Das Haus im alten Obstgarten
Roman Morschett
18. abril 2024
Der Holzbau öffnet sich im Süden zum Obstgarten. (Foto: Rory Gardiner)
Im deutschen Gersheim hat Roman Morschett das neue Haus einer Familie gebaut. Der Basler Architekt erklärt, welche Anleihen er für den Holzbau – sein Erstlingswerk – bei den landwirtschaftlichen Bauten ringsherum vorgenommen hat.
Herr Morschett, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Die alte Streuobstwiese, auf der das Haus für eine vierköpfige Familie entstehen sollte, liegt zwar inmitten des Dorfes Gersheim, war jedoch zuvor nie bebaut. Uns hat die Vorstellung gefallen, die Ortschaft im Inneren zu verdichten, statt sie an den Rändern weiter zu zersiedeln. Trotzdem wollten wir unbedingt die besondere Stimmung des Ortes erhalten.
Die Betonkonstruktion schreibt mit ihren parallelen Schotten die Logik des auf ihr ruhenden Holzbaus in die Landschaft ein. (Foto: Rory Gardiner)
Auf der Nordseite wirkt die geschlossene Fassade wie ein Puffer zur Strasse. (Foto: Rory Gardiner)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?
Um dieses Ziel zu erreichen, suchten wir nach einem angemessenen architektonischen Ausdruck, den wir in einem einfach gefügten Holzbau fanden. Materialität, Konstruktion und Farbigkeit sollten dabei an landwirtschaftliche Zweckbauten erinnern.
Uns war es ein grosses Anliegen, einen starken Bezug zum Aussenraum zu schaffen. Zur Strasse auf der Nordseite tritt das lang gestreckte Haus geschlossen in Erscheinung und gewährt kaum Einblicke ins Innere. Auf der Südseite hingegen öffnet es sich und gibt den Blick über die alten Dächer des Dorfkerns in die Kulturlandschaft des Bliesgaus frei. Aussen wie innen folgt das Haus der Bewegung der Landschaft. Ob die vorgelagerte Laube mit ihrer einladenden Sitzbank zum Garten oder zum Innenraum gehört, bleibt offen.
Die vorgelagerte Laube auf der Südseite zieht sich über die ganze Länge des Hauses. Sie weitet sich in der Gelenksituation des L-förmigen Grundrisses zu einer grosszügigen Terrasse auf. (Foto: Rory Gardiner)
Die einfache Fügung, die Materialisierung und die Farbigkeit erinnern an landwirtschaftliche Zweckbauten. (Foto: Rory Gardiner)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Zunächst war der Entwurf radikaler. Der Baukörper war noch ein bisschen länger und nicht zur L-Form abgeknickt. Der Bauherrschaft gefiel unser Vorschlag, allerdings wünschte sie sich einen geschützteren Aussenraum. Diese Weiterentwicklung hat das Projekt besser gemacht, führte sie doch auch zu einer Bereicherung der (innen)räumlichen Situationen.
Tatsächlich handelt es sich um unser Erstlingswerk.
Durch einen Niveausprung wird der Wohnraum zusätzlich zoniert. Von der tiefer liegenden Terrassenebene sind es nur wenige Schritte bis zur Obstwiese. (Foto: Rory Gardiner)
Der Wohnbereich legt sich um die überdachte Terrasse, die zum Mittelpunkt des Familienlebens wird. (Foto: Rory Gardiner)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Natürlich haben wir uns bemüht, den relevanten Themen unserer Zeit Rechnung zu tragen. Dabei war es uns wichtig, dass sich Konstruktion, architektonischer Ausdruck und energetische Aspekte zu einem dichten, stimmungsvollen Ganzen verweben.
Der geringe Öffnungsanteil im Norden steht der grosszügigen Verglasung auf der Südseite gegenüber, die in den Wintermonaten bei tiefstehender Sonne zu spürbaren solaren Wärmegewinnen führt. Gleichzeitig verhindert der grosse Dachüberstand eine zu starke Aufheizung im Sommer. Die sichtbar belassene Holzkonstruktion im Aussenraum stärkt durch das Weglassen zusätzlicher Schichten die gestalterische Idee und spart gleichzeitig Ressourcen. Beheizt wird das Haus übrigens mit einer Wärmepumpe, deren Strombedarf durch die Photovoltaikanlage in Kombination mit einem Batteriespeicher gedeckt wird.
Präzise gesetzte Oberlichter versorgen den innen liegenden Korridor zusätzlich mit Tageslicht. (Foto: Rory Gardiner)
Lediglich über das Entrée gibt es eine Blickbeziehung zwischen dem Wohnraum und der Strasse. (Foto: Rory Gardiner)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Lärchenholz ist das prägende Material des Hauses, denn es begegnet einem in Form der sägerauen Fassadenschalung, der Terrassendielen und Stützen, der Sitzbänke, Fenster und Parkettböden.
Das Arbeitszimmer wird als einziger Raum, der nach Osten orientiert ist, mit einer grossen, runden Öffnung besonders ausgezeichnet. (Foto: Rory Gardiner)
Situation (© Roman Morschett)
Grundriss (© Roman Morschett)
Schnitte (© Roman Morschett)
Wohnhaus im Bliesgau
Standort
Pfälzer Strasse 2, 66453 Gersheim, Deutschland
Nutzung
Einfamilienhaus
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
Privat
Architektur
Roman Morschett, Basel
Fertigstellung
2023
Auszeichnung
Häuser des Jahres 2024, Callwey Verlag
Fotos
Rory Gardiner