Altbacken war gestern
Elias Baumgarten
6. junho 2024
Drei Anbauten werden die Südseite des denkmalgeschützten Museums deutlich verändern. (Visualisierung: © Nightnurse Images AG, Zürich)
Bellorini Architekt:innen, Kast Kaeppeli und Kossmanndejong bauen das Bernische Historische Museum um. Statt sich in Sackgassen zu verirren, können die Gäste bald eine Runde durch die Ausstellungen drehen. Und eine Abfolge schöner, heller Räume lockt sie vom Helvetiaplatz in den Museumsgarten.
Die Treppenhalle ist düster und wenig einladend, die Ausstellungsräume wirken angestaubt. Die Haustechnik ist genauso veraltet wie der Brandschutz, und sogar das Dach leckt. Keine Frage, das Bernische Historische Museum hat eine Sanierung dringend nötig. Zwar wurde das 1894 eröffnete historistische Museumsschloss des Architekten André Lambert zweimal erweitert – 1922 um den rückseitigen Moser-Anbau und 2006–2009 um den «Kubus» des Architekturbüros :mlzd mit Depot, Ausstellungshalle und Büros –, doch instand gesetzt wurde es nie. Im Juli vorigen Jahres dann wurde ein Architekturwettbewerb für die Sanierung und Erweiterung der denkmalgeschützten Anlage ausgelobt. 28 Büros wollte daran teilnehmen, vier durften nach einer Vorauswahlrunde einen Entwurf ins Rennen schicken.
Die Erwartungen an sie waren sehr hoch: Das Museum möchte sich mit dem Umbau neu erfinden. Stiftungsratspräsident Luc Mentha spricht von einer «inhaltlich-musealen Neugründung» und will den Gästen ein «völlig neues Erlebnis» bieten. Museumsdirektor Thomas Pauli-Gabi wünscht sich nicht unbedingt mehr Ausstellungsflächen, sondern «mehr Platz für Menschen». Kurzum, das Museum soll freundlicher werden – seine Treppenhalle heller und die Ausstellungsräume ohne Sackgassen als Runde begehbar.
Die historische Treppenhalle wird heller. (Visualisierung: © Nightnurse Images AG, Zürich)
Im Süden entsteht neu eine grosse Eingangshalle. Sie bildet mit dem historischen Treppenhaus und dem Nordfoyer einen zusammenhängenden Raum. (Visualisierung: © Nightnurse Images AG, Zürich)
Am besten hat die verzwickte Aufgabe eine Arbeitsgemeinschaft aus den Berner Büros Bellorini Architekt:innen und Kast Kaeppeli Architekten sowie dem niederländischen Team von Kossmanndejong gelöst. Ihr Entwurf «Viola W.» mag weniger radikal sein als andere Wettbewerbsbeiträge, aktiviert aber klug das Potenzial des Bestands und zeugt nicht minder von Gestaltungsfreude. Insgesamt drei Anbauten werden die Anlage ergänzen und die Südansicht deutlich verändern. Das historische Treppenhaus bekommt neue Fenster. Es wird mit dem Nordfoyer und einer neuen Eingangshalle auf der Südseite verbunden. So entsteht eine öffentliche Passage, durch die man vom Helvetiaplatz im Norden zum Museumsgarten im Süden gelangen kann – auch wenn man kein Ticket gekauft hat. Der Park ist ein wichtiger öffentlicher Raum in der Hauptstadt: Im Sommer sonnen sich die Menschen dort in Liegestühlen und erfrischen sich in einem Bar-Pavillon.
Das Siegerprojekt wird nun weiter ausgearbeitet. Dabei kommt es auch darauf an, noch die eine oder andere Einsparmöglichkeit ausfindig zu machen, damit der Entwurf das Kostendach von 120 Millionen Franken nicht sprengt. Zu beachten ist nämlich, dass nicht nur die Architektur kostet, sondern auch die Entwicklung eines neuen Konzepts für die Dauerausstellung. Die Bauarbeiten sollen 2027 beginnen, und wenn alles gut geht, wird die Neueröffnung 2031 gefeiert.
Mit dem Umbau entsteht eine öffentliche Passage vom Helvetiaplatz zum Museumsgarten und dem südlich anschliessenden Museumsquartier. (Situation: © Bellorini Architekt:innen, Kast Kaeppeli Architekten)
Interessant ist die Ähnlichkeit der Bauaufgabe zur Sanierung und Erweiterung des Zürcher Landesmuseums. Seit der Eröffnung des Anbaus von Christ & Gantenbein im Jahr 2016 hat sich die Haltung zum Umgang mit baugeschichtlich wertvoller Substanz merklich gewandelt: In Zürich dockt der Neubau rückseitig an Gustav Gulls historistisches Museum an und schliesst den Hof zum Platzspitz, damit im Inneren ein Rundlauf entsteht. Bellorini Architekt:innen, Kast Kaeppeli und Kossmanndejong hingegen verschränken ihre Ergänzungen stark mit dem Bestand. Besonders gut gefällt in diesem Vergleich auch ihre Idee, die Menschen stärker als bisher durch das Museum in den Park auf dessen Rückseite zu locken.