Schichten und Geschichten – neues Leben für ein altes Haus

von Ballmoos Architektur
13. Juni 2024
Foto: Tom Licht Photography
Frau von Ballmoos, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Zeit und Geduld, Mut zum Risikio, viel Eigenleistung, Improvisation und unkonventionelle Lösungen waren nötig, um dieses Projekt zu realisieren. Die Scheune war in einem baulich schlechten Zustand, einsturzgefährdet und bis unters Dach gefüllt mit allerlei Dingen, die sich über die Jahrzehnte angesammelt hatten. Andererseits ist das Bauernhaus Teil des historischen Ortskerns von Winterthur-Wülflingen und als wichtiger Zeitzeuge im Ortsbild denkmalgeschützt. Die Rettung des Gebäudes und die Umnutzung zum Wohnhaus sind nur gelungen dank des guten Willens aller am Projekt beteiligten Personen.

Die historische Scheune wurde zum Wohnhaus umgenutzt und um einen neuen Anbau ergänzt. Er entspricht in seinen Abmessungen einem abgebrochenen Schopf. (Foto: Tom Licht Photography)
Gleichzeitig ist der Annexbau klar als neuer Gebäudeteil zu erkennen. (Foto: Tom Licht Photography)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Das Gebäude hat eine fast 400-jährige Geschichte. Erst wurde ausgeräumt, bewertet und abgewogen, was bleiben soll und was gerettet werden kann. Die Struktur und die Balkenlagen wurden erhalten, der alte Schopf durch einen neuen Anbau ersetzt. Dann wurden die neue Nutzung, die Vertikalerschliessung und die Raumaufteilung ins Volumen gedacht. Die neuen Teile ergänzen und kompensieren das Alte. Schliesslich wurde abgebrochen, ersetzt, restauriert, geplant, besprochen und gebaut, die Materialisierung weitergewoben, Schicht um Schicht, alt auf neu.

Auch beim Anlegen und Bepflanzen des Gartens packte die Bauherrschaft mit an. Ein grosser Teil des Umbauprojekts wurde durch sie in Eigenleistung realisiert. (Foto: Tom Licht Photography)
Nur wo nötig, wurde Neues hinzugefügt. (Foto: Tom Licht Photography)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Das Bauernhaus blieb als Zeitzeuge und Identifikationspunkt im bäuerlichen Ortskern äusserlich nahezu unverändert. Die Giebelfassade musste jedoch erneuert werden. Wir haben sie mit möglichst wenigen Fenstern versehen, sodass die Räume dahinter zwar genug Licht erhalten, der geschlossene Ausdruck des Hauses aber nicht beeinträchtigt wird. Der angebaute Schopf wurde durch einen Neubau ersetzt. Zwar hat er die gleiche Volumetrie und Anordnung wie sein Vorgänger, er ist jedoch deutlich als neues Element erkennbar. Die Lage direkt an der alten Hauptstrasse sowie die Fusswege, die durch den Garten führten, wurden gestalterisch integriert.

Alte Bauteile wie der Futtertrog oder die Strickbauwände wurden restauriert. Das macht den Charme des Hauses aus. (Foto: Tom Licht Photography)
Die Vertikalerschliessung wurde neu geplant. (Foto: Tom Licht Photography)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Die Bauherrschaft hat mit viel Eigenleistung und handwerklichem Geschick aktiv am Haus mitgebaut. Viele wichtige Elemente wie der Futtertrog, die Strickbauwände oder das Scheunentor wurden restauriert und tragen zum besonderen Charme des Gebäudes bei. Die Materialisierung der neuen Räume wie Küche und Bad haben die Nutzer*innen selbst geplant. Und auch der Garten wurde mit etwas fachlicher Unterstützung selbst angelegt und bepflanzt.

Foto: Tom Licht Photography
Materialisierung und Ausstattung der neuen Räume, wie zum Beispiel der Küche, plante die Bauherrschaft selbst. (Foto: Tom Licht Photography)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Wir haben bereits einige denkmalgeschützte Objekte saniert, erweitert oder einer neuen Nutzung zugeführt. Diese Bauten sind immer ortsbaulich wichtig und erfordern einen feinfühligen Umgang mit der wertvollen Bausubstanz. Vielfach müssen erst im Laufe der Jahre hinzugefügte Elemente entfernt werden, um die besondere Charakteristik der Häuser wieder sichtbar zu machen. Auf diesem geschichtsträchtigen Untergrund kann dann weitergebaut und das Gebäude für die aktuelle Nutzung und die nächste Epoche fit gemacht werden.

Die Kombination von Holz und Stein findet sich überall im Haus. (Foto: Tom Licht Photography)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Es wurde mit den vorgefundenen Materialien weitergebaut, vorwiegend mit lokalem Fichtenholz. An der Tragstruktur wurden nur die zwingend nötigen Elemente ersetzt und mit den ursprünglichen Zimmermannsverbindung eingefügt. Die Fassaden sind ebenfalls in Fichte ausgeführt – mit vorvergrauendem Anstrich am Hauptgebäude und unbehandelt am neuen Anbau. Dort soll das Holz unregelmässig und natürlich vergrauen. Die Böden aus Eichenparkett oder Anhydrith-Fliessbelag, die verputzten Wände und die sichtbaren Holzelementdecken setzen die Kombination von Holz und Stein fort.

Situation (© von Ballmoos Architektur)
Grundriss Erdgeschoss (© von Ballmoos Architektur)
Grundriss Obergeschoss (© von Ballmoos Architektur)
Schnitt (© von Ballmoos Architektur)
Bauwerk
Bauernhaus an der Wieshofstrasse
 
Standort
Wieshofstrasse 54, 8408 Winterthur
 
Nutzung
Wohnhaus
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Privat
 
Architektur
von Ballmoos Architektur GmbH, Winterthur
Anina von Ballmoos
 
Fachplaner 
Bauleitung und TU-Auftrag: Robert Schaub AG, Andelfingen
 
Fertigstellung
2023 
 
Fotos
Tom Licht Photography, Zürich

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