Erzählungen
W2H Architekten
25. julho 2019
Strassenseite mit neuer Verandenterrasse (Foto: Rolf Siegenthaler Fotografie)
W2H Architekten haben voriges Jahr im Auftrag der Stadt Bern ein historisches Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen saniert, das 1875 erbaut wurde. Andreas Wenger stellt sich unseren Fragen.
Ort Zähringerstrasse 22, 3012 Bern
Auftragsart Einladungsverfahren
Bauherrschaft Immobilien Stadt Bern
Architektur W2H Architekten AG, Bern: Andreas Wenger, Andreas Herzog, Adrian Habegger, Christa Marti, Linda Steiner, Alain Girod
Fachplaner Bauingenieur: WAM Planer und Ingenieure AG, Bern | Elektroingenieur: Fux & Sarbach Engineering AG, Muri bei Bern | Heizungsingenieur: Ingenieurbüro Züllig und Riederer & Partner GmbH, beide Muri bei Bern | Sanitäringenieur: Ingenieurbüro Riesen AG, Bern | Bauphysik: Marc Rüfenacht Bauphysik & Energie, Bern
Jahr der Fertigstellung 2018
Gesamtkosten CHF 2,2 Mio.
Gebäudekosten CHF 2,0 Mio.
Gebäudevolumen 3’139 m3
Kubikmeterpreis 642.- /m3
Fotos Rolf Siegenthaler Fotografie
Enfilade der Wohnräume (Foto: Rolf Siegenthaler Fotografie)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Das Reihenmehrfamilienhaus aus dem Jahr 1875 an der Berner Zähringerstrasse 22 wurde in den 1960er-Jahren vom Wohnhaus in ein Altersheim umgebaut, die Verandenterrasse musste einem eingeschossigen Anbau für die Produktionsküche und den Essraum weichen. Aufgrund sich verändernder Anforderungen an den Pflegebetrieb wechselte die Betreiberin 2016 den Standort. Bis zum Baustart im Jahr 2017 lebten als Zwischennutzung Asylsuchende im historischen Gebäude. Unterschiedliche Formen des Zusammenlebens prägen also die Geschichte des Hauses, wir wollten mit der Umnutzung an diese anknüpfen.
Verandenterrasse (Foto: Rolf Siegenthaler Fotografie)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?Wir haben uns auf eine bauhistorische Spurensuche begeben. Es zeigte sich immer deutlicher ein Gesamtbild des einstigen Zustandes. Uns gefiel die Idee, dass sich die Eingriffe in den drei Wohngeschossen in die historische Architektursprache einordnen, die neuen Wohnungen im Dachgeschoss sich hingegen deutlich vom Ursprünglichen abheben. Entsprechend unserer übergeordneten Leitidee wurden soweit als möglich bestehende Bauteile repariert und weiterverwendet. Einige wurden zudem mit handwerklicher Raffinesse wiederhergestellt.
Badezimmer (Foto: Rolf Siegenthaler Fotografie)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?Mittels historischer Pläne konnten wir die ursprüngliche Grundrisstypologie des Wohnhauses eruieren. Auf der Eingangsseite waren Nasszelle und Küche angeordnet, entlang der repräsentative Südseite die Wohn-, Arbeits- und Schlafräume. Ziel war, das Gebäude seiner ursprüngliche Funktion als Wohnhaus wieder zuzuführen. Der eingeschossige Anbau sowie die kleinteiligen Einbauten auf den Geschossen wurden daher rückgebaut.
Die gesamte nordseitige Erdgeschossfassade wurde sorgsam und mit grosser handwerklicher Präzision rekonstruiert. Einzelne Bauteile konnten aus dem Lager der Denkmalpflege bezogen werden und vervollständigen das Gebäude in seiner historischen Erscheinung. In Anlehnung an die ursprüngliche Verandaterrasse entstand auf den Grundmauern des erhaltenen Natursteinsockels eine zweigeschossige Veranda in Sichtbeton. Stützen, Träger und Füllungen wurden vor Ort vergossen. Die Farbigkeit und Oberflächenstruktur stellt eine leise Referenz an die vorgefundenen Sandsteinelemente des Gebäudes dar.
Eingangsbereich mit Garderobe (Foto: Rolf Siegenthaler Fotografie)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?Im ursprünglichen Zustand verfügten die Wohnungen über je vier Zimmer, was wir erhalten oder wiederherstellen wollten. Während der Bearbeitung des Vorprojekts stellte sich allerdings heraus, dass sich die Grösse der Vierzimmerwohnung von 150 m2 nicht mit der Verantwortung hinsichtlich des haushälterischen Umgangs mit dem Boden und der sozialen Durchmischung im Quartier vereinbaren lässt, welche die Stadt als Bauherrin trägt. Die Projektanpassung verlangte, je ein Zimmer mehr einzufügen. Das schien zunächst im Sinne der angestrebten genauen Rekonstruktion bedauerlich. Aber mit den nun realisierten zweiflügligen Verbindungstüren wurde ein im Haus vorgefundenes Thema interpretiert und neue Raumsequenzen geschaffen.
Dachwohnung (Foto: Rolf Siegenthaler Fotografie)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?Unsere Interessen und Arbeiten sind vielfältig, im Zentrum steht aber immer die Debatte um Verantwortung und Relevanz. Wir konnten in der Vergangenheit verschiedene historische Bauten in der Stadt Bern sanieren, dabei spielt der intensive Austausch mit der städtischen Denkmalpflege eine wichtige Rolle. Zurzeit bearbeiten wir die Sanierung einer Gebäudeerweiterung von 1921 an eine Campagne aus dem 18. Jahrhundert – auch dabei werden wir die Geschichte fortschreiben.