Zwischen Geschichte und Zukunft
Joos & Mathys Architekten
22. 十月 2020
Foto: Andreas Buschmann
Wie soll man in einer schönen, geschichtsträchtigen Altstadt neu bauen? Christoph Mathys erklärt, wie sein Büro Joos & Mathys Architekten bei einem Wohn- und Geschäftshaus in Luzern mit Fingerspitzengefühl, aber auch spielerischer Leichtigkeit traditionelle Formen neu interpretiert hat.
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Tradition und Modernität – beide Attribute sollen einem Bauwerk innewohnen. Das eine darf das andere nicht übertönen, ganz speziell im Kontext einer Altstadt. Diese Balance galt es zu halten beziehungsweise wiederzufinden, und vielleicht ist dies der Grund, warum das Vorgängerbauwerk aus den 1960er-Jahren in seinem radikalen Ausdruck nicht weiter bestehen konnte.
Foto: Andreas Buschmann
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Die Inspirationen sind vielschichtig. Viel Referenzielles liegt dem Entwurf zugrunde. Die Morphologie der Altstadt, das unmittelbar Ortsspezifische, exotische Motive und Momente und nicht zuletzt persönliche Präferenzen, Erkenntnisse und Erfahrungen wurden eingewoben. Und ganz wichtig scheint uns die Auseinandersetzung mit dem Handwerk und dem Baumeisterlichen.
Foto: Andreas Buschmann
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Wann darf man schon in einem so kulturell wichtigen Umfeld bauen, prominenter kann es fast nicht sein. Und trotzdem bedurfte die Bauaufgabe nicht der Inszenierung wie bei einem Museum, einem Rathaus oder einer öffentlichen Institution: Das neue Gebäude ist lediglich ein einfaches Wohn- und Geschäftshaus an spezieller Lage in der Altstadt. Es ordnet sich ein, ohne sich aufzuspielen. Trotzdem trägt es auf den zweiten Blick Würde.
Zusammen mit der Stadt Luzern hat die Bauherrschaft mit dem Architekturwettbewerb von Anfang an der Wichtigkeit des neuen Gebäudes Rechnung getragen. Darüber hinaus hat sie in beispielhafter Art mit grossem gegenseitigen Vertrauen dazu beigetragen, dass das Haus in einer handwerklichen und baumeisterlichen Tradition in nachbarschaftlicher Beziehung zu den historischen Gebäude der Umgebung errichtet werden konnte.
Foto: Andreas Buschmann
Foto: Andreas Buschmann
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Architektonisch unterscheidet sich der Wettbewerbsentwurf vom nun ausgeführten Bauwerk nur in Nuancen. Jedoch bezüglich der Nutzungen gibt es einen wesentlichen Unterschied: Ursprünglich waren neben den Verkaufsflächen Büroräume und nur zwei grosse Wohnungen im dritten Geschoss sowie unter dem Dach vorgesehen. Im Ausführungsprojekt gibt es keine Büros mehr, dafür insgesamt elf Wohnungen.
Foto: Andreas Buschmann
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Das neue Haus zeigt sich kontextuell wie alle unsere Häuser, die sich bemühen, städtebaulich, typologisch und architektonisch solide zu sein und darin eine spezifische Schönheit zu finden.
Natürlich bestimmt der Einsatz der Ressourcen die Konstruktion, um energetisch einen sinnvollen Umgang zu finden und in Einklang mit unserer Umwelt zu stehen. Dies bedeutet aber nicht, dass der architektonische Ausdruck sich einer gestalterischen Tendenz unterordnet. Vielmehr soll das neu Gebaute ausserhalb von modischen, kurzfristigen Tendenzen stehen und so einen Gegenwert für die Zukunft darstellen. Auf diese Weise möchten wir über einen grossen Zeithorizont hinaus bleibende Werte schaffen.
Foto: Andreas Buschmann
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Der Charakter des neuen Wohn- und Geschäftshaus an der Kapellgasse ist massgeblich geprägt von den schmückenden, handgefertigten Keramikformteilen für die Einfassungen der Fenster, welche die Tektonik der Fassaden des Haupthauses bestimmen.
Situation
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss 1. Obergeschoss
Grundriss 2. Obergeschoss
Grundriss 3. Obergeschoss
Grundriss 4. Obergeschoss
Längsschnitt
Querschnitt
Wohn- und Geschäftshaus Kapellgasse
Standort
Kapellgasse 4, 6004 Luzern
Nutzung
Retailflächen, Wohnungen
Auftragsart
Geladener Wettbewerb, 2016
Bauherrschaft
Newport RE AG, Zug
Architektur
Joos & Mathys Architekten AG ETH SIA BSA, Zürich
Projektleitung: Stephan Jin Faust, Eva Luginbühl
Mitarbeiter*innen: Friedericke Preschany, Louise Egreteau, Jeremiah Schwery
Fachplaner
Bauingenieur: Ferrari Gartmann AG, Chur
Gebäudetechnik: Jakob Forrer AG Ingenieurbüro, Buchrain
Elektroplanung: Mettler+Partner West AG, Aarau
Bauphysik: BAKUS Bauphysik & Akustik GmbH, Zürich
Brandschutz: Schmid Schärer Architekten GmbH, Zürich
Fassadenplanung: GFT Fassaden AG, St. Gallen
Bauleitung
Weberwaber GmbH, Luzern
Jahr der Fertigstellung
2020
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 15,5 Mio.
Gebäudekosten BKP 2
CHF 13,2 Mio.
Gebäudevolumen
GV 14 540 m3 / GF 3 960 m2
Kubikmeterpreis
CHF 909
Energiestandard
ohne Standart, nicht zertifiziert
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeister Rohbau: Gebr. Amberg Bauunternehmung AG, Luzern
Baumeister Keramikfassade: Schmid Bauunternehmung AG, Ebikon
Keramik Formteile: m&r Manufaktur GmbH, Saarbrücken, Deutschland
Holzbau: Buob Holzbau AG, Luzern
Fenster Holz: Schreinerei Meier AG, Zell
Fenster und Aussentüren aus Aluminium: Metallbau Bühlmann AG, Wauwil
Eingangsfronten und Schlosserarbeiten: Huber Kontech AG, Buttisholz
Spenglerarbeiten: M. Kneubühler AG, Menznau
Dachdecker und Flachdach: M. Kneubühler AG, Menznau
Fassadenputz und Gipserarbeiten: Halter & Colledani, Luzern
Textiler Sonnenschutz: Kästli & Co. AG, Belp
Sonnenschutz, Schlagläden: Alurex Kindt AG, Lyss
Schreinerarbeiten, Innentüren und Küchen: Schreinerei Markus Vogel AG, Schwarzenberg
Aufzugsanlagen: Emch Aufzüge AG, 3027 Bern
Fotos
Andreas Buschmann, Zürich