grösseren Nachbarn, der über den Haupteingang am Spitalplatz betreten wird, befindet sich neben einem Restaurant auch die sogenannte «Bildgebungsplattform», wo die Röntgen- und MRI-Geräte stehen. Im ersten Obergeschoss werden die Operationssäle eingerichtet, noch weiter oben sind die Räumlichkeiten für Physio- und Ergotherapie sowie die Dialyse angeordnet. Auch die Krankenhausapotheke wird sich dort befinden.
Organisiert sind die sieben Geschosse um ein zentrales Atrium. Viele Pflanzen sollen dort für eine hohe Aufenthaltsqualität sorgen. Die Idee der Architekten ist, mit dem Lichthof die Orientierung in dem grossen Gebäude zu erleichtern und trotz der erheblichen Raumtiefe für angenehme Helligkeit zu sorgen. Geprägt werden die Innenräume neben üppigem Grün und viel Tageslicht von Holzoberflächen. Erkrankte Menschen sollen sich dank der freundlichen Atmosphäre und eines behaglichen Raumklimas im neuen Spital wohlfühlen, statt den Aufenthalt als zusätzliche Belastung zu empfinden. Die Räume für die Dialyse sind zum Beispiel so gestaltet, dass die Patienten ins Freie blicken können. Dazu wurde das System von Behandlungszimmern im Gebäudekern und entlang der Fassade angeordneten Aufenthaltsbereichen umgekehrt.
Während der Sockel betoniert ist, werden die Aufbauten aus demontierbaren Holzmodulen erstellt, die sich später wiederverwenden lassen. Sie bekommen Fassaden aus Metall. Für den Sonnenschutz ist eine Brise-Soleil-Konstruktion geplant, und auch Fotovoltaik-Module werden integriert. Rankpflanzen sollen Gebäudehülle und Dächer nach und nach bewachsen.
Eines der wichtigsten Elemente des Entwurfs ist das grosse Atrium, das sich über sieben Geschosse zieht. Es soll als Erschliessungsraum dienen, vor allem aber auch zum Verweilen einladen. (Visualisierung: Aron Lorincz Ateliers © wulf architekten)
Das niedrigere Gebäude wird mit einer Dachterrasse für das Personal abgeschlossen. (Visualisierung: Aron Lorincz Ateliers © wulf architekten)
Zukünftige Entwicklungen in der Medizin antizipierenBasis für den zweistufigen Wettbewerb, bei dem zunächst fünf Projekte für ein anschliessendes Dialogverfahren ausgewählt wurden, war ein Betriebskonzept der Ärzteschaft. Die frühzeitige Beteiligung der Nutzenden an der Planung war wichtig, weil die Abläufe im neuen Spital reibungsfrei funktionieren müssen. Ausserdem kommt es darauf an, künftige Entwicklungen im Gesundheitswesen vorherzusehen und einzukalkulieren. Für bessere Abläufe rücken Mediziner, die besonders häufig zusammenarbeiten, im Ambulanten Zentrum eng zusammen: Gastroenterologen, Magen-Darm-Spezialisten, Urologen und Bauchchirurginnen werden beispielsweise zu Nachbarn. Zudem ist das neue Spital aus sich wiederholenden Raummodulen aufgebaut, was die spätere Anpassung erleichtert. Das wiederum ist hilfreich, weil sich der Klinikalltag verändern wird: Die Bedeutung der Telemedizin etwa, also der Beratung und Diagnose am Telefon oder über das Internet, dürfte stark zunehmen.
Vorteilhaft für Patienten und Personal ist auch die Zusammenfassung der Ambulatorien, die heute noch über das weitläufige Klinikgelände verteilt sind, in einem Gebäude. Das gilt umso mehr, da es in der Medizin einen Trend zur Ambulantisierung gibt: In Luzern stehen schon heute 50'000 stationären Behandlungen im Jahr eine Million ambulanter Kontakte gegenüber.
Die ersten Patienten sollen in dem nach aktuellen Schätzungen rund 190 Millionen Franken teuren Spital, das den Minergie-P-ECO Standard erfüllen wird, 2031 behandelt werden. Dann wird sich zeigen, ob es gelungen ist, eine menschen- und umweltfreundliche, effiziente und wandlungsfähige Krankenhausarchitektur zu entwickeln.